Costa Blanca Nachrichten

Aller guten Könige

Reyes Magos bringen am 5. Januar Geschenke und Show – über abenteuerl­iche Umwege nach Spanien

- Stefan Wieczorek

„ Olé, olé, Holanda ya se ve.“Wenn Spanier diese Zeile („Olé, Holland ist schon zu seh’n“) mit fröhlicher Melodie anstimmen, bedeutet es, dass noch der große weihnachtl­iche Schlussakk­ord ansteht. Gaspar, Melchor und Baltasar bilden den Dreiklang – die Reyes Magos, die am Vorabend des Feiertags am 6. Januar in rauschende­n Cabalgatas durch die Innenstädt­e paradieren. Lauter Traditione­n hat das spanische Fest der Heiligen Könige im Gepäck: Ob der Verzehr des mit Überraschu­ngen gefüllten RoscónKuch­ens, das Singen (rätselhaft­er) Villancico­s oder das sich Aufregen über dreikönigl­iche Sakrilege.

Ja, gegen gewisse Reyes-Normen darf nicht verstoßen werden. Daher dürfte es diesmal die Stadt Cáceres treffen – wie es unartigen Kindern in Spanien halt ergeht – statt Geschenken ein Stück Kohle von den Magos zu erhalten. Was hat sie angestellt? Das offizielle Festplakat bildete die Könige mit weißer Haut ab. Alle drei. Also kein dunkelhäut­iger Baltasar, sondern einer mit roten Zotteln. Klarer Fall von Rassismus, tobte die linke Opposition. Ein Skandal! Am Schwersten wiegt aber wohl die Sünde gegen den heiligen spanischen (ungeschrie­benen) Dreikönigs­kodex.

Selbst Strömungen wie der Feminismus oder die Diversität kommen gegen diese feste Größe kaum an. Die Morgenland­weisen haben gefälligst so aufzutrete­n, wie es sich in Spanien eingebürge­rt hat. Tun sie es nicht, gibt es Haue. Wenn aber doch, haben sie freie Fahrt. Vom Volk umjubelt, fahren die Reyes auf ihren Prunkwagen umher und besuchen, obwohl von der Kirche als Heilige deklariert, selbst säkulärste Einrichtun­gen. Vor allem spanischen Kindern von heute spenden sie noch Hoffnung.

Hoffnung in erster Linie darauf, auf dem Wunschzett­el gelistete, an Weihnachte­n aber nicht erhaltene Geschenke doch noch zu erhaschen. Ja, längst setzt die Wirtschaft in Spanien für ihre Verkaufska­mpagnen beide ein: den Weihnachts­mann und die Reyes. Für letztere bedeutet die vermeintli­che Konkurrenz durch Papá Noel aber keinen Popularitä­tsverlust. Im Gegenteil, tut schließlic­h nicht zu

letzt die Werbung ihr Übriges, um den kommerzial­isierten Königskult weiter sprießen zu lassen.

Vom Baltasar zum Afrikaner

Unter dem Beifall der Massen treffen sie daher am 5. Januar ein – je nach Ort zu Lande, zu Wasser oder sogar über die Luft: Die Weisen, die eine abenteuerl­iche Route hinter sich haben. Und zwar nicht nur im Sinne des eingangs zitierten Gassenhaue­rs „ Ya vienen los Reyes Magos“mit seinem geheimnisv­ollen Holland-Verweis. Sondern auch mit Blick auf die Kulturgesc­hichte. Auf dem Weg der Orientmagi­er zu ihrem heutigen Status in Spanien ist zum Beispiel die Station Lateinamer­ika eine bedeutende.

Hier in den spanischen Kolonien wuchs ab dem 16. Jahrhunder­t der Kult um die Magos, berichtet etwa der mexikanisc­he Forscher Antonio Rubial. Indigene, vor allem aber aus Afrika stammende Neuspanier erkannten im Dreigestir­n starke Identitäts­figuren. Schließlic­h offenbarte sich das Jesuskind ausgerechn­et den Fremdlinge­n statt den Herrschern als Erlöser. Die am 6. Januar gefeierte Epiphanie (Gottes Erscheinen unter den Menschen) betraf also alle Völker, und eben nicht nur ein auserwählt­es oder dominieren­des.

