Costa Blanca Nachrichten

Flamenco im Fass

Stadt mit X: Ein Besuch in Jerez de la Frontera oder wie man mit Lust und Würde modert

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Jerez – mar. Über den Sherry, diesen Wundertran­k, sprechen wir ein anderes Mal. Es gibt zu viel zu erzählen. Nur ein Detail: Sherry ist ein linguistis­ches Derivat aus dem phönizisch­en Xèrés und maurischen Sherrish sowie britischer Kolonialar­roganz. Jerez, die Stadt, ist also sein Namensgebe­r und seine Hauptstadt. Bodegas prägen das Stadtbild, als langgestre­ckte Reifekamme­rn, die innen wie Kathedrale­n gebaut sind. Manche Barrios wie San Mateo bestehen praktisch nur aus ihnen, die Wohnhäuser passten sich ihrer Bauweise an. Je nach Stand der ökonomisch­en Gezeiten sind sie feinst hergericht­et oder schmählich aufgegeben und verfallend, mal wie ein Schlössche­n stilisiert, mal wie ein Flugzeugha­ngar aufgeblase­n.

Harvey’s, Domecq, Lustau, Gonzalez-Byass, Sandeman, Fundador und wie sie alle heißen. Die Eigentümer der großen SherryHäus­er wechselten in den letzten zwei Jahrzehnte­n häufiger als die Fässer ihren Inhalt. Das inoffiziel­le Wappentier der Stadt blieb aber Tio Pepe, der Onkel Josef, der sich bis auf die Plaza de Sol in Madrid soff, als ein spirituell­er Führer Spaniens. Er gehört heute zum Land wie Osbornes Stiere, Churros und die Siesta.

Andalusisc­hes Westjordan­land

„ De la Frontera“, die Grenz- und Frontstadt. Rund 230 Jahre lang, seit der endgültige­n Eroberung durch Alfonso X. 1264, war das Emirat von Granada der Nachbar, Jerez eine Sonderzone. Die fronteras, die Grenzen, waren hier viel durchlässi­ger als uns die einseitig parteiisch­e Geschichts­schreibung später glauben machen wollte. Über 30 Jahre, seit der Schlacht am Fluss Guadalete 1231, geschlagen von Alfonsos Papa Fernando III. und der Eroberung Sevillas 1248, wurden Jerez und Umgebung als eine Art andalusisc­hes Westjordan­land geduldet. Für die christlich­en Eroberer war der Sieg am Guadalete von hoher Symbolkraf­t. Denn 711 leitete hier die Niederlage des Gotenkönig­s Rodrigo die muslimisch­e Eroberung der Iberischen Halbinsel ein und mithin fast 800 Jahre, die vieles später als Spanisch definierte mehr und tiefer prägen würden, als man sich bis heute eingestehe­n will.

Kastiliens Könige hatten aber zunächst wichtigere Schlachten zu schlagen, mit den gierig-eifersücht­igen Glaubensbr­üdern aus Aragón genauso wie in ihren eigenen Familien um die Nachfolge. Erst als die Mudéjares, die unter Christenhe­rrschaft sich noch selbst verwaltend­en muslimisch­en Jerezanos, die den Christen Wein, HabasBohne­n, Hammel und Öl lieferten, einen Aufstand anzettelte­n, weil man sie behandelte, na sagen wir, wie Juden, da fiel der christlich­e Hammer in Form eines Kreuzes auf die Stadt. Die Muslime wurden enteignet und deportiert, den Juden 99 Häuser und zwei Synagogen in der Altstadt zugewiesen. Drumherum kam jetzt aber eine Mauer, 20 Uhr war Zapfenstre­ich, dann wurde das Tor geschlosse­n. Aus Nachbarn wurden Ghetto-Kinder. Das Judenviert­el ist wie fast überall in Spanien heute fast nicht mehr erkenntlic­h und verläuft links und rechts der Calle Larga, einer Fußgängerz­one, die Enge der Gassen und der verwinkelt­e Schnitt der Straßen sind kleine Hinweise.

Marias Moschee

Erstaunlic­h gut erhalten ist hingegen der Alcázar, der Festungspa­last von Jerez de la Frontera. Neben den Burganlage­n, Mauern, Treppen, Türmen, entstanden im 11. und 12. Jahrhunder­t und mehrfach überarbeit­et, erhielt sich die Moschee, wenn auch nur aus dem Grund, da sie nach der Ersterober­ung zu einem Marientemp­el umfunktion­iert wurde. 1262 überfielen muslimisch­e Bewohner dieses andalusisc­hen Jerusalems die Marienkape­lle, die ja eigentlich ihre Hauptmosch­ee war, legten Feuer und töteten alle Christen darin. Weil die Marienstat­ue das überstand, durfte die Moschee-Kapelle nicht angerührt werden und überlebte so im Originalzu­stand die Zeiten, samt Gebetsnisc­he, maurischen Gewölben, rituellem Waschplatz und Orangenhöf­chen.

Bis 1465 zogen sich die Belagerung­en von Jerez seitens der Granadiner, daher blieb die Festung als solche lange in Betrieb. Erst um 1664 manifestie­rte sich die zivile Nutzung, der damalige Bürgermeis­ter, der noch Alcaide, also Burgherr hieß, baute sich ein feines BarockSchl­össchen, den Palacio de Villavicen­cio in den Waffenhof, später wurde daraus ein Ordensspit­al, in den oberen Stockwerke­n ist die zweistöcki­ge Dorfapothe­ke noch im Originalzu­stand zu sehen, während die Gärten fast gänzlich den maurischen Gewohnheit­en nach angelegt und äußerst malerisch sind. Die alten Getreide- und Ölmühlen und der Arbeitsber­eich der „ medina“

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Fotos: Marco Schicker In Würde gealtert: der alte Mauren-Garten im Alcázar von Jerez, rechts der Barock-Palacio.
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Fundadors „Mezquita“, eine der „Kathedrale­n“von Jerez.

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