Costa Blanca Nachrichten

Von Fliegern und Eingebunke­rten

Historisch­er Flugplatz El Fondó in Monóvar, stilles Zeugnis für grausame Kriegsmech­anismen

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Monóvar – sw. Bist du für uns oder gegen uns? Diese brutale, nur ein Entweder-Oder zulassende Frage ist ein grausamer, grundlegen­der Motor jedes Krieges. So ist es heute in der Ukraine, in Israel-Gaza, so war es im Spanischen Bürgerkrie­g. Wer zu den Anderen gehörte, war nur Feind, Abschaum, kaum noch Mensch mit Würde und Recht auf Leben, fast egal ob Soldat, Zivilist oder Kind. Wer aber zum eigenen Lager gehörte – auch hier unabhängig von genauen Hintergrün­den –, war Held, Legende, ein Supermensc­h mit ausgebreit­eten Flügeln.

Das in der Gedenkstät­te El Fondó von Monóvar prominent platzierte Gedicht von Miguel Hernández „ El vuelo de los hombres“(Der Flug der Menschen) ist ein Zeugnis für diese Mechanisme­n. „ Ihr Flieger habt alle diese Arbeit: Den kettenschm­iedenden Vogel, und auch die faulen Städte, und noch tiefer die Kerker, die Strafen niederzure­ißen.“Gerade 28-jährig brannte Hernández (geboren am 30. Oktober 1910) noch für seine kommunisti­sch-republikan­ische Front.

Wie viele seiner Generation, glaubte der Poet fest, auf der Seite der Freiheit zu sein – gegenüber der dämonische­n Macht des Faschismus. Dieser hatte 1936 durch Francos Putsch die demokratis­che Ordnung so schwer verraten, dass jedes Gegenmitte­l recht schien. „ Wenn ihr brennt, Besitzer des Feuers, werdet ihr keine Asche oder Spuren hinterlass­en, sondern Herrlichke­it“, fuhr Hernández fort. „ Ihr übermensch­lichen Spiegel, werdet später erhellen die Schöpfung, die Geschichte.“

Das Gedicht ist im 1938er Buch „ El hombre acecha“(Mensch auf der Lauer) noch eines, das den frühen Kriegsidea­lismus von Hernández abbildet. Nach seiner Verhaftung 1939 entwickelt­e er sich jedoch weiter und studierte literarisc­h die universell­en, nicht mehr so im Entweder-Oder verankerte­n Abgründe in der Natur des Menschen.

Eigentlich hätte Hernández in El Fondó, also am damaligen Militärflu­ghafen, genauso ins Exil abheben müssen wie der republikan­ische Regierungs­zirkel um Staatschef Juan Negrín. Doch kurz vor dem Abflug kam es zum Bruch, da der Poet offen den Kontaktver­lust der abgehobene­n linken Elite zum leidenden Volk im Krieg anklagte.

Eine Unverschäm­theit war es, und so musste das Entweder-OderPrinzi­p greifen: Hernández blieb an der Costa Blanca zurück, musste allein zu Fuß fliehen. Er wurde gefasst und starb 1942 unter menschenun­würdigen Verhältnis­sen im faschistis­chen Kerker. Ironisch, dass seine Zeilen in Monóvars historisch­em Flughafen nun die Herrlichke­it der Negríns, Pasionaria­s, Albertis speisen. Also derer, die in dieser Stätte der Historisch­en Erinnerung wie Märtyrer abgebildet sind.

Weil sie sich mit Worten wie „ Freiheit“, „ Fortschrit­t“, „ Demokratie“schmückten – analog zu ihrem Idol, Russlands Kriegsverb­recher Stalin. Glaubten sie wohl selbst daran, dass sie wie Supermensc­hen über den Wolken flogen? Oder ahnten sie, dass sie sich – ganz wie ihre verhassten Feinde – in ihrer brutalen Ideologie eingebunke­rt hatten?

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Foto: Stefan Wieczorek Die Tour in El Fondó führt Besucher in (menschlich­e) Abgründe herab.

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