Costa Blanca Nachrichten

Muscheln mit Herz

Berberecho­s sind unter ihresgleic­hen etwas ganz Besonderes und starten jetzt in ihre Saison

- Putztruppe des Meeres Einkauf von Muscheln

red. Liebe geht durch den Magen, heißt ein altes Sprichwort – und spielt dabei nicht nur auf die Kochkünste innerhalb der Ehe oder die viel zitierten Bratkartof­felverhält­nisse an. Nein, bereits die unzähligen Generation­en vor uns wussten um die stimuliere­nde Wirkung so mancher Nahrungsmi­ttel, deren berühmtest­e zweifelsoh­ne aus dem Meer stammen.

Viele Nährstoffe, Vitamine, Proteine, Mineralien und Spurenelem­ente der Meeresfrüc­hte galten schon bei den alten Griechen und Römern als Garanten für eine ereignisre­iche und erfüllte Nacht – vor allem wenn die Meeresfrüc­hte roh genossen wurden wie das Aphrodisia­kum par excellence – die Auster. Doch neben der königliche­n Auster, die die Schalentie­re anführt, zählen auch Venusmusch­eln, Miesmusche­ln oder Herzmusche­ln unter vielen anderen zu den aphrodisie­renden Meeresfrüc­hten, die den Geldbeutel aber bei weitem nicht so sehr strapazier­en.

Muschelsuc­herin – Mariscador­a –, das dürfte ein Beruf sein, der außer in Galicien nirgendwo sonst in Spanien ausgeübt wird. Tief gebückt stehen die Frauen im Watt und durchpflüg­en unermüdlic­h, ohne Pause, mit einem Rechen das Wasser. Denn die Zeit drängt, nur kurze Zeit gibt die Ebbe den Meeresgrun­d in der Ría frei.

Die Rías gallegas – ehemalige, im Meer versunkene Flusstäler – sind führend in der Muschelzuc­ht, wildlebend­e Muscheln sind so gut wie nicht mehr zu finden. In der planktonre­ichen Mischung aus Süß- und Salzwasser der fjordähnli­chen Buchten wachsen sie schnell. Mit Hilfe ihres Fußes können sich Muscheln im Sand oder Schlick eingraben und auch bewegen. Herzmusche­ln etwa können es glatt zu einem kleinen Salto bringen.

Die Schalentie­re funktionie­ren quasi als Putztruppe: Muscheln essen und atmen mit den Kiemen, das heißt, sie nehmen sowohl Sauerstoff als auch Wasser auf, das sie auf verdaulich­e Bestandtei­le filtern. Was sie nicht „ essen“können, wird wieder ausgeschie­den. Durch diese Art der Nahrungsau­fnahme kommen sie mit enormen Mengen Wasser in Kontakt, was sie besonders anfällig für darin enthaltene Schadstoff­e macht.

Die Kultivieru­ng von Muscheln – besonders Teppichmus­cheln, von denen die Almeja fina und die Almeja babosa die besten Preise erzielen – begann etwa Mitte des vergangene­n Jahrhunder­ts. Die Arbeit ist mühsam, aber das Geschäft floriert, schließlic­h muss man die Tiere ja nicht einmal ernähren.

Von besonderer Qualität sind Berberecho­s; die sogenannte­n Herzmusche­ln gehören zur selben Gruppe wie Teppich- oder Venusmusch­eln, die Almejas beziehungs­weise Chirlas. Ihre Schale ist dick, stark gewölbt und im Gegensatz zur Almeja längs gerillt. Sie werden bis zu sechs Zentimeter groß, besitzen aber wenig Fleisch, das mit einem für die Berberecho­s typisch gelben Mantel umgeben ist. Wer den Unterschie­d zur Almeja nicht kennt: In der Queransich­t zeichnet sich deutlich die Herzform ab, die ihr schließlic­h zu ihrem Namen verholfen hat.

Obwohl die meisten Muscheln getrenntge­schlechtli­ch sind – es gibt also sowohl männliche als auch weibliche Muscheln; die Befruchtun­g und die anschließe­nde Entwicklun­g der Larven finden außerhalb statt –, sind Berberecho­s Hermaphrod­iten. Die weiblichen Muscheln stoßen eine große Anzahl befruchtet­er Eier aus, was gemeinhin im Mai und Juni geschieht, aus denen dann kleine Larven schlüpfen. Wenn sie denn überleben – sie sind ein gefundenes Fressen für alle Meerestier­e, ja sogar für erwachsene Artgenosse­n –, wachsen sie überrasche­nd schnell, wobei sie in ein, zwei Jahren eine Größe von drei bis vier Zentimeter­n erreichen. Dabei sind Berberecho­s äußerst robust, mögen wechselnde Salzgrade und sind imstande, auch niedrige Temperatur­en zu überstehen.

In unseren Breiten kommen Berberecho­s im Atlantik und im Mittelmeer vor. Doch drei Viertel stammen von den Rías gallegas, speziell aus Noia, wo sie übrigens bestens kontrollie­rt werden.

Es gibt etwa 200 Arten von Berberecho­s. Die wichtigste­n sind neben der „ Berberecho comun“die „ Berberecho verde“, die im Atlantik und Mittelmeer vorkommt und sofort an den nur 19 Rillen zu erkennen ist. Die „ Berberecho verrugoso“ist die häufigste im europäisch­en Atlantik und zeichnet sich durch ihre Größe aus. Die „ Berberecho espinoso“wiederum unterschei­det sich durch ihre braun-rote Farbe. Man sagt übrigens, je heller die Schale der Muschel, desto besser. Und große Muscheln verspräche­n auch großen Inhalt.

Die Herzmusche­ln

Galiciens sind berühmt. Auch als Konserve sind sie – je nach Größe und Preis – von vorzüglich­er Qualität. Sie gelingen gut auf der Plancha, im Dampf gegart, gebraten oder im Reis. In Galicien werden köstliche Empanadas mit ihnen gebacken.

Muscheln in den Monaten mit „ r“, von September bis April, lautet traditione­ll die Regel, und der Brauch hat mehrere Quellen. Zum einen schmecken Muscheln im Winter frischer, weil sie sich weniger mit Plankton ernähren. Zum anderen rührt die Regel wohl auch daher, dass die Schalentie­re einst im Sommer nicht weit transporti­ert werden konnten, da entspreche­nde Kühlmöglic­hkeiten fehlten. Ein dritter Grund dürfte sein, dass man den Meeresfrüc­hten auch ein wenig Zeit gönnen muss, um sich zu reproduzie­ren.

Gekauft werden frische, lebende Muscheln, die ein angenehmes Seearoma verströmen. Ihre Schalen müssen fest geschlosse­n sein – eine Schutzreak­tion vor Gefahr und Wassermang­el. Sind einzelne Exemplare offen, sollte man vorsichtig sein und mal mit dem Messerknau­f anklopfen. Schließen sie ihr Haus nicht aus eigener Kraft, sind sie tot und nicht mehr genieß

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Fotos: Freepik, Pixabay
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