Kampf ums Land
Ungeerntet, ungewürdigt, unverstanden – ein Einblick in die unerzählte Geschichte der Bauern
Murcia/Valencia/Málaga – ds. Die Bauernproteste in Deutschland bleiben in anderen europäischen Ländern nicht unbemerkt. Weil auch Landwirte in Rumänien, Frankreich, Bulgarien, Griechenland und Spanien mit ähnlichen Problemen wie einem Strukturwandel, billiger Konkurrenz aus dem Ausland und hohen Auflagen vonseiten der EU zu kämpfen haben. Der Gewerkschaftsbund Unión de Uniones hat für den 21. Februar spanische Bauern aufgerufen, mit Traktoren vor die Tore des Landwirtschaftsministeriums zu ziehen. „ Diese Politik vernichtet das Leben auf dem Lande, führt zu einem ständigen Anstieg der Preise für Obst, Gemüse, Fleisch und Fisch. Sie macht Spanien zu einem abhängigen Land mit zweifelhafter Ernährungssicherheit“, heißt es von der Unión. Auch in Spanien brodelt es gewaltig.
Mitte Januar haben sich in Murcia etwa 150 Bauern zusammengefunden, um ihren Unmut, Ärger und Frust in die Öffentlichkeit zu tragen. „ Für Zitronen, die
Schrammen von Ästen aufgrund von Wind oder was auch immer haben, werden ein bis zwei Cent pro Kilogramm bezahlt“, prangert Landwirt Juanvi Palleter, auch unter dem Spitznamen „ El Palleter“bekannt, an. Wenn ein Preis einen Wert bestimmt, dann ist diese Art von Zitronen minderwertig und lohnt nicht einmal die Ernte.
Palleter hält einen Ausdruck der Verordnung BOE 5/2020 in der Hand, in der es um die Sicherstellung geht, dass Landwirte faire Preise für ihre Erzeugnisse in der Lebensmittelkette erhalten. Beim Kauf eines Produkts unter dem Selbstkostenpreis drohen gar Geldstrafen von 3.000 bis 100.000 Euro, bei Wiederholungsfällen von 100.000 bis zu einer Million Euro. Scheinbar handelt es sich um einen Gesetzestext, der noch nicht in der realen Welt angekommen ist, denn die Herstellungskosten bei Zitronen, so der Landwirt, liegen bei 32 bis 33 Cent das Kilo. „ Die Händler nehmen die Bauern aus“, kritisiert Palleter.
Antonio, Zitrusbauer und Mitglied der Handelskammer für spanische Zitronen (Cámara y gestión de Limones español), hebt ein 1,5-Kilogramm-Netz Zitronen in die Höhe, das er für 2,55 Euro in einem Supermarkt gekauft hat, und wertet diese als zweite, eher dritte Kategorie. Dafür bekommt der Obstbauer zwischen zwei und 20 Cent pro Kilogramm. Zitronen der ersten Kategorie gehen ins Ausland. Der Preis dort, je nach Land, ein Euro pro Stück, so Antonio. „ Die Lage ist kritisch, kritisch, kritisch“, ruft ein anderer Zitrusbauer.
„ Wir müssen auf die Straße gehen!“, gibt Damián Marcos, Landwirt aus der Vega Baja, wütend von sich. „ In den Netzwerken wird behauptet, dass es eine Überproduktion von Zitronen gibt, aber das ist eine Lüge.“Er verweist auf die Spanienkarte. „ Machen Sie mit einem Stift einen Punkt in dem Gebiet, in dem wir uns befinden. In ganz Spanien gibt es nur in diesem Gebiet Zitronen. Und jetzt gibt es eine Überproduktion? Ja, es gibt eine Überproduktion, weil wir Zitronen aus anderen Ländern einführen.“Normalerweise beginnt die Zitronenernte im Oktober, aber noch immer seien etwa 80 Prozent der Zitronen in Spanien noch nicht geerntet, so die Bauern.
Laut Juanvi Palleter hängen immer noch tonnenweise Zitronen an den Bäumen in Murcia und der Vega Baja, die nicht in den Handel kommen. Das gleiche Schicksal widerfährt Mandarinen. Clemenvilla-Mandarinen gehören zwar nicht zur Königsklasse, aber zu den besten und am weitesten verbreiteten Mandarinensorten in der Region Valencia. Sie finden keine Abnehmer – außer den Boden unter sich. Nicht viel anders ist das Panorama in Málaga. Zitrusbauern zogen es kürzlich vor, drei Tonnen Zitronen unter den Bürgern auf der Plaza de la Marina zu verteilen, anstatt sie an „ Spekulanten zu verschenken“, womit sie die Zwischen- und Lebensmitteleinzelhändler meinen.
Ebenfalls Mitte Januar demonstrierte die Associació de Llauradors Independents Valencians (Verband unabhängiger valencianischer Bauern) vor dem Eingang des Hafens von Castellón. Anlass sind Importe von Orangen aus Ägypten, die tonnenweise mit Schiffen nach Castellón transportiert werden, und das mitten in der Orangensaison Valencias. Ägypten ist das Land, das dem spanischen Orangensektor am meisten Konkurrenz macht.
Orangen aus Ägypten
Durch das Toshka-Projekt und der damit verbundenen Bewässerung der Alamein-Wüste mit Nilwasser konnten 600.000 Hektar Wüste in Orangenfelder verwandelt werden, berichtet der Radiosender Onda Cero. Riesige Farmen befinden sich in den Händen großer Betreiber. Im Jahr 2022 übertraf Ägypten Spanien bei den Orangenexporten mit 1,8 Millionen Tonnen. Die Ausfuhren in die EU konnte es von 181.960 Tonnen im Jahr 2014 auf 458.000 Tonnen im Jahr 2023 steigern, wie aus den Daten des Handelsministeriums (Datacomex) hervorgeht. Für 2024 geht man von mehr als 600.000 Tonnen aus. So ist es ein Leichtes, mit den Importen aus Drittländern Bauern in