Bordsteine mit Vergangenheit
Warum viele den jetzt entfernten Bürgersteigen in der Calle San José hinterhertrauern
Benissa – at. Schon vor Beginn der Arbeiten zur Umwandlung der Altstadtstraßen San José und Padre Zacarias in verkehrsberuhigten Gassen war das Projekt umstritten (CBN berichtete). Vergangene Woche sorgte eine ganz konkrete Maßnahme für Empörung: die Entfernung der Bordsteinkanten in der Calle San José, die notwendig ist, um die künftige Fußgängerstraße ebenerdig zu gestalten.
Dass das für viele ein „ Angriff auf unser Kulturgut“ist – so der Tenor der Kommentare auf einen in der Online-Zeitung „ La Marina Plaza“veröffentlichten Artikel über die zerstörten Bürgersteige –, liegt daran, dass die Bordsteinkanten keine gewöhnlichen, sondern Bauelemente mit Geschichte sind. Seit 88 Jahren begrenzen sie die Straße, gebaut wurden sie von Arbeitern des Steinbruchs La Mola zwischen Benissa und Calp.
Die Geschichte dieses Steinbruchs haben erst kürzlich die beiden Autoren Robert Llopis und José Luis Luri in dem Buch „ Canteros de piedras negras. Adoquines y sindicalistas en la cantera de La
Mola“(Steinbrüche schwarzer Steine. Kopfsteinpflaster und Gewerkschafter im Steinbruch La Mola) unter die Lupe genommen und herausgefunden, dass La Mola schon in der Diktatur unter Primo de Rivera und in der Zweiten Republik offenbar als einflussreiches, anarchisch-gewerkschaftliches Zentrum agierte, dessen Mitglieder in der Franco-Zeit teils heftigsten Repressalien unterworfen wurden.
1917 ging der Steinbruch in Betrieb, in dem mit Unterbrechung durch den Bürgerkrieg bis 1947 geschuftet und diskutiert wurde. Oft von jungen ehemaligen Landwirten, deren miserable Landarbeiter-Monatslöhne von rund vier Pesetas in der Mine auf 25 Pesetas anstiegen. Mit dem Einzug moderner Asphaltierungstechniken verlor La Mola langsam an Bedeutung und verschwand nach und nach auch aus dem kollektiven Gedächtnis – bis Llopis und Luri die Erinnerungen wieder herauskramten.
Es war 1935, so erzählen die Autoren, als Benissas Rathaus beschloss, Arbeiter von La Mola mit dem Bau der Bordsteinkanten in der Calle San José zu beauftragen, die jetzt wieder aus dem Stadtbild entfernt wurden. Allerdings so versichert das Rathaus, werde dabei extrem vorsichtig vorgegangen, da man die Bordsteine in gutem Zustand erhalten wolle. „ Von Vorsicht merkt man nichts, sie haben sie alle zerstört“, klagt eine Anwohnerin.
Die neue Calle San José, mit der die Altstadt „ freundlicher“werden soll, wird es offenbar nicht leicht haben unter den Benissanern, die nicht nur ihren Bordsteinen, sondern auch „ einer der schönsten Straßen Benissas“hinterhertrauern.