Costa Blanca Nachrichten

Mit Sauerteig aus Zuversicht

Deutscher Bäcker ohne Haus und Job: Tiefpunkt an der Costa Blanca überwinden

- Einzige übrige Heimat

Torrevieja – sw. In Spanien das Leben neu starten. Das haben so manche vor, oft aus Launen heraus, wie Neugier oder Abenteuerl­ust. Hinter Stefan Elsners Auswanderu­ng aber steckt existenzie­lle Not. Eine Reihe unglücklic­her Fügungen ließen den Bäcker in Deutschlan­d in die Mittellosi­gkeit abrutschen. Er machte sich auf den Weg gen Süden – und ist noch nicht angelangt. Denn Arbeit und ein Dach über dem Kopf fehlen ihm. Mit Straßenmus­ik schlägt sich der Deutsche in Torrevieja halbwegs durch. Doch so zermürbend die Erfahrung für ihn ist, so überzeugt ist der 42-Jährige, noch seinen Platz an der Sonne zu finden. Nicht zuletzt dank einiger fundamenta­ler Zutaten im Reisegepäc­k.

Dazu gehöre vor allem das berufliche Geschick. Ob Holzofenba­cken, Sauerteigf­ührung, Kuchen oder Torten: „ Von der Pike“lernte der Bayer vom Bodensee sein Handwerk, für das er als Jungspund die dreijährig­e Lehre mit dem Gesellenbr­ief abschloss. Zum Erlernen der „ Geheimniss­e und Raffinesse­n“aber gehöre das Reisen. Und so zog Elsner mit 28, um den Meisterbri­ef zu erlangen, los. In zehn Jahren durch zehn Länder führte ihn diese Bäckerwalz. „ Sie ist eine 900 Jahre alte Tradition“, betont der Fachmann.

Ein Mensch, der den Wert des Althergebr­achten schätzt, ist Elsner. Das offenbart sein Strahlen, wenn er die Brotherste­llung, authentisc­h von Hand in der Backstube statt auf dem industriel­len Fließband, lobt. Aber auch weitere kleine, außergewöh­nliche Details. Etwa der Lebenslauf, den er bei der Jobsuche vorlegt – ordentlich und sauber, teils kunstvoll, durchweg handgeschr­ieben. „ Anhand der Schrift erkennt man viel von dem Menschen“, begründet der Bäcker.

Und erst recht anhand des Geschmacks eines Brotes, oder? Ein solches von Elsner zu probieren, dazu kommen wir bei der Begegnung nicht, vertrauen aber, dass es ein echtes Original wäre. In einer kleinen Landbäcker­ei war der Auswandere­r zuletzt in Deutschlan­d tätig. Doch im Zuge der Coronakris­e sei das Geschäft in die Brüche gegangen. Der Chef, zugleich Elsners Vermieter, wurde von der Verzweiflu­ng gepackt – die ihm letztlich das Leben genommen habe.

Für den Bäcker ein Schock, und zugleich der Anlass aufzubrech­en.

Denn die deutschen Behörden waren nicht imstande zu helfen. Unterkünft­e waren, so Elsner, eher für Migranten reserviert. Arbeitslos­engeld gab es nur mit gültiger Meldeadres­se, die er nicht hatte. Sich „ im Stich gelassen“fühlend, nahm der familienlo­se Deutsche seine wenigen Habseligke­iten, Rucksack, Zelt, E-Piano, und kehrte in seine einzige übriggebli­ebene Heimat zurück. Das Unterwegss­ein.

Dem Jakobsweg folgend, zog er über Benelux und Frankreich nach Spanien, „ und bin nun in Torrevieja gestrandet“. Zwar unter der Sonne, aber nunmehr ohne Zelt und nur noch mit löchrigen Schuhen, ergaben sich bisher höchstens einzelne, eher enttäusche­nde Anstellung­en. Arg leide Elsners Selbstwert­gefühl, wenn er vom Betteln am Supermarkt verscheuch­t werde, oder sogar Mülltonnen nach Essen durchwühle.

Ein absoluter Tiefpunkt ist das Spanien-Kapitel bisher. Aber in die Verzweiflu­ng stürze er nicht, der fröhlich daherkomme­nde deutsche Bäcker, der bei Bedarf auch Kochen, Hausmeiste­rei, Gärtnerei, Musik und Tierpflege beherrsche. Ein fester Glaube halte ihn. Nicht unbedingt nur an sich selbst. Sondern an einen guten Sauerteig hinter den Dingen, der selbst in hoffnungsl­osen Lagen unverhofft­e Auswege erwachsen lassen könne.

„Anhand der Handschrif­t erkennt man viel von dem Menschen“

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Foto: Stefan Wieczorek In Kluft mit Jakobsmusc­hel: Elsner schlägt sich als Straßenmus­iker durch.

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