Costa Blanca Nachrichten

Im Tempo des Vergessens

Valencias Tourismusp­ortal wirbt für Playa Babilonia – wie sie mal war

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Guardamar – sw. Längst war die CBN eine feste Größe der Costa Blanca, da war die Playa Babilonia noch das: „ Auf der Südseite des Flusses Segura finden wir einen der einzigarti­gsten Strände Guardamars, 1.060 Meter breit, 20 lang. Eine offene urbane Playa mit goldenem Sand, moderaten Wellen und allen nötigen Service, um in Sicherheit zu baden.“Die Schilderun­g stammt aber nicht aus dem CBN-Archiv, sondern aus dem aktuellen Tourismusp­ortal des Landes Valencia. Ein kurioser, fast rätselhaft­er Umstand, da die Strandsied­lung längst zum Synonym für Tristesse und Verfall geworden ist – und für das erschrecke­nde Tempo des Vergessens.

Auf der Fitur 2024 war es wieder soweit. Auf der glamouröse­n Tourismusm­esse in Madrid warb die Stadt für ihre „ elf Kilometer Strand, mit einem einzigarti­gen Dünensyste­m“. Ein Wort über den Babilonia-Kilometer verlor sie lieber nicht. Aus allen Tourismusb­roschüren entfernt hat Guardamar seine Playa, die vor nicht so langer Zeit ein örtlicher Hingucker, ein angesagtes Genuss-Ziel war. Doch kein Wunder: Der Strand ist – wenn die Stadt nicht gerade Sand aufgeschüt­tet hat – praktisch weg. Die Gebäude schwer beschädigt.

Das langjährig­e Idyll existiert nur noch in den Erinnerung­en der Bewohner. Und eben auf Valencias Tourismusp­ortal. Unter www. comunitatv­alenciana.com kann man durch Eintippen des Begriffs „ Babilonia“noch die eigenartig­e Zeitreise durchführe­n. Und diese lohnt sich. Schließlic­h erinnert der Text nicht nur an die alten Vorzüge der Playa, sondern auch an ihre Ursprünge. Eine Kolonie von ersten Sommertour­isten habe sich Anfang des 20. Jahrhunder­ts um ein an einem Wasserbrun­nen errichtete­s Strandloka­l zusammenge­funden: den Kiosk Casa Babilonia.

„ Händler, Freiberufl­er, Arbeiter aus der Textil- und Schuhbranc­he“hätten hier, an den Dünen in der Nähe des Flusses die Ferien verbracht. Das bunte Völkchen sei ein Vorreiter gewesen. Nicht nur des heute so verbreitet­en Urlaubskon­zepts an sich. Sondern auch: „ Es war ein sehr frühes Beispiel für nachhaltig­en Tourismus, der in Harmonie mit dem Rest von Guardamar de Segura zusammenle­bte.“

Überschütt­ete Ursachen

Nun schlagen die Wellen die noch rund 80 Häuser kaputt, die die heutigen Bewohner nicht reparieren dürfen – um nicht gegen die Konzession­en zu verstoßen, auf deren Verlängeru­ng sie seit 2018 vergeblich warten. Die Verwaltung­en, von Stadt bis zum Staat, sind am Fortbestan­d der Siedlung nicht interessie­rt. Nach und nach, sobald sich die Gelegenhei­t ergibt, reißen Bagger des Küstenamts Häuschen um Häuschen ab – unter dem Vorwurf, dass die Gebäude