Farbtupfer der Freiheit
Juan de Pareja: Mehr als eine biographische Fußnote – Spaniens berühmtester Maler Diego Velázquez hatte einen Sklaven
Madrid – mar. Als Juanito um 1610 in Andalusien geboren wurde, war die Sklaverei seine beste Option. Als hätte er eine Wahl gehabt. Nur als Sklave durfte der Junge aus einer Familie muslimischer (Zwangs)-Konvertiten, der dazu noch auffällig „ afrikanische Züge“aufwies, in Spanien bleiben. Es war die gleiche Erde, die seinen Vorfahren viele Jahrhunderte Heimat war. Doch die neuen Herren sahen das anders. Muslimische und jüdische Spanier mussten Ende des 15. Jahrhunderts gehen, es folgten zwei Jahrhunderte Inquisition und Enteignungen, Demütigungen und, vor allem um Málaga herum, Aufstände der Morisken.
Bis auch die Konvertiten Anfang des 17. Jahrhunderts deportiert wurden, wenn es ihnen nicht rechtzeitig gelungen war, ihre Herkunft mit Heirat, Umzügen, Namenswechseln, Urkundenfälschungen oder Bestechung erfolgreich zu verschleiern, sich zu „ Christen reinen Blutes“zu schwindeln, wie es das Rassengesetz, das Alhambra-Edikt der Katholischen Könige und ihrer Kardinäle verlangte. Just in Juans Geburtsjahr unterzeichnete König Felipe III. den Deportationsbefehl. Sklaven waren davon ausgenommen, sie waren Besitz, keine Personen.
Zu Velázquez nach Madrid
Juan „ ein Mischling mit einer eigenartigen Hautfarbe“, wie der Maler und Kunstkritiker Antonio Palomino ein Jahrhundert später schreiben würde, hatte nicht einmal einen Nachnamen. Es war der Juan der Parejas, Sohn einer Dienstmagd einer Familie in Antequera, Stadt der 40 Kirchen zu Füßen einer maurischen Burg, 50 Kilometer nördlich von Málaga. Vom Vater weiß man nichts. Hier waren sie besonders eifrig, ihre maurischen Nachbarn zu verjagen. Schon 1410, als Fernando von Kastilien die Stadt eroberte, um sich in die Krone von Aragón heiraten zu können, wurden sie gründlichst vertrieben, da gab es weder ein königliches Edikt, noch die Inquisition, die ihnen das befahl. Sie taten es aus Eifer. Die Überlebenden flohen nach Granada.
Palomino ist der einzige, dem wir biographische Notizen über Velázquez‘ Sklaven verdanken. Doch leider stimmen wichtige Punkte in den Aufzeichnungen nicht, wie die Forschung später herausfand. Palomino verschob die Wahrheit nur zu gern ins Anekdotische. Schon den Geburtsort Sevilla gibt er falsch an. Von dort soll Juan zusammen mit seinem Bruder Jusepe um Erlaubnis angesucht haben, in Madrid Malerei zu studieren, behauptet Palomino. Ein für einen Sklaven undenkbares Gesuch. Doch schon 1621, als Pareja also gerade elf Jahre alt war, ging
Velázquez als 22-Jähriger nach Madrid, wurde im Gefolge des blutjungen Felipe IV., der den Thron als 16-Jähriger übernahm, schnell ein angesagter Portraitist bei Hofe. Parejas Ankunft als kleiner Junge im Schlepptau des Malers, dem eine große Karriere bevorstand, ist denkbar, aber seine Anwesenheit in Madrid erst viel später, ab 1642 belegbar, durch notarielle Vermerke und Vorladungen.
Was wir dann erfahren, stammt wieder aus der Feder Palominos, also 100 Jahre nach den Ereignissen. Pareja mischte, so Palomino, bei Velázquez Farben an, spannte Leinwände auf, hielt das Atelier sauber, führte Besucher herum. Dabei konnte er dem Meister jahrelang über die Schulter schauen und vielleicht auch ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Dass er, wie wieder Palominos Legenden berichten, heimlich eine eigene Kollektion Bilder anfertigte, um sie dem König bei einem seiner regelmäßigen Visiten unterzujubeln, ist schon aufgrund des Preises und der Seltenheit der Farbpigmente und Leinwände unwahrscheinlich, ein Diebstahl wäre bald entdeckt worden. Wahrscheinlich ist, dass Velázquez seinem Diener das Malen erlaubte, es ihm möglicherweise beibrachte, vielleicht waren sie Freunde geworden. Alles Spekulation. 1649 reisten Meister und Sklave für zweieinhalb Jahre nach Rom. Das ist belegt. Hier entstand auch das Portraitgemälde, das Velázquez von Pareja anfertigte, in der gleichen Pose, in der er Könige malte. Heute ist es eines der Prachtstücke des Metropolitan Museum of Art in New York, wo neulich eine Sonderausstellung den Mann ins Zentrum stellte, der in der Biographie des spanischen Großmeisters des Barock sonst nur eine Fußnote war und ist. Velázquez wurde am 19. März 1650 in die Academia dei Virtuosi aufgenommen, das ParejaPortrait sei zum Festakt ausgestellt gewesen, schreibt Palomino. Über viele Umwege gelangte das Bild 1970 über das Auktionshaus Christie’s für 5,4 Millionen US-Dollar ins New Yorker Museum.
Im November 1650 unterschreibt Velázquez die Entlassung Parejas aus der Sklaverei. Er sei ein freier Mann, wenn er ihm noch fünf weitere Jahre diene, so der Deal. Es wird gemutmaßt, dass die vom Humanismus der italienischen Renaissance infizierte römische Künstlergilde Velázquez dazu gedrängt haben könnte. Der Spanier wurde in Italien, obwohl unweit der Stufen des ranzigen Vatikans, mit ganz neuen Ideen konfrontiert, die man in Spanien zu dieser Zeit nicht einmal laut denken durfte. Velázquez „ schenkte“ihm die Freiheit, schreibt Palomino, so als sei die Freiheit eine Gnade, die ein Mensch dem anderen erweisen könne, als werde nicht jeder Mensch frei geboren. Dieses Menschenbild hielt sich noch bis ins 19. Jahrhundert, in manchen Gegenden der Welt ist es noch immer Alltag, in anderen ist die Sklaverei hübsch mit Wohlstandsklimbim kaschiert.
Palomino ergänzt, Pareja sei so gerührt von seiner Freilassung ge