Dauercamper müssen raus
Camping boomt und wird zum Glamping: In Cartagena bedeutet dies die Vertreibung der Bewohner von El Portús
Die Branche spricht von einem kometenhaften Aufstieg. Campingplätze erleben seit der Corona-Pandemie einen scheinbar nicht enden wollenden Boom. Der spanische Verband der Campingplätze (FEEC) jubelt wieder über einen „ außergewöhnlichen Sommer 2023“. Die Campingplätze waren von Juli bis Mitte September zu 90 Prozent belegt, so wie auch im Sommer 2022. Der Boom pusht den Sektor in einen Strukturwandel weg vom billig-bescheidenen Camping hin zum teuer-luxuriösen Glamping (Glamourous Camping) – wieder einmal wird ein Paradies zu einem Supermarkt gemacht.
Diesen Wandel erfahren gerade die Dauercamper auf dem viel gelobten FKK-Campingplatz El Portús an der Küste von Cartagena am eigenen Leib. Im Laufe vieler Jahre ist in der idyllischen Bucht neben Stellplätzen für Wohnwagen und Bungalows ein kleines Dorf entstanden. 127 Wohnmobilheime und Fertighäuser stehen auf Terrassen am Hang, die von rund 200 Dauercampern bewohnt werden. Auch Ulrich und Elisabeth Pütz aus Deutschland werden aus ihrem Paradies vertrieben, sehen sich als Opfer der „ Verglampisierung“
Die internationale Such- und Buchungsplattform für mehr als 5.000 Campingplätze in 109 Ländern pitchup.com bezeichnet Camping als das am stärksten wachsende Tourismussegment des Jahres 2023. Der Boom weckt das Interesse von Investoren und die richten ihr Augenmerk auf traditionelle Campingplätze in edler Lage. Mit einher werden Begehrlichkeiten nach mehr Design, Komfort und Luxus geweckt. Camper können in Torre Pacheco in Murcia in durchsichtigen Bubbles mit Blick in den Sternenhimmel übernachten. In Andalusien am Fuß der Sierra Nevada sind es Indianerzelte, in Mijas Hütten mit eigenem Pool und in Vejer de la Frontera Baumhäuser. Etwas mehr halt als Zelt, Wohnwagen oder Camper.
In El Portús und noch auf einigen anderen Campingplätzen, etwa in den Dünen von Oliva oder an der Küste von Villajoyosa, pflegt man das einfache Camperleben mit Gleichgesinnten. „ Manche Camper leben in El Portús schon seit 30 Jahren“, sagt Ulrich Pütz, der mit seiner Frau im Juli 2011 nach El Portús zog und sich im Rathaus von Cartagena anmeldete, wie viele seiner Nachbarn auch.
Doch nun droht Unheil im Paradies. Am 9. November bekamen die Dauercamper, viele von ihnen
Briten, Franzosen, Belgier, Deutsche, Österreicher oder Schweizer, Post mit einer schlechten Nachricht. Der neue Besitzer, der den Platz im September übernommen hatte, kündigte allen Bewohnern der „ casitas“, wie die Mobilheime genannt werden. Für einige zumeist ältere Bewohner, die das ganze Jahr über in El Portús leben, ist das eine Katastrophe. Sie müssen den Platz schon in wenigen Tagen geräumt haben und wissen nicht, wohin. Ihnen droht der Verlust ihres Hauses und die Obdachlosigkeit.
Der neue Besitzer gibt als Grund für die Kündigung eine Änderung des Gesetzes der Region Murcia im Jahr 2022 an, das das dauerhafte Wohnen auf Campingplätzen beendet. Demnach darf eine Parzelle nur zwölf Monate bewohnt werden und muss dann mit Hab und Gut verlassen werden. Nach einer Frist von einem Monat kann man erneut auf den Campingplatz ziehen, jedoch ohne Anrecht auf denselben Platz. Viele Jahre gab es eine Lücke im Gesetz, die nun geschlossen wurde, hieß es. Zudem wurden „ umfassende Arbeiten zur Reformierung, Sanierung und Modernisierung der Anlage“angekündigt, „ um nachhaltiger zu werden und einen höheren Qualitätsstandard und einen besseren Service anzubieten“. Die Camper befürchten, dass auch El Portús ein Luxus-Platz werden soll. Der Besitzer allerdings verneint das.
