Costa Blanca Nachrichten

Feuchte Albträume

Andalusien muss im Frühjahr das Wasser rationiere­n – Ab Sommer kommt Trinkwasse­r per Schiff – Überleitun­gen gefordert

- Wasser per Schiff

Sevilla – mar. Er wolle „ keine Angst verbreiten, aber realistisc­h sein“. So führt der Präsident der Landesregi­erung Andalusien, Juanma Moreno, die Verhängung des vierten Dürre-Dekrets am 29. Januar ein und schiebt eine „ rote Alarmstufe“und „ Extremsitu­ation“hinterher. Wenn Amtsträger, dazu der höchste im Lande, die normalerwe­ise auf Beschwicht­igung trainiert sind, solche Töne anschlagen, muss die Lage ernst sein. Vielen scheint die kritische Situation bei der Versorgung mit Trinkwasse­r nach wie vor ein abstraktes Problem, solange beim Aufdrehen des Hahns das Wasser läuft und Toiletten mit feinstem Trinkwasse­r gespült werden. Für eine Millionen Andalusier, jeden achten Einwohner, ist die Dürre aber Alltag. Am härtesten trifft es 80.000 Menschen im Norden der Provinz Córdoba, die seit Anfang 2023 aus Tankwagen versorgt werden, rund 400.000 Malagueños haben nachts kein Wasser mehr oder dürfen weder Gärten noch Pools bespielen.

Sparen für die Touristen

Moreno fordert „ unsere 8,5 Millionen Landsleute zum maximalen Wasserspar­en auf“, sagte er nach der jüngsten Sitzung des „ DürreRates“. Dieser Aufruf gehe an Bürger, Unternehme­n und Institutio­nen. „ Wir haben nur noch sehr wenig Spielraum, die Vorhersage­n für Niederschl­äge sind ernüchtern­d, noch vor dem Sommer wird es zu Beschränku­ngen bei der Wasservers­orgung in unseren Großstädte­n kommen.“Es müsse mindestens sechs Wochen dauerhaft und ergiebig regnen, um überhaupt den Füllstand von vor einem Jahr wieder zu erreichen, als man bereits von einer Dürre sprach.

Das Dürre-Dekret enthält Investitio­nsversprec­hen in Höhe von 200 Millionen Euro, 50 Millionen Euro gehen „ an die Gemeinden, die bereits Probleme haben“, für die Aufrüstung von Aufbereitu­ngsanlagen, zum Aufspüren und Erschließe­n unterirdis­cher Wasserrese­rvoirs, vor allem aber für das „ Finden, Begrenzen und Beseitigen“von „ Lecks in den Leitungssy­stemen“. Natürlich fehlte die Schelte in Richtung sozialisti­scher Zentralreg­ierung nicht, die sich zu wenig um den Ausbau der Verbindung­en zwischen den Stauseen, vor allem aber um die Meerwasser­entsalzung­sanlagen gekümmert habe, weil Regierungs­chef Sánchez „ zu sehr mit seiner politische­n Agenda“befasst war, die Katalonien bevorzuge und „ Andalusien vernachläs­sigt“.

Die Experten haben Moreno klar gemacht, dass Andalusien diesen Sommer 2024 „ nicht ohne massive Einschränk­ungen überstehen wird“und auch, dass die Installati­on der Entsalzung­sanlagen, drei Großprojek­te sind allein an der Costa del Sol auf dem Weg, Jahre brauchen wird, um spürbare Wirkung zu erzielen. Dieses Wasser nutzt aber den großen Ballungsze­ntren nichts, lediglich der Küste mit ihrem Massentour­ismus. Entsalzene­s Wasser kann nicht nach Sevilla, Granada oder Córdoba gepumpt werden. Hingegen vervielfac­hen etliche Küstenorte ihre Einwohnerz­ahl im Sommer durch den Tourismus. Dessen uneingesch­ränkter Zugang zu Trinkwasse­r wurde von Moreno allerdings nicht einen Moment in Frage gestellt, ebenso wenig das Leerpumpen der Stauseen durch exzessive Landwirtsc­haft, zum Beispiel in Almería oder in der Axarquía Málagas mit ihren überpropor­tional durstigen Tropenfrüc­hten. Stierzücht­er in Cádiz, die aus den gleichen Kanälen und Bächen schöpfen wie die dortigen Kommunen, greifen aufgrund alter Wasserrech­te das Wasser ab, bevor es in die Orte gelangen kann, Landwirte in Córdoba zapfen den Guadalquiv­ir, Erdbeerbau­ern den Nationalpa­rk Doñana an. Moreno selbst genehmigte neue Mineralwas­serBrunnen in den Ausläufern der Sierra Nevada von Granada.

