Anders, aber schön
Autorin Gabriele Hefele erinnert sich an ihr erstes Weihnachten in Spanien
Weihnachten in Spanien ähnelt mehr einer Mischung aus Karneval und Rummel mit den kitschigen Straßenbeleuchtungen und blinkenden bunten Weihnachtsbäumen. Verzeihung, wenn ich an den stolzen Spaniern Kritik übe: Was eine „ Stille Nacht“sein kann, das werden sie nie nachvollziehen können, das (laut Statistik) erwiesenermaßen lauteste Volk Europas! Aber sie haben mit ihrem natürlichen Taktgefühl eine Ahnung davon, was Weihnachten für uns Deutsche bedeutet.
14 Tage vor unserem ersten Weihnachten hier in Südspanien fragte mich unsere einheimische Mehr-als-Putzfrau Maribel, ob wir denn Weihnachten nach Deutschland zur Familie führen. „ Nein,“meine Antwort, „ wir können die Finca ja der Tiere wegen nicht verlassen und eigentlich zieht uns auch nichts zurück in die alte Heimat.“Ob denn meine Mutter oder mein Bruder hierher kämen. Wieder musste ich verneinen.
Nach diesen Fragen und nachdem sie sich meinen mangels Tannenmasse aus Pinienzweigen selbst gebastelten Adventskranz mit den vier Kerzen erklären ließ und auch noch gebührend bewunderte, vergingen erst einmal einige Tage. Eine Woche vor Weihnachten kam Maribel plötzlich mit einem großen schmalen Karton bei uns an, ging damit ins Kaminzimmer und zog ein grünes Plastikungetüm, leicht zerknittert, heraus. Freudestrahlend entwirrte sie die zerzausten Zweige des – man ahnt es schon – 1,60 Meter großen Plastik-Christbaumes.
Sie hatte sogar noch an Baumschmuck in Form von roten Plastikketten gedacht. Dann strahlte sie mich an und sagte: „ Also du bist doch Deutsche. Du kannst doch hier nicht Weihnachten verbringen ohne einen Weihnachtsbaum, wie ihr Deutsche ihn habt!“Obwohl ein Plastik-Christbaum nicht gerade der Traum meiner schlaflosen Nächte war, war ich gerührt, ehrlich. So sehr, dass mir fast die Tränen kamen.
Ich packte die echten Bienenwachskerzen aus, die ich seinerzeit im Umzugsanhänger mitgeschleppt hatte und vervollständigte den Baum. Ich glaube, das war mein erster und einziger Tannenbaum aus Plastik, aber mit echten Bienenwachskerzen!
Unser erstes Weihnachten in Spanien
14 Tage vor unserem ersten Weihnachten hier an der Küste fragte mich unser Gärtner Miguel, ob wir denn Weihnachten nach Deutschland reisten. „ Nein,“war meine Antwort. Und unsere Familie komme auch nicht nach Spanien.
Nach diesen Recherchen verging erst einmal einige Zeit. Dann rückte Miguel mit einer Einladung in sein Heimatdorf weit hinten in der Sierra heraus: Also wir, mein Mann und ich könnten doch nicht die Nochebuena (Heiligabend) allein hier verbringen! Wir sollten mit ihrer Familie feiern!
Wir sagten begeistert zu. Unsere schon längere Jahre hier weilenden deutschen Freunde bedeuteten uns neiderfüllt, dass wir uns sehr geschmeichelt fühlen könnten, schon nach einem halben Jahr der Bekanntschaft mit unserem Gärtner in dessen Familie eingeladen zu werden. Die Spanier seien da nämlich erst einmal etwas spröde.
Und es wurde wunderschön! Anders, aber wunderschön. Nachdem wir uns die steile Kurvenstrecke von eineinhalb Stunden hochgequält hatten, gab es erst einmal großes Essen um den Tisch mit mindestens 30 Personen. Denn wie wir alle wissen: „ Familie“heißt hier alle Kinder und Enkel und Cousins mit deren Novios und dergleichen.
Wir hatten Panettone und echten bayerischen Obstler mit 50 Prozent Alkoholgehalt beigesteuert, hörten uns zur vorgerückten Stunde schlüpfrige Witze des schwer verständlichen Großvaters im Dialekt an – wobei ich dieses Mal nicht wagte, mir die Pointen in langsamer Sprechgeschwindigkeit von Miguel erklären zu lassen – und fühlten uns wirklich rundum wohl in dieser fröhlichen Atmosphäre.
Dann war es Mitternacht und wer wollte, konnte wie die Alten in die Kirche gehen, das junge Volk aber zog uns mit nach draußen auf die Calle (Straße), wo irgendein Nachbar die Gitarre hervorzog und alles drumherum saß, mitsang und ein Paar das Tanzen anfing. Das kann man eben bei zwölf-Grad (über-Null)-Nächten! Miguel stellte uns stolz den Nachbarn in der Calle und später beim Weitertrinken in der einzigen Dorfkneipe den amigos vor.
Wir sollten ja unbedingt übernachten – auch das wurde uns angeboten. Aber wegen der Tiere zuhause auf der Finca machten wir uns auf den Rückweg, der eine Überraschung bereit hielt.
Er bescherte uns so gegen fünf Uhr in der Frühe auch noch ein romantisches Schneetreiben mit echten weißen Flocken, die vor der Autoscheibe umherflogen: Ich legte meine Hand auf den Arm des steuernden Gatten und wir beide empfanden es als Zugabe extra für uns zwei ausgewanderte Bayern in Spanien.