Vor Handys schützen
Spanien diskutiert über Smartphone-Verbot für Jugendliche – Regierung will mit Schulen anfangen
Judith Finsterbusch
bak oder Drogen sind per Gesetz reguliert. Bei Smartphones aber ist jede Art von Inhalten frei verfügbar. Ohne ein Gesetz werden wir dieses Problem nicht in den Griff bekommen“, meint Sánchez-Pérez. Die Lehrerin hat neben der Unterschriftenaktion auch eine Plattform gegründet, der sich über 300 Lehrer und andere Pädagogen, Psychologen, Schuldirektoren und andere Experten angeschlossen haben. „ Es geht darum, aufzuklären und die Minderjährigen zu schützen, die selbst nicht in der Lage sind, zu unterscheiden, welche Inhalte für sie geeignet sind und welche nicht“, stellt die Spanierin klar.
Mittlerweile kann auch die spanische Regierung die Diskussion um ein Handyverbot nicht mehr ignorieren, im Dezember stellte Bildungsministerin Pilar Alegría einen Entwurf vor, um die Nutzung von Handys an Schulen zu regulieren. An Grundschulen, also in der ersten bis sechsten Klasse, wären Smartphones damit komplett verboten, in den weiterführenden Schulen wiederum „ nur dann erlaubt, wenn sie punktuell auf Anordnung des Lehrers als Bildungswerkzeug eingesetzt werden“. Einzelne Landesregierungen haben ein solches
Handyverbot längst eingeführt, Kastilien-La Mancha verbannte Smartphones schon vor zehn Jahren aus allen Schulen, Galicien folgte 2015, Madrid 2020.
Andalusien zog im Dezember 2023 nach und überlässt es seitdem per Dekret den Schulen, Handys während des Unterrichts und/ oder auf dem Schulgelände insgesamt zu verbieten. Auch Galicien will jetzt Handys auch außerhalb der Klassenzimmer verbieten, also in den Pausen, der Mensa, an den Ein- und Ausgängen der Schulen oder bei Nachmittagsaktivitäten. 75 Prozent der galicischen Schulen handhaben das ohnehin schon so. In den anderen spanischen Regionen gibt es keine Regeln aus dem Landesbildungsministerium, jede Schule kann einen eigenen Umgang mit Handys festlegen.
Für die Initiatoren der Unterschriftenaktion ist ein Handyverbot an Schulen aber längst nicht genug. „ Wir fordern, dass Kinder unter 16 Jahren überhaupt keine Handys nutzen dürfen. Ein solches Gesetz mag auf den ersten Blick schockierend erscheinen, aber das war das Rauchverbot in Innenräumen damals auch. Heute wäre es wiederum seltsam, die Leute in ihren Büros qualmen zu sehen“, argumentiert Sánchez-Pérez und meint, es käme doch auch niemand auf die Idee, einem Kind ein paar Drinks vorzuschlagen.
Francisco Villar, Koordinator der Anlaufstelle für suizidgefährdete Minderjährige im Krankenhaus Sant Joan de Déu in Barcelona befürwortet die Initiative der Lehrer und Eltern, der Psychologe hat auch ein Buch mit dem Titel „ Cómo las pantallas devoran a nuestros hijos“, wie Bildschirme unsere Kinder vernichten, geschrieben. „ Ich würde Handys bis 18 Jahren verbieten. Mit 16 Jahren könnte ich in Verbindung mit strikter Elternkontrolle und maximal einer Stunde freiem Zugang pro Tag leben“, meinte Villar in einem Interview mit dem Portal „ elprogreso“.
Und weiter: „ Die Zahl der Jugendlichen mit Selbstmordgedanken steigt seit einigen Jahren an, und die Frage, wieso ein Minderjähriger entscheidet, sein Leben zu beenden, führt unweigerlich zum Bildschirmkonsum.“Zwar seien Smartphones sicherlich nicht allein für Lern- und soziale Schwierigkeiten, für Depressionen, Essstörungen oder (sexuelle) Gewalt verantwortlich. „ Aber wir können mit Sicherheit sagen, dass die Bildschirme und die Digitalisierung bei all diesen Problemen einen negativen Beitrag leisten, dass sie sie verschlimmern und dazu führen, dass sie häufiger vorkommen“, so Villar.
Neben dem möglichen Handyverbot an Schulen will die Zentralregierung nun noch ein anderes Übel an der Wurzel packen: Den praktisch unkontrollierten Zugang zu Internetseiten für Erwachsene. Bisher reicht es, per Klick auf der Startseite zu versichern, dass man volljährig ist. Bis Sommer will die Datenschutzbehörde AEPD nun eine App ausarbeiten, deren Installation Voraussetzung ist, um Seiten mit Erwachsenen-Inhalten aufrufen zu können.
In dieser App ist dann ein Ausweisdokument hinterlegt, über das die Volljährigkeit nachgewiesen wird. Ob ein solches System die Kids von problematischen Inhalten fernhalten kann, wird sich zeigen. Aktuell fangen spanische Jugendliche im Schnitt mit zwölf Jahren an, Pornos zu schauen. 60 Prozent der Jugendlichen konsumieren Pornografie, zwei Drittel davon harte pornografische Inhalte.
„Wieso entscheidet ein Jugendlicher, sein Leben zu beenden?“