Aufklappen, hinsetzen
Mitten in der Huerta Alicantes baute eine kleine Schreinerei ein Klappmöbel-Imperium auf
Sant Joan d’Alacant – ann. Klapp! – und schon saß ein Hintern irgendwo in Spanien auf einem Stuhl von Sillas Mira aus Sant Joan d’Alacant. Das Unternehmen war Ende der 1920er Jahre die wichtigste Fabrik für zusammenklappbare Möbel im ganzen Land. An die 30.000 Stühle im Jahr produzierte der Betrieb in seinen besten Zeiten. „ Sich nicht mit einem ähnlichen Artikel eindecken, ohne zuvor dieses Haus konsultiert zu haben“, predigte denn auch die Werbeanzeige von Sillas Mira, das sein Klappmöbelsystem 1924 hatte patentieren lassen.
Die aus Buchenholz gefertigten Klappstühle und -tische fanden überall dort Verwendung, wo viele Menschen zusammenkamen. „ Zu den Kunden zählten hauptsächlich Cafés, Bars und Restaurants, aber auch Kinos, Hotels, Pensionen und das eine oder andere Balneario“, erzählt Sant Joans Stadtarchivar Gaspar Belmonte. Zudem kauften Musikvereine oder politische Gruppierungen die Klappstühle für ihre Zusammenkünfte. Und natürlich war auch das Rathaus von Sant Joan selbst Kunde bei der lokalen Schreinerei. „ Eine ältere Einwohnerin hat uns außerdem erzählt, dass sie einen der Klappstühle mit in die Schule nahm, um sich dort draufzusetzen“, erinnert sich der Stadtarchivar.
Faustschlag und Bürgermeister
Dass mitten in der landwirtschaftlich geprägten Huerta von Alicante, zwischen Tomatenplantagen, Oliven- und Mandelbäumen plötzlich ein Industriebetrieb von nationaler Bedeutung entstand, ist dem Unternehmergeist von Francisco Mira Soler (1893-1960) zu verdanken. „ Er richtete 1923 seine eigene Schreinerei und Möbelwerkstatt
ein, nachdem er sich seit 1918 als Lehrling in dem Sektor geschult hatte“, berichtet Gaspar Belmonte. Sein Ehrgeiz war, dass die zusammengeklappten Möbel „ so aufgeräumt wie möglich waren“.
Francisco Mira, von seinen Freunden auch „ El ñeco“(der Faustschlag) genannt, war nicht nur erfolgreicher Unternehmer, er engagierte sich auch im sozialen und politischen Leben Sant Joans. Er war Leiter des Musikvereins La Harmonía, bekleidete zeitweise das Amt des Friedensrichters und war 1930 und 1931, bis zur Ausrufung der Zweiten Republik, Bürgermeister des Ortes.
Sein Neffe Antonio García Mira erinnert sich noch daran, wie er täglich in die Fabrik seines Onkels ging, um einem älteren Bruder das Essen zu bringen. „ Am Eingang war das Büro und dahinter die Sägemaschine“, gibt Belmonte die Erinnerung des Neffen wieder. Der Sägewerker schnitt die Latten zurecht, die teils nicht gerade in der Werkstatt ankamen und korrigiert werden mussten. Von dort kamen sie in die Hobelmaschine, in der einer der Arbeiter durch Unachtsamkeit einmal die Hand verlor, wie Antonio García Mira berichtete.
Dann wurden die Latten nochmal anhand von Mustern für das jeweilige Modell zurechtgeschnitten und mit Löchern für den Zusammenbau versehen. Dieser begann mit der Rückenlehne, dann kam der Sitz, mit Schrauben oder Nieten, plus die Verleimung. Als letzten Schritt brachten vier Frauen eine Schicht aus Leinöl und Firnis auf. 1944 fusionierte Sillas Mira mit den Fabriken von Agustín Pastor und Manuel Sala und bestand zunächst als „ Mira, Sala y Comp.“, dann als weitere Betriebe fort. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts war das Kapitel der klappbaren Möbel in Sant Joan zu Ende. Klapp.