Ein wenig Hoffnung für Langostina
Bauwahn in Orihuela Costa: Finca zwischen akuter Existenzangst und kleinem Aufatmen
Orihuela Costa – sl. Im Jahr 1996 erwarb das österreichische Paar, April und Gabriele Wesenauer, das beeindruckende Grundstück von 3.500 Quadratmetern, auf dem die nahezu 200 Jahre alte Finca Langostina steht. Seinerzeit trennten lediglich Felder und Weidewege die Familie vom nur wenige Kilometer entfernten Meer – heute steht die unmittelbare Umgebung aber wie eine Wüste aus Staub und Geröll da. Bedrohlich nahe kamen noch kürzlich die Baumaschinen dem alten Haus, dem laut Familie sogar der Einsturz drohte. Doch zum Jahreswechsel sorgte ein Einschreiten des Bürgermeisters für einen kleinen Hoffnungsschimmer auf der Finca Langostina.
In den 2000er Jahren erfasste der Bauboom der Immobilienbranche die Küste von Orihuela mit aller Gewalt. Der Erschließungsplan PAU-25 ließ in kurzer Zeit im Bezirk Häuser aus dem Boden schieße. Die Idylle wich abgeholzten Wäldern und Bauschutt, doch auch das alte Familiengrundstück sollte von ursprünglich 3.500 Quadratmeter Fläche auf 1.786 reduziert werden, um Platz für Hotels und Touristenchalets zu schaffen. Eine Tragödie – und dies, obwohl Archäologen bestätigten, dass es sich um schützenswertes Kulturgut handele, das Bau- der Agrartraditionen der Vega Baja vereinte.
Vor der Finca erstreckt sich heute keine Weidelandschaft mehr. Stattdessen steht nur wenige Meter vor dem Hauseingang eine graue Steinmauer, die von Bauunternehmen von heute auf Morgen auf das Grundstück der Wesenauers gezogen wurde – und laut dieser, ohne Lizenz. Früher konnten sie vom Haus aus auf Felder und das Meer schauen, heute gucken sie auf eine Wand. Einige Oldtimer-Autos der Familie stehen wie bestellt und nicht abgeholt auf ihren Plätzen, denn Familie Wesenauer benutzt seit einiger Zeit einen Mietwagen:
Der Zugang zur Straße ist durch die Steinwand abgeschnitten und die eigenen Autos förmlich eingemauert worden. Alte Aufnahmen des Grundstücks zeigen, dass der Ort, wo nun Schutt und Geröll liegen und ein Bagger von der anderen Seite über die hohe Mauer ragt, einst von urigen Feldwegen durchzogen war. Videos zeugen von einem Landleben mit gackernden Hühnern, grasenden Schafen und prächtigen Fasanen in den Eukalyptusbäumen, die es heute nicht mehr gibt. „ Diese Bäume waren über 100 Jahre alt“, berichtet Kimberly Wesenauer, eine der drei Töchter von Gabriele Wesenauer, empört.
„ Hier stand eine Unesco-geschützte Mauer, die vorsätzlich zerstört wurde. Unsere Autos wurden beschädigt, und eine Drohne schwebt ab und an über unser Grundstück“, klagt Gabriele Wesenauer. „ Wie sollen wir uns hier sicher fühlen?“Die Grundlage für die radikale Landnahme auf ihrem Grund beruhte damals auf alten Plänen, aus denen angeblich nicht eindeutig hervorging, welcher Teil des Anwesens welchem Bebauungsplan zugeordnet war.
Seit nunmehr 28 Jahren kämpft die Familie unermüdlich um ihr liebevoll gepflegtes Zuhause, in dem sich die fünfköpfige Familie den Traum eines einfachen Lebens an der Costa Blanca erhofft hatte. Jeden Schritt der externen Landbeanspruchung auf ihrem Wohnort dokumentieren sie seither sorgfältig in zahlreichen Akten: Dazu gehören ihre eigenen, rechtens erworbenen Lizenzen wie auch die Unesco-Erklärung der Trockenmauern (piedra seca) als Kulturerbe.
Im Jahr 2020 hielten die Wesenauers bereits ein Gerichtsurteil des Berufungsgerichts Orihuela zugunsten ihrer Sache in den Händen, allerdings keinen Vollzugsbescheid, um die Arbeiten zu stoppen. Dann, am 22. Dezember 2023 führte die Familie ein Gespräch mit der Baufirma der Nachbarn und erklärte, dass es aufgrund der Fragilität ihres Grundstücks unzumutbar wäre, darauf zu bauen. Sie betonte, dass das Haus durch die Bauarbeiten Gefahr laufen würde einzustürzen. Trotz wiederholter Bitten begannen die Arbeiten.
„Wie sollen wir uns hier sicher fühlen?“, klagt Gabriele Wesenauer
Am 29. Dezember erfolgte doch eine Erleichterung: Eine Mitteilung des Bürgermeisters von Orihuela, José Vegara (PP), informierte die Familie darüber, dass er die Bauarbeiten nicht genehmigen und den Bauprozess stoppen würde. Noch am selben Tag wurden die Arbeiten eingestellt. Obwohl der Kampf um ihr Zuhause noch nicht gewonnen ist, drückt die Familie ihre Dankbarkeit gegenüber dem Bürgermeister aus, der sie zumindest vorübergehend aufatmen lässt: „ Danke für die Bemühungen, die spanische Kultur zu wahren und die letzte traditionelle Finca an der Küste zu schützen“, betont Gabriele Wesenauer sichtlich bewegt.