Salinen der „Unbefleckten“
Was hinter dem Nationalfest am 8. Dezember steckt: Spurensuche in Torrevieja
Torrevieja – sw. Was feiert Spanien am 8. Dezember? Eine Antwort, so „ makellos“und „ rein“wie es das Fest der Inmaculada- oder Purísima-Jungfrau nahelegt, ist nicht so einfach. Etwas Klarheit bringt der Zoom auf die lokale Ebene, allem voran nach Torrevieja. Dieses feierte schon lange bevor im 19. Jahrhundert der spanische Nationalfeiertag eingerichtet wurde eine Fiesta für seine „ unbefleckte“Patronin.
1615 stand im heutigen La Mata bereits eine Kapelle der Purísima. Nur 30 Jahre zuvor hatte diese Virgen, laut Überlieferung, Spaniens Heer zu einem sagenhaften Sieg geführt. Das militärische Wunder am 8. Dezember 1585 in Empel (Niederlande) sollte 300 Jahre später den nationalen Feiertag der Spanier begründen. Aber brachte es schon viel früher das alte Torrevieja auf die Verehrung der „ Reinsten“?
Möglich. Sicher fiel hier aber auch die einfache Frömmigkeit der Fischerfamilien ins Gewicht. Einen mächtigen Auftrieb erhielt der Kult der Unbefleckten indes im 18. Jahrhundert durch einen Architekten des spanischen Nationalgefühls: König Carlos III. schuf 1785 nicht nur die Nationalflagge, sondern bewegte auch schon 1760 Papst Clemens XIII. dazu, die Inmaculada zu Spaniens Patronin zu erklären.
Nicht so sehr die Förderung einer „ makellosen“Religiösität dürfte den König angetrieben haben, wie eher die auch im Christentum mittlerweile altbekannte Kraft der Religion als Stabilisator politischer
Macht. In Torrevieja gelang der Schachzug – kombiniert mit einem gehörigen wirtschaftlichen Anstoß: Ab 1778 durfte der Salinenort sein Salz nach Übersee exportieren.
Das historische Gewerbe wurde zur Goldgrube. Neben La Mata erwuchs Torrevieja Stadt, in die sich auch der Schwerpunkt des lokalen Inmaculada-Festkultes verschob. Und der überstand nicht nur schwere Schläge wie das Katastrophen-Erdbeben 1829, sondern erhielt, nun aus dem Kirchenstaat in Rom, den nächsten mächtigen Schub: Papst Pius IX. erklärte 1854 die Unbefleckte Empfängnis zum Dogma.
Auch darauf gestützt, entstand 1880 Torreviejas heutige Kirche der Inmaculada. Längst war ihre Fiesta ein Highlight, doch trieb der Kult auch Blüten nicht so „ reinster“Art. Siehe Patronatsfest 1883, als ein illegales Stiertreiben zum Tod einer Seniorin führte. Ein tragischer Unfall? Oder eine Warnung, dass aus Religion zusehends ein Hort von Tierquälerei, Machismo, der politischen Rechten wurde?
Ein Ausbruch des Hasses bewirkte, was bisher keiner Katastrophe gelungen war: 1936 zerstörten Republikaner Torreviejas verehrte Jungfrauenfigur. Eine getreue Kopie trägt die Salinenstadt nunmehr am 8. Dezember auf Schultern. Eine kleine Ausgabe erhielt vor einigen Tagen auch Carmen Solano, Festrednerin des diesjährigen Inmaculada-Festes, die für ihre Worte reichlich Anerkennung erntete.
Die Krankenpflegerin bekundete, bemerkenswert offen, die Virgen als Trösterin und Helferin anzuerkennen. Vor Jahren hätte sie die Patronin gar um ein Wunder gebeten – als es mit der Schwangerschaft nicht klappte. Und zur Welt gekommen sei ihr erstes Kind neun Monate nach der Inmaculada-Feier. Wie passend: Bei dem Fest geht es doch – im unbeflecktesten Sinne – darum, dass ein nicht jungfräuliches Elternpaar ein „ makelloses“Mädchen empfing.