Eine ganz normale Familie
Spanische Lindenstraße mit Niveau: Serienende von „Cuéntame cómo pasó“nach 23 Staffeln
Madrid – ann. Jeder in Spanien kennt die Familie Alcántara aus dem Vorstadtviertel San Genaro. In 22 Jahren und 23 Staffeln bahnte sich die spanische Durchschnittsfamilie in der Serie „ Cuéntame cómo pasó“ihren Weg in die Wohnzimmer und Herzen der Spanier. Es ist sozusagen die spanische „ Lindenstraße“, wenn auch mit deutlich mehr Niveau bei Handlung und Schauspielern.
„ Cuéntame“, wie die Serie gerne abgekürzt wird, ist eine Familiensaga, die die weitreichenden gesellschaftlichen Veränderungen in Spanien seit Ende der 1960er Jahre anhand der persönlichen Schicksale der Alcántaras erzählt. Es ist die am meisten prämierte fiktive Serie in Spanien. Ableger der erfolgreichen Saga gibt es in Argentinien, Portugal, Italien und Griechenland. Am 29. November flimmerte mit Kapitel 413 die endgültig letzte Folge über die Bildschirme in Spanien. Zwei
Millionen Zuschauer sagten den Alcántaras „ Adiós“.
Die Fiktion endet 2001, also just in dem Jahr, in dem die Serie vor 22 Jahren startete. Als im September 2001 das erste Kapitel von „ Cuéntame cómo pasó“auf TVE1 des öffentlichen spanischen Fernsehens ausgestrahlt wurde, war sofort klar, das hier ein vollkommen neuartiges Format geschaffen worden war. Die Geschichte der Serie beginnt im April 1968. Ab diesem Zeitpunkt durchlebt das TV-Publikum die Höhen und Tiefen der typischen Mittelklasse-Familie. Sie besteht aus dem leicht grantigen, aber liebenswerten Vater Antonio Alcántara (gespielt von Imanol
Arias), seiner Frau Mercedes „ Merche“Fernández (Ana Duato), Oma Herminia (María Galiana), Tochter Inés (Pilar Punzano beziehungsweise Irene Visedo), dem älteren Sohn Toni (Pablo Rivero), dem jüngeren Sohn „ Carlitos“und dem Nesthäkchen María.
Die TV-Zuschauer erleben in der Serie aber eben auch die großen Veränderungen auf der Welt und in einem Land mit, das sich aus dem Korsett der Franco-Diktatur befreit und sich über die Transición den Weg in die Demokratie erkämpft. Gemischt werden die gedrehten Szenen mit realen Bildern historischer Ereignisse. Innovativ war auch die Idee der Drehbuchschreiber Miguel Ángel Bernardeau, Patrick Buckley und Eduardo Ladrón de Guevara, mit einer Stimme aus dem Off die Geschehnisse von einem bereits erwachsenen Carlitos (gesprochen von Carlos Hipólito) kommentieren zu lassen.
So fiebern die Alcántaras im Serienjahr 1969 bei der Mondlandung von Apollo 11 mit, 1975 erfährt die Familie wie ganz Spanien vom Tod des Diktators aus dem Fernsehen, 1977 stehen sie Schlange für die ersten demokratischen Wahlen. Thematisiert werden in der Serie ETA-Terror, Drogensucht, die Unterdrückung der spanischen Frau und ihre langsame Emanzipation, Wirtschaftskrisen, Arbeitslosigkeit und vieles mehr.
Und wie schon die Serie selbst zeigt, ist die Realität manchmal merkwürdiger als jede Erfindung. An dem Tag, an dem die letzte Folge von „ Cuéntame“ausgestrahlt wurde, starb Eduardo Ladrón de Guevara, der das Drehbuch zu 233 der 413 Folgen geschrieben hatte, im Alter von 80 Jahren.
Familiensaga erzählt große gesellschaftliche Veränderungen in Spanien