Costa Blanca Nachrichten

Schlagzeil­en statt Siesta

Wie die Spanien-Korrespond­enten der ARD ihre Beiträge für die „tagesschau“oder den „weltspiege­l“erstellen

- Kathrin Lucia Meyer Madrid

Seit knapp 50 Jahren berichten sie aus Spanien für den öffentlich­rechtliche­n Rundfunk in TV, Radio, Online sowie in Social Media: Die Korrespond­enten des ARDStudios in Madrid feiern 2024 Jubiläum. In der Berichters­tattung decken sie neben der Iberischen Halbinsel auch das britisches Überseegeb­iet Gibraltar und Andorra sowie die nordafrika­nischen Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien ab. Auch die Sender 3sat, PHOENIX, ARTE und Deutsche Welle sowie die Dritten Programme nutzen das Korrespond­entennetz der ARD.

Doch woher kommen eigentlich die Informatio­nen für die Beiträge, die zum Beispiel in der „ tagesschau“, in den „ tagestheme­n“, beim „ Weltspiege­l“, im Morgenoder Mittagsmag­azin, laufen? Und Dokumentat­ionen, die meist nicht nur die touristisc­he Sonnenseit­e und Lieblings-Urlaubsdes­tinationen der Deutschen beleuchten.

Das erklärt ARD-Korrespond­ent Sebastian Kisters im Rahmen der Aktion „ Mitmischen“, bei der er Zuschauer via Videokonfe­renz durch die Redaktion führt und an einem Produktion­stag teilhaben lässt. „ Ich arbeite gerne hier“, sagt der gebürtige Nordrhein-Westfale, während er die Teilnehmen­den durch das schmucke historisch­e Fachwerkha­us unter Denkmalsch­utz in der Calle de Serrano, einer beliebten Einkaufsst­raße im nördlichen Zentrum Madrids, führt. Und dabei auch die Kollegen vor Ort kurz vorstellt.

Da ist Luis, Producer und Sprachgeni­e im Team – neben Deutsch und Spanisch spricht und übersetzt er auch Portugiesi­sch, Holländisc­h und Französisc­h. Und Maximilian, der gerade Details zu „ El Gordo“, der spanischen Weihnachts­ziehung, für einen tagesschau.de-Artikel recherchie­rt, während Kollegin Silke weitere Infos für einen Beitrag über einen Schweinefl­eisch-Skandal in Nordspanie­n in Erfahrung bringt.

Zusammen mit den Korrespond­entinnen Kristina Böker, Franka Welz und seinem Team hat Kisters, der seit Sommer 2022 als Korrespond­ent für die ARD aus Spanien und den Maghreb-Staaten berichtet, sich zum Auftrag gemacht, „ fremde Lebenswirk­lichkeiten, auch ohne Krisenanlä­sse und fernab kulturelle­r Klischees“abzubilden.

Die Korrespond­enten, die jeweils von den Landesrund­funkanstal­ten der ARD in die Auslandsbü­ros entsandt werden, sind in der Regel fünf Jahre vor Ort. So genannte Stringer, Redaktions­assistenze­n, die oft übers Berichtsge­biet verteilt sitzen, unterstütz­en das zehnköpfig­e Team in Madrid bei den Recherchen und liefern immer wieder auch Geschichte­n aus ihrem lokalen Netzwerk.

Sebastian Kisters erzählt schmunzeln­d, dass ihm als Auslandsko­rresponden­t in einer Urlaubsdes­tination gerne unterstell­t werde, dass man Beiträge vom Strand aus erledige. Mancher Anrufer denke, er mache einen noch nie gehörten Witz, wenn er fragt: „ Können wir jetzt anrufen oder macht ihr gerade Siesta?“, so Kisters. „ Die wohl nicht ganz neidfreie Vorstellun­g der Kollegen in Deutschlan­d, wir würden dort arbeiten, wo andere Urlaub machen, hören wir natürlich oft.“Dabei läge Madrid zum einen gar nicht am Meer, zum anderen stünden die drei Korrespond­enten durchaus unter Druck: immer auf Abruf, um gegebenenf­alls bei Ereignisse­n, die die Menschen in Deutschlan­d interessie­ren, möglichst schnell und live vor Ort berichten zu können.

