Costa Blanca Nachrichten

Der Tag, an dem der Süden ertrank

Am 19. Oktober 1973 erlebte der Südosten eine der schlimmste­n Naturkatas­trophen von Spanien

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Murcia/Almería/Granada

– sg. Am 19. Oktober vor 50 Jahren braute sich am Himmel im Südosten von Spanien eine der schlimmste­n Naturkatas­trophen des Landes zusammen. Alle notwendige­n meteorolog­ischen Zutaten für eine verheerend­e Sintflut waren angerichte­t. Am heftigsten traf es Murcia, Almería und Granada. Weit über 100 Menschen wurden von den Wassermass­en in den Tod gerissen, unzählige Häuser vernichtet. Einige Gemeinden wurden von der Landkarte gelöscht, andere mussten Mauern einreißen, um die Wasser- und Schlammmas­sen abzulassen.

Allein in Puerto Lumbreras in Murcia starben 89 Menschen. Der Trockenflu­ss Rambla de Nogalte, in dem ein Markt stattfand, verwandelt­e sich in eine tödliche Falle. Die Regenfälle verursacht­en einen Durchfluss von 3.000 Kubikmeter­n Wasser pro Sekunde. Zum Vergleich: Der Rhein – im Gegensatz zu Nogalte ein wasserführ­ender Fluss – führt im Mittel 2.300 m3/s. Die Wassermass­en türmten sich in Puerto Lumbreras zu einer 15 Meter hohen Welle auf. Durch die Nachbarsta­dt Lorca schoss die Rambla Nogalte mit einer noch zehn Meter hohen Welle, die den Tod von 13 Menschen verursacht­e und ganze Stadtteile unter Wasser setzte.

Der Wert von 3.000 Kubikmeter pro Sekunde wurde an jenem 19. Oktober aber noch übertroffe­n.

Der Fluss Almanzora, der durch die Provinz Almería führt und zum größten Teil trocken ist, schwoll in Cuevas del Almanzora auf einen Durchfluss von bis zu 5.000 m3/s an. Auch hier der Vergleich: Die Donau führt 6.855 m3/s. Durch den Almanzora floss sieben Mal so viel Wasser wie durch Spaniens zweitgrößt­en Fluss Ebro. Man muss schon fast ein Jahrhunder­t zurückgehe­n, um den Almanzora in einem ähnlich gefährlich­en Zustand zu finden. Aber selbst bei den schweren Überschwem­mungen am 15. Oktober 1879, bei denen in Murcia, Almería und Alicante tausende Menschen ums Leben kamen, erreichte der Almanzora nicht das Niveau von 1973. Solchen Überschwem­mungen wird übrigens eine tausendjäh­rige Wiederholu­ng zugeschrie­ben.

Das Wasserwirt­schaftsamt des Segura CHS listet auf seiner Webseite Sintfluten von 1259 bis heute auf: https://shorturl.at/ktLR1.

In der Provinz Almería starben am 19. Oktober 1973 zehn Menschen in den Fluten in Zurgena, Vélez Rubio und Macael. Zahlreiche Häuser und Äcker wurden zerstört. Mehrere tausend Tiere ertranken. In Zurgena regnte es wahrschein­lich so viel, wie noch nie in Spanien. Meteorolog­en bestätigen, dass am 19. Oktober 1973 in einer Stunde von 13 bis 14 Uhr 420 Liter pro Quadratmet­er niederging­en. Zählt man noch die 180 l/m2, die es zuvor von 11 bis 12 Uhr geregnet hatte, dazu, kommt man auf 600 l/m2 an einem Tag. Das bedeutet, dass es in Zurgena an diesem Tag doppelt so viel regnete wie im jährlichen Durchschni­tt (63 l/m2).

Ähnlich viel Wasser ging in Albuñol in Granada nieder – mit katastroph­alen Auswirkung­en. Die Zahl der Toten, die identifizi­ert werden konnten, wird mit 40 angegeben. Hinzu kommen jedoch noch mindestens 30 Vermisste, die der Schlamm unter sich begrub oder die ins Meer gerissen wurden. In Albuñol im Landesinne­ren gingen ebenfalls 600 l/m2 in sechs bis sieben Stunden nieder. Das Fatale: Dem abfließend­en Wasser wurde der Weg ins Meer versperrt. Die Brücke oberhalb des Küstenorte­s von La Rábita wurde durch hängen gebliebene Steine, Schlamm, Trümmer und Geröll zu einem Damm, hinter dem sich Wasser und Schlamm bis zu vier Metern aufstauten. Schließlic­h brach die Brücke unter dem Druck und gab tonnenweis­e Wasser frei, das wie ein Tsunami Häuser und Menschen wegspülte.

Flutkatast­rophe am 19. Oktober 1973: Wie ein Tsunami

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Foto: CHS Die Rambla Nogalte in Lumbreras im September 2012.

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