Der Hügel und seine Toten
Tipp für einen etwas anderen Allerheiligen-Ausflug: Polops alter, literarischer Friedhof
Polop de la Marina – fin. Es könnte einfach ein simpler Hügel sein, aber in Polop ist es der Hügel schlechthin: Schon von weitem ist er sichtbar, macht die Silhouette des Dorfs unverwechselbar und bietet heute eine spektakuläre Aussicht über das Hinterland und die Küste. Hier oben thronen die Reste einer maurischen Burg, deren strategische Lage im 13. Jahrhundert dafür sorgen sollte, dass Polop zur Baronie erklärt wurde, die bis nach Villajoyosa reichte und unter anderem das heutige L’Alfàs del Pi und Benidorm umfasste. Später dann sollte die Burg auf dem markanten Hügel noch ein ganz neues Kapitel aufschlagen.
Ab Anfang des 18. Jahrhunderts und bis 1945 nutzte die Gemeinde die alte Burg als Friedhof, bis er zu klein wurde. Die Gräber wurden auf den neuen umgebettet und die ehemalige Totenstätte verfiel zunehmend, ohne aber ihre Anziehungskraft zu verlieren. Der berühmte Schriftsteller Gabriel Miró, der ab 1912 mehrfach seine Ferien im beschaulichen Polop verbrachte, war es schließlich, der dem Friedhof neues Leben einhauchen sollte – wenn auch unbewusst. Miró verbrachte viele Stunden an der Burgruine und auf dem Friedhof und ließ ihn zum Schauplatz seines Romans „ Años y leguas“werden. Einen „ Garten der Kreuze“nannte der Schriftsteller diesen besonderen Platz in Polop.
Jahre später erinnerte sich der damalige Kulturstadtrat Andrés Barcelot an die Verknüpfung zwischen Miró und dem alten Friedhof, der immer mehr verfiel. In Barcelots Kopf nahm eine Vision Gestalt an: Eine komplette Restaurierung des Geländes, um den Bereich als „ literarischen Friedhof“wiederherzurichten – ohne Leichen, aber dafür mit Geschichten rund um die Figur Miró, sein Werk und seine Beschreibungen des Friedhofs. Drei Jahre später war es so weit, die kleine Gemeinde, deren Sehenswürdigkeiten sich bis dato auf den Dorfbrunnen mit seinen 221 Hähnen, aus denen das Wasser sprudelt und dem Hausberg Ponoig beschränkten, eröffnete 2016 ihren literarischen Friedhof.
Heute gehört dieser besondere Ort hoch oben auf dem Hügel zu den sehenswertesten Friedhöfen an der Costa Blanca – auch wenn die Gräber seit Jahrzehnten leer sind. Kaum ist das Tor passiert, begrüßt Ideengeber Gabriel Miró die Besucher schon auf überdimensionalen
Fotos. Auf einem der Bilder ist er neben Joaquín González zu sehen, im Ort besser bekannt als Tío Ximo Bum, zu Mirós Zeiten der Totengräber des Dorfs. Onkel Ximo zeigte dem Schriftsteller die Gräber und erzählte ihm Anekdoten, in dem Roman kommt er als Gasparo Torralba vor. Beide, Miró und Tío Ximo, starben im Jahr 1930, dem einstigen Bestatter ist heute eine Straße im Ort gewidmet – Miró gleich ein ganzer Friedhof und ein eigenes Museum.
Bei der Neugestaltung hat sich das Rathaus übrigens nicht immer an die wahre einstige Anordnung der Gräber gehalten, sondern an die Beschreibungen Mirós vermischt mit den Erinnerungen der alten Dorfbewohner. Ein perfekter Ort, um in Geschichte einzutauchen, sich Miró anzunähern – oder einfach nur die spektakuläre Aussicht auf dem Hügel zu genießen.
Schriftsteller Gabriel Miró hauchte dem Friedhof unbewusst neues Leben ein