In ungewohnter Hilfsbedürftigkeit
Schweizer Tierfreundin von der Costa Blanca erlebt in schwerer Finanznot Wechselbad der Gefühle
Villena – sw. An wen wendet man sich, wenn das Leben in Spanien schwierig wird, man in Geldprobleme und Isolierung gerät? Ja, die Frage stellt sich auch für manchen Deutsch sprechenden Zuwanderer. Nie hätte etwa Johanna Bussmann erwartet, dass sie in solche Not schlittern könnte, als die Schweizerin an die Costa Blanca zog. Doch dann fand die tierfreundliche Seniorin sich ohne Strom und so mittellos wieder, dass es kaum für Essen reichte. Nun holte eine glückliche Fügung die 65-Jährige aus der Misere. Ihre Sorgen ist sie zwar nicht ganz los, fühlt sich aber um die Einsicht reicher, auf welche Hilfe man notfalls bauen kann, und auf welche nicht.
Dass sie das Leben im Ausland nicht beherrschte – das kann man der in Afrika geborenen, einer niederländisch-schweizerischen Familie entstammenden Residentin nicht unterstellen. Die Nähe zum Vater, der an die Costa Blanca zog, sowie der Plan, eine Hilfseinrichtung zu gründen, brachte die Mitteleuropäerin ins Vinalopó-Tal. Das familiäre Zusammenleben glückte aber nicht, und auch das Kümmern um andere erzielte nicht den erhofften Lebensunterhalt.
Eiskalte Botschaft
Letztlich nahm die Schweizerin, überwältigt von der Not vieler Vierbeiner, eine tierische Schar auf und zahlte fürs Überleben der teils prekärsten Umständen Entflohenen ordentlich drauf. Lange ging es gut, und für die engagierte Tierschützerin ergaben sich auch Bekanntschaften. Doch dann kam der Schlag: Die Eigentümer des Hauses, in dem Bussmann wohnte und die Hunde hütete, kündigten ihr.
Und die Schweizerin gehorchte – „ obwohl ich wusste, dass ich auch hätte einfach drinbleiben können.“Als prinzipientreue Person lernen wir Bussmann kennen. An Abkommen halte man sich, und genauso – auch wenn es schwerfällt – an ihre Kündigung. Mit dieser Prinzipientreue jedoch fühlte sich die Schweizerin alsbald sehr allein.
Denn erst entpuppte sich ein für sie und die Hundemeute scheinbar passendes Haus am Ortsrand von Villena als Reinfall: Für sehr hohe Miete gab es nicht einmal richtig Strom, sondern nur schwache Elektrizität über einen Generator. Dann spazierte der Vermieter rein, immer wenn er wollte – eine schwere Belästigung. Und dem nicht genug. Denn auch die einkalkulierte Rente ließ auf sich warten. Bussmann rutschte in die Bedürftigkeit ab –„ ich hatte nichts zu Essen“.
In Panik rief die Seniorin die Schweizer Botschaft an. Eigenen Bürgern, die im Ausland in Not geraten, zu helfen, das sei doch deren Prinzip, dachte die Schweizerin. Aber von wegen. Die eiskalteste Schulter sei ihr gezeigt worden, allem voran, als sie bat, zum Sohn nach Italien befördert zu werden.
Nein, man könnte die Seniorin allenfalls in die Schweiz zurückbringen. „ Kennen Sie die Lebenshaltungskosten dort?“, keucht Bussmann. Nie im Leben könnte sie dort überleben. „ Wie eine Nummer“hätte die Botschaft sie behandelt, nicht wie einen Mensch. Doch was nun? Tierschutz- oder Schweizer Vereine in der Gegend hätte die in Not Geratene nicht um Hilfe gefragt. „ Ich will ja niemandem auf den Keks gehen. Alle haben mit dem eigenen Leben genug zu tun.“
Zum Glück: Eine Deutsche aus der Umgebung, die Bussmann beim Verkauf eines Sofas kennenlernte, half ihr spontan aus dem Gröbsten, spendete Lebensmittel, Futter und auch das eine und andere herzliche Gespräch. Doch als wir mit der Schweizerin sprechen, ist sie gerade davor, das Auto abzugeben. Das aber wäre, abgelegen wie sie wohnt, das nächste Desaster. Es ist eine Zwickmühle. Bussmann wolle weg, „ mit Spanien bin ich fertig.“Aber was würde aus ihren noch 14 Hunden? Eine offizielle Herberge käme nicht in Frage: „ Haben Sie mal die Bedingungen dort gesehen?“
Sowieso sei es sehr schwer, Hunde unterzubringen. Das neue Tierschutzgesetz führe zu Massen an abgeschobenen Hunden. Dazu kämen all die in der Corona-Einsamkeit gekauften, nun lästig gewordenen Vierbeiner. Theoretisch könnte sie die Tiere im Bekanntenkreis ja unterbringen, erklärt Bussmann. Aber in ihrer Lage könne sie sich nicht darum kümmern. Kann der Sohn aus Italien nicht helfen? Der habe genug Probleme, die Seniorin wolle ihn nicht belasten. Wir kontaktieren Villenas Sozialdienste und Caritas. Beide antworten schnell und bitten um Kontaktdaten. Man werde vorbeifahren, die Situation feststellen. Ja, Hilfe sei prinzipiell möglich.
Abflug über die Hürden
Doch der nächste Anruf bei Frau Bussmann bringt die Überraschung. „ Morgen fliege ich – nach Italien.“Sie habe die Dinge nochmals überdacht, es habe irgendwo Klick gemacht. Vielleicht wurde auch ein hinderliches Prinzip überwunden? Jedenfalls seien die Hunde geparkt, ihr Sohn informiert, der Flug gebucht. „ Ich habe Glück gehabt“, sagt die tapfere Loslasserin.