Costa Blanca Nachrichten

Plötzlich wie im Blumentopf

Deutsche aus La Marina nach Sturz in dramatisch­er Lage – Und von Hospital schwer enttäuscht

- „Ergebnis: Null Antwort“

San Fulgencio – sw. Mit 70 nochmal durchstart­en, die Costa Blanca und Spanien in vollen Zügen genießen. Das wünschte sich, wie viele hiesige Zuwanderer, die Deutsche Silvia Christ. Doch das Jahr 2023 brachte eine tragische Wende. Aus den Wünschen wurde ein Albtraum. Nun sitzt die Rentnerin in ihrem Haus in La Marina da, mit ihrem horrend dicken, schmerzend­en Knie. Laufen kann sie nicht, kaum etwas tun. „ Ich habe den Sommer verpasst, alles verpasst“, klagt Christ, die selbst ihren 70. Geburtstag im Krankenhau­s erlebte.

Ein wunderschö­nes Fest sei im Juli für die Jubilarin geplant gewesen. Übrig blieb davon nur eine eingerahmt­e Bastelei mit der Zahl 70 neben ihrem Sessel. „ Mein Aktionsber­eich endet am Tischlein“, sagt Christ. Ansonsten sei sie bei allem Möglichen von Hilfe abhängig. Und diese „ Unwürdigke­it, die nicht vorhandene Selbständi­gkeit“träfe sie gerade innerlich voll ins Mark. Hinzu kommt die Wut über die Erfahrunge­n mit der hiesigen öffentlich­en Gesundheit­sversorgun­g.

Ein Sturz Ende Juni löste das Drama aus. Er traf ausgerechn­et das Knie, in dem Christ seit 2010 eine Prothese trug. Es schwoll dick und rot an. „ Mit extremen Schmerzen“wurde die Deutsche in die Uniklinik Torrevieja eingeliefe­rt – zur Operation, sagte man. „ Drei dicke Kanülen Eiter wurden abgezogen“. Doch das war’s. Christ aß nichts, aber die OP kam nicht. „ Morgen“, vertröstet­e man die sich mittlerwei­le wundgelege­ne Patientin. Tag um Tag.

Als zumindest die Prothese entfernt war, durfte die Deutsche heim, sodass die Wunde heilte. Doch besser wurde es nicht, sondern schlimmer. Bei einer holprigen Fahrt im Krankenwag­en zur Blutunters­uchung knallte Christs krankes Bein auf den Boden. Wieder schwoll es bedrohlich an. Der Röntgen zeigte jedoch keine Schäden an. Es kam zu keinem Eingriff

Zunächst meldete das Hospital sich noch für telefonisc­he Termine, ab Oktober – trotz Vereinbaru­ng – gar nicht mehr. Als schließlic­h doch ein Besuch möglich war,

„ sagte mir im Krankenhau­s ein Arzt, dass der Chirurg den Arm gebrochen habe. Ich wurde ohne weitere Infos wieder nach Hause geschickt.“Eine Krankensch­wester schaute noch hin und wieder vorbei, aber ärztlicher­seits tat sich lange Zeit nichts, trotz

„ zig Anrufen im Centro de Salud“.

Das Bein sei nunmehr so angeschlag­en, dass Christ sich ernsthaft Sorgen mache, es zu verlieren. „ Es ist zum Bersten geschwolle­n, meine Muskulatur hat extrem abgebaut, und psychisch bin ich am Ende“, so die Erkrankte, die auch verzweifel­te Mails an die Patientens­telle der Landesregi­erung, Saip, schickte.

„ Ergebnis: Null Antwort.“

Für eine Klage wegen unterlasse­ner Hilfeleist­ung – und im Fall eines Beinverlus­ts auch für eine Schmerzens­klage – habe die Deutsche einen Anwalt kontaktier­t. Ihr Leid lindert das aber nicht: Seit nun fünf Monaten lebt sie im Relax-Sessel neben dem Toilettens­tuhl, für den sie sich schmerzhaf­t verrenken muss. „ Ich brauche rundum Pflege, kann mich nicht mal selbst reinigen“, sagt Christ, die in einigen Momenten in die fast völlige Verzweiflu­ng abgedrifte­t sei.

Sie könne nicht mehr. Für sie selbst, aber auch für ihre Partnersch­aft sei das Drama, in das sie unvorberei­tet geriet, eine kaum überwindba­re Probe. Umso schlimmer für einen aktiven Menschen wie sie, die Journalist­in und Buchautori­n, die in Norwegen, Thailand und auf Mallorca lebte. Jetzt wäre der Moment gewesen, mehr von Spanien zu sehen, das sie bisher nicht so gut kenne. Ausgerechn­et jetzt das, was ihr am wenigsten liegt: Nichtstun.

Geschenk von der Nachbarin

Vor einigen Tagen dann doch ein Lichtblick: Eine Ärztin lässt sich zum Besuch erbitten. „ Sichtlich geschockt“, bestellt sie für Christ im Dezember einen neuen Klinikterm­in. Zur Ansicht des Beins, vorerst. Und die OP, für wann? Das bleibt ungewiss. Warten, immer warten. Ein bisschen Trost gibt es aber noch. „ Ich habe hier eine kleine Blume stehen. Eine holländisc­he Nachbarin schenkte sie mir. Ich schaue die Blume an, wie sie nichts tut, nichts sagt, einfach weiter wächst.“Vielleicht, sagt die Deutsche, müsse auch sie nicht so viel tun, wie sie immer dachte. Vielleicht könne Christ, auf andere Weise als gedacht, „ doch nochmal mutig sein.“

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Fotos: privat „Mein Aktionsber­eich endet am Tischlein“, sagt Silvia Christ.
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Extrem dickes Knie.

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