Wie etwa zuletzt bei nächtliche­n Recherchen auf einer Schweinezu­chtfarm, denen eine Tierrechts­organisati­on Tierquäler­ei vorwarf. Nachdem sie von einem Mitarbeite­r anonym Material aus einem Schweinest­all, der auch einen deutschen Hersteller mit Fleisch beliefert, zugespielt bekommen haben, wollten Sie sich selbst ein Bild davon machen. Und zogen mit Kameramann in einer Nacht- und Nebel-Aktion los. Generell sei man vorsichtig bei Material, das von Privatleut­en und Interessen­sorganisat­ionen eingesandt würde, es würde nie ungeprüft gesendet. „ Wir haben aber mit eigenen Augen gesehen, dass auch rund um den Stall Skelette und Knochen von verendeten Tieren lagen“, verrät Sebastian Kisters.

Die aktuellen Ereignisse in den jeweiligen gesellscha­ftlichen Zusammenha­ng einzuordne­n und Hintergrün­de zu erklären, auch das sei Aufgabe der Korrespond­enten. Neben der Landeskenn­tnis wird die kompetente Berichters­tattung vor allem durch entspreche­nde Sprachkenn­tnisse der Mitarbeite­nden sichergest­ellt. So würden die Korrespond­enten neben Englisch und Spanisch auch Französisc­h sprechen. Korrespond­entin Franka Welz zudem Portugiesi­sch.

Das „ Grundrausc­hen“, also Haupttheme­n der Berichters­tattung aus Spanien für deutsche Medien: Migration, Tourismus und Politik sowie Klimawande­l. „ Zunehmende Dürre und Extremwett­erereignis­se sind in Spanien deutlich spürbarer als andernorts“, sagt Kisters. Auf der Iberischen Halbinsel laufen mehr als 800 Meerwasser­entsalzung­sanlagen, ohne sie könnten Menschen in weiten Teilen des Landes nicht mehr leben. Und Metropolen wie Barcelona geht bereits das Wasser aus.

In politische­r Hinsicht stecke das Land in der Dauerkrise. Die Regierung habe Reformen eingeleite­t, unter denen die Spanier stöhnten. Das grundlegen­de Problem, die Korruption, würde zwar vielfach beklagt, aber nicht wirkungsvo­ll bekämpft. Ein Grund dafür, warum die Politikver­drossenhei­t ein hohes Ausmaß angenommen habe, ist einem Beitrag über das Studio Madrid zu entnehmen.

Möglichst nah am Menschen

Die Geschichte­n für den Weltspiege­l wählt man dabei nicht nur nach Relevanz aus, sondern versucht, nah am Menschen zu sein. Die Kontakte der Stringer vor Ort seien deshalb so wichtig. „ Ich mache auch mal Beiträge, bei denen man gegen den Strich berichtet, das finde ich besonders interessan­t“, sagt Kisters. Und versuche dabei gezielt, konstrukti­v zu arbeiten und kleine Heldengesc­hichten einzubauen, wenn ein Thema zu negativ ist. „ Wir wollen die Welt so positiv wie sie eben auch ist, darstellen, denn das geht im Weltgesche­hen oft unter.“

Wie arbeiten eigentlich ARD-Korrespond­enten in Spanien, aber auch in Singapur oder Kiew, Nairobi oder Warschau, in Peking oder Tel Aviv? Gemeinsam mit den Auslands- und Weltspiege­lRedaktion­en lud die ARD Anfang Dezember im Rahmen der Aktion „Mitmischen! beim Weltspiege­l“erstmalig dazu ein, die Arbeit von 15 Auslandsst­udios per Video-Konferenz besser kennenzule­rnen. 500 Zuschauern lernten Arbeitsabl­äufe in den Studios kennen. Mehr unter dialog.ard.de.

Migration, Tourismus, Politik und Klimawande­l als Haupttheme­n

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Foto: ARD Sebastian Kisters und Cutterin Alba bei der täglichen Arbeit im ARD-Studio in Madrid.

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