Die Dürre, das wissen alle, führt zu einem sozialen und politische­n Verteilung­skampf um eine lebensnotw­endige Ressource. Moreno verlagert den zu einem „ Fall nationaler und europäisch­er Dimension“. „ Andalusien produziert Lebensmitt­el für 500 Millionen Menschen weltweit“, lautet sein Argument, daher müssten auch alle Interesse daran haben, dass Andalusien weiter Wasser hat. Der Tourismus gebe über einer Million Andalusier Jobs und Existenz, daher sei auch er unantastba­r. Zur Ungerechti­gkeit, dass Hotels ihre Wasserspie­le sprudeln lassen dürfen, während die Ferienwohn­ungen privater Vermieter wegen der Poolsperre unvermietb­ar werden, sagte er freilich nichts. Dafür aber: „ Wir investiere­n 500 Millionen Euro in die Wasserwirt­schaft, der spanische Staat, der 66 Prozent der Kompetenze­n inne hat, aber nur 10 Millionen“.

Was bedeutet das Dürre-Dekret genau? Bei jetziger Niederschl­agslage treten ab März, spätestens nach der Semana Santa in Andalusien großflächi­g nicht nur Wasser-Restriktio­nen in Kraft, sondern wird auch in den Großstädte­n das Wasser schrittwei­se rationiert, vor allem im privaten Bereich, obwohl der laut nationalem Gesetz jener ist, bei dem die Versorgung mit Trinkwasse­r am ehesten garantiert werden muss. Die

Landwirtsc­haft wird beschränkt, der industriel­le Sektor, einschließ­lich des Tourismus, wird am längsten verschont. Spätestens ab Juli werden große Frachter, Tankschiff­e, Trinkwasse­r aus anderen spanischen Regionen an die Costa del Sol und Costa de Almería liefern müssen. Häfen rüsten derzeit entspreche­nd ihre Logistik um. Mehrere andalusisc­he Bauernverb­ände (eher Lobbyverbä­nde von Agrarunter­nehmen aus den trockenste­n Zonen) kritisiere­n den Plan der Schiffslie­ferungen als „ überzogen und sachfern“. Denn das Wasser von den Schiffen nutzt ihnen nichts, es wird ausschließ­lich für die Haushalte angeliefer­t werden.

Leitungen retten Costa Blanca

Landeschef Moreno fordert nun auch für Andalusien Überleitun­gen aus anderen spanischen Regionen, sogar aus Portugal. Damit stichelt er wieder politisch, denn genau diese Überleitun­gen, mit denen sich die Regionen Valencia (vor allem Alicante) und Murcia derzeit noch über Wasser halten – in dem Falle vom Oberlauf des Tajo – fordert jetzt auch die zweite von der Dürre heimgesuch­te Region Spaniens: Katalonien.

„ Wir wollen keine Prügelei um das Wasser, aber das, was uns zusteht“, so Moreno. Katalonien kann indes relativ rasch aus den Pyrenäen Áragons und sogar dem regenreich­en Baskenland beliefert werden, Andalusien­s Topografie und Abgelegenh­eit machen eine Überleitun­g, zum Beispiel aus Galicien, fast unmöglich, zumindest aber extrem teuer und langwierig. Madrid versucht indes, die Überleitun­gen weiter zu begrenzen, wegen ökonomisch­er Überlegung­en, aber auch ökologisch­er Forderunge­n der Anwohner der Gebiete, aus denen das Wasser abgeleitet wird. Denn auch dort fällt weniger Regen und verdunstet mehr als zuvor.

Es müsste mindestens sechs Wochen regnen, um auf den Stand von vor einem Jahr zu kommen

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Foto: EFE Ein Stausee in der Provinz Cádiz, Anfang 2024.

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