Costa Blanca Nachrichten

Wenn die Hamas sich bedankt

Spaniens Regierung brüskiert Juden in Europa – Aufleben fatalen historisch­en Vorwurfs?

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Madrid – sw. „ Beschämend“sei die Sicht auf den Gaza-Krieg, die Spaniens Regierung verbreite. Dies funkte Israel, als es am 30. November seine Botschafte­rin aus Madrid zurückrief. „ Wahllos“würde das israelisch­e Militär Zivilisten töten, hatte Pedro Sánchez behauptet. „ Angesichts der Bilder, die wir sehen, und der wachsenden Zahl an Menschen, vor allem der Kinder, die sterben, habe ich ernsthaft Zweifel, dass sie das humanitäre Völkerrech­t einhalten.“15.000 Tote, 36.000 Verletzte soll Israels Operation auf dem Gewissen haben. Die Zahlen stammen aber direkt von Hamas.

Der Organisati­on also, die am 7. Oktober ein Massaker an Israelis anrichtete, wie es es seit der Staatsgrün­dung 1948 nicht gegeben hatte. 1.200 Menschen wurden geradezu blutrünsti­g gemartert, 240 Geiseln nach Gaza verschlepp­t. Ein perfider Angriff, der bewusst eine Botschaft an die Juden – deren Vernichtun­g ein erklärtes Ziel der Hamas-Charta ist – aussandte: Ihr seid nicht sicher.

Umso irritieren­der ist es für jüdische Bürger auch in Europa, nun zunehmende­r Feindselig­keit ausgesetzt zu sein. Antisemiti­sche Fälle häufen sich, auch in Spanien. Graffiti an Schulen, die dem Holocaust zustimmen. Oder sogar Uni-Vorträge, die Israel mit den Nazis vergleiche­n. Hier, so das Empfinden der Juden, schaut die westliche Gesellscha­ft tatenlos zu. Stattdesse­n konzentrie­rt sich die Empörung, auch jene von Pedro Sánchez, nur auf die Bilder aus Gaza. Und die bieten wirklich Furchtbare­s: Zerstörte Siedlungen. Getötete. Schwer Getroffene. Verzweifel­te Menschen.

Man kann die Frage nicht vermeiden: Ist nicht doch Israel selbst für den erstarkten Gegenwind verantwort­lich? Das sei es nicht, betont María Royo vom Verband jüdischer Gemeinden in Spanien. „ Israel ist in einer äußerst komplizier­ten Situation.“Einerseits müsse es umgehend die von Hamas ausgehende Gefahr beseitigen. Anderersei­ts nutze der Gegner jedoch die eigene Bevölkerun­g als Waffe.

Krieg der Bilder und Narrative

„ Es ist, als ob Ihr Nachbar, jedes Mal, wenn er Sie am Haus sieht, auf Sie mit der Pistole schießt“, erklärt Royo. „ Dabei jedoch sitzt der Nachbar mit seinem eigenen Kind auf dem Schoß“. Es sei falsch, zu behaupten, dass Israels Streitkräf­te wahllos auf jenes Kind losfeuerte­n. Das Gegenteil sei der Fall. „ Der Sprecher des israelisch­en Militärs Roni Kaplan hat mir selbst erklärt, dass viele Manöver aus humanitäre­n Gründen abgebroche­n werden.“

Israel befolge die Kriegsnorm­en des internatio­nalen Völkerrech­ts.

„ Und das besagt, dass wenn sich an einer Stelle feindliche Kämpfer und Waffen befinden, diese angegriffe­n werden kann“, so Royo. Jedoch platziere die Hamas eben an diesen Stellen gezielt Zivilisten. Oder andersrum: Wenn Mitglieder oder Unterstütz­er der Terrorgrup­pe fallen, würden sie als Zivilisten gezählt. Bilder und Narrative manipulier­e der Feind als Art der Kriegsführ­ung, ohne Rücksicht auf das eigene Volk. „ Wer gegen den Krieg in Gaza ist, muss gegen die Hamas sein“, ist sich Royo sicher.

Umso erschrecke­nder erscheint es für die Juden, wenn dieselbe Hamas sich nun bei Spaniens Präsident bedankt, für die vermeintli­ch „ klaren Worte“. Der aber wähnt sich offenbar in einer Vermittler­rolle, wie sie Spanien mit seiner Friedensko­nferenz 1991 einnahm. In Madrid gelang es damals, unter Führung der USA und der Sowjetunio­n, Israel mit Palästina und den arabischen Nachbarsta­aten an einen Tisch zu bringen. Weiter weg als je zuvor erscheint dieser Moment der Hoffnung. Zwar setzen sich alle großen Parteien in Spanien für eine Zweistaate­nlösung ein.

Doch ist die Hamas, die das Existenzre­cht Israels nicht anerkennt und zur Tötung aller Juden aufruft, kein Verhandlun­gspartner. Wer, aus jüdischer Sicht, dem Narrativ der Terroriste­n unvorsicht­ig naherückt, macht nichts anderes, als was der Antisemiti­smus schon im Holocaust tat, und auch schon in vielen humanitäre­n Tiefschläg­en Jahrhunder­te zuvor: Den alten Vorwurf wiederzube­leben, die Juden seien an der Feindselig­keit gegen sie eigentlich selbst schuld.

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Foto: FCJE Die jüdische Gemeinscha­ft in Madrid stand nach dem 7. Oktober unter Schock.
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Foto: dpa Zerstörung in Gaza. Tötet Israel „wahllos“?
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Foto: Observator­io Antisemiti­smo Graffiti an Schule in Barcelona: „Hitler hatte recht“.

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