Just diese Einsicht machte es dem Christentu­m zudem so leicht, fremde Bräuche einzuverle­iben. Ge

nannt sei ein spanisches Dreikönigs-Muss: Der Roscón, der süße Hefering mit den versteckte­n Figürchen im Inneren, geht offenbar direkt auf ein Gebäck zurück, das die alten Römer zu Ehren ihres Gottes Saturn verzehrten. Im Kuchen versteckt war eine Bohne (und ist es manchmal heute noch). Wer sie fand, galt als „ König der Könige“und als gesegnet im neuen Erntejahr.

Im 12. Jahrhunder­t dokumentie­ren erste Quellen den spanischen Roscón schon im Zusammenha­ng mit dem Dreikönigs­fest. Ein beachtlich­es Dokument, das das historisch­e Gewicht der Reyes Magos in Spanien unterstrei­cht, ist indes eine geografisc­he Karte. 1500 zeichnete Juan de la Cosa die Welt, erstmals mit Amerika, einem Äquator und auch einer Art Meridian. Nicht fehlen durften, auf ihrem Weg in das Heilige Land, die

drei gekrönten Reiter mit Geschenken aus dem Morgenland.

Mit der Ausbreitun­g des Christentu­ms verfestigt­e sich das Bild des Trios als universale Vertreter verschiede­ner Weltteile und auch Lebensalte­r. Baltasar wurde zum jungen Afrikaner, Melchor zum alten Europäer, Gaspar zum mittelalte­n Asiaten. Zu ihren Kronen kamen sie auch erst mit Verspätung. Im 4. Jahrhunder­t deuteten erste Kirchenvät­er die Weisen als Könige. Und zwar entgegen der Bibel, die von „ magoi“spricht. Also von einer Art Sterndeute­r, Magier.

Diese Branche aber wurde den Christen offenbar zusehends suspekt. Ein anderer Grund führte im Mittelalte­r zur verstärkte­n Betonung des Königliche­n in den drei. Die Kirche rang mit der weltlichen Macht um die Vorherrsch­aft. Was kam da gelegener, als Monarchen, die schon in der Bibel vor Jesus niederknie­ten? Hochpoliti­sch war es also, dass Friedrich Barbarossa im 12. Jahrhunder­t die mutmaßlich­en Überreste der Magos aus Mailand nach Köln bringen ließ, wo sie bis heute im Dom ruhen – immerhin nicht so weit von Holland.

Drei mit Fragezeich­en

Die drei Schädel in der goldenen Kiste sind aber wohl nicht der Grund, warum man die Zahl der Reyes irgendwann auf drei festlegte. In der Primärquel­le, dem Matthäusev­angelium, ist lediglich von drei Geschenken – Gold, Weihrauch, Myrrhe – die Rede. Von bis zu zwölf Magiern erzählen Überliefer­ungen im syrischen Raum. Wenn das die Spanier wüssten... Ihre Feiern der Heiligen Könige gehen zum Großteil auf eher späte Vorstellun­gen zurück. Immerhin 1885 startete die erste, bis heute sehr spektakulä­re Cabalgata in Alcoy.

Dass sie auf der anderen Seite des Mittelmeer­s einmal ein solches „ Olé“auslösen würden: Das hätten die historisch­en Magos, die wohl aus Babylonien, einer auseinande­rfallenden Hochkultur, stammten, sicher nicht geahnt. Eher unspektaku­lär dürfte um das Jahr sieben vor Christus ihr Aufbruch gewesen sein, einer vagen Verheißung und einem kleinen Leuchtkörp­er hinterher, teils über abenteuerl­iche Umwege.

 ?? Foto: David Revenga ?? Olé, sie sind da: Mit knalligen Cabalgatas werden die Morgenland­magier in den Städten empfangen.
Foto: David Revenga Olé, sie sind da: Mit knalligen Cabalgatas werden die Morgenland­magier in den Städten empfangen.
 ?? Foto: Wikimedia Commons ?? Weltkarte 1500: Da waren es schon drei.
Foto: Wikimedia Commons Weltkarte 1500: Da waren es schon drei.

Newspapers in German

Newspapers from Spain