Glamping breitet sich weiter aus, sagt Dan Yates, Gründer von pitchup.com, und vergleicht die Anlagen mit Boutique-Hotels für eine mobilere Kundschaft. In Spanien gibt es laut www.campingpro fesional.com 17 Luxus-Campingplätze mit Fünf Sternen, darunter drei in Alicante – La Marina Resort in Elche, Alannia Resort in Guardamar und Alannia Resort Costa Blanca in Crevillent. Alle gleichen eher Feriensiedlungen als Campingplätzen.
Die „ Verglampisierung“hat ihren Preis. Eine Übernachtung für zwei Personen in einem Wigwam kann laut eldiario.com in der Hauptsaison bis zu 300 Euro kosten, auf einem herkömmlichen Platz sind etwa 30 Euro fällig.
Campen ist auf dem Weg, elitär zu werden, kritisieren Aktivisten in Katalonien, wo bereits 35 Prozent der Campingplätze über einen Glamping-Bereich verfügen.
In El Portús haben die Dauercamper die Parzellen, auf denen ihre eigenen Mobilhäuser stehen, jeweils für zwölf Monate gemietet. Länger ist in der Region Murcia nicht erlaubt, also wurde bisher Jahr für Jahr verlängert. „ Als die Leute im September und später die Pacht für das nächste Jahr bezahlen wollten, wurden sie abgewiesen“, erzählt Ulrich Pütz. „ Stattdessen bekamen sie die unfreundliche Kündigung.“Innerhalb kürzester Zeit sollen sie ihr Haus mit allen persönlichen Gegenständen entfernen und den Platz sauber und frei hinterlassen, wie es in dem Kündigungsschreiben steht.
Javier García zum Beispiel kann sein Haus nicht wegtransportieren lassen, weil es zu groß ist. Und selbst wenn, wüsste er nicht, wo er es abstellen sollte, sagt er. „ Viele Betroffene stehen unter Schock“, sagt Ulrich Pütz, dessen Vertrag erst im Juli 2024 ausläuft. „ Ein älterer Brite hat sich aus Verzweiflung vom Felsen gestürzt, eine ältere Frau wurde erst kürzlich ins Krankenhaus gebracht, weil sie sich so sehr aufgeregt hatte.“
Die Camper wollen sich nicht einfach so geschlagen geben. Sie haben sich zu der Gemeinschaft Asociación de Vecinos del Camping El Portús zusammengetan, suchen rechtlichen Beistand und stellen Forderungen. „ Diejenigen, die den Platz verlassen wollen, sollen mehr Zeit und eine Abfindung bekommen, weil die meisten ihre casitas verlieren“, sagt Ulrich Pütz. Die Häuschen hätten einen Wert von 30.000 bis 100.000 Euro, schätzt er. „ Die anderen sollen ein Bleiberecht bekommen, solange sie leben. Laut EU gibt es ein solches Bleiberecht“, sagt Pütz. „ Die Campingplatzleitung selbst hatte für den Kauf der casitas geworben. Man konnte die Häuschen verkaufen oder seinen Kindern überschreiben.“Bis jetzt.
Kein Vertrag wird verlängert, stellt der neue Besitzer klar. Er sei aber bereit, Hilfen zu gewähren, zum Beispiel mehr Zeit für die Räumung der Plätze zu geben. Bei dem neuen Eigentümer handelt es sich um ein Geflecht von Unternehmen, wie die Investmentfirma Newtown Capital, Mundo Campeador, die weitere Campingplätze in Spanien besitzen, und eine Gruppe von sechs spanischen Geschäftsmännern aus der Campingbranche. Eine weitere Frage steht noch im Raum. Bleibt El Portús ein FKK-Campingplatz? Das sei noch nicht geklärt, hieß es. Möglich sei, den Platz in einen FKKund einen Textilbereich zu teilen.
Kündigung für Dauercamper auf dem FKK-Platz in Cartagena