Liebe Leser,

In diesen so besinnlichen Tagen, in denen

Freude, Frieden und Liebe Einzug halten, geht es manchen schlecht. So sucht ein von

Trübsal geplagter Señor, Humaño Veintitrés, vorm Jahreswechsel, seine Psychologin, Dolores España, auf. Die sagt:

– Hier kommt ihr nicht mehr rein! Ein Mörder seid ihr, mit 50 Frauen auf dem Gewissen. Vor keinem Gebot macht ihr halt, in eurer männlichen Gewalt.

– Etwas von ihr schlummert in mir, ich gestehe, seit jeher. Oft hab ich euch gewarnt, um eure Hilfe angerufen. Und doch habt ihr mich verlassen.

– Gewalt ist euch verboten! Da gibt es doch nichts zu bereden.

– Mit euren Verboten und dem Zorn, der in mir schwelt, habt ihr einen Flächenbrand entfacht. Ihr hättet es besser wissen müssen!

– Rechtfertigt ihr, was niemand rechtfertigen kann? Ich rufe die Polizei!

– Ja, ruft sie nur! Seht ihr nicht, was ihr unterdrückt und untersagt, kehrt umso schlimmer wieder. Schaut euch das erwählte Volk nur an. Vor den Gräueltaten von einst kriecht ihr zu Kreuze. Und mit euerem höchsten Gebot bombt es jetzt tausende Kinder tot. Ach, Dolores, was haben wir beide noch Großes vollbracht, als wir vereint...

– Der Mensch braucht Gebote, damit er den rechten Weg wählen kann.

– Gar nichts wählt der Mensch mehr, nicht rechts, nicht links. Ihr habt ihm Willen, Freiheit und die Seele genommen. Und dankbar ist er, seid gewiss. Ach Dolores, den Cervantes hatten wir einst, den Nietzsche und auch den Freud. Ihr aber habt selbst die Pauker und Pfaffen vertrieben und der Mensch ist als Sau geblieben.

– Die Polizei kommt. Sie sperrt euch weg ins Irrenhaus!

– Ich komme doch alle Jahre wieder.

– Diesmal nicht – hoffentlich.

– Seid gewiss, denn Ihr seht doch nur mich, euch selbst aber nicht.

Die Praxis ist zu. Auf dem Türschild steht: Psychologin Dolores España. Bis auf Weiteres geschlossen. Ein Mensch steigt die Treppen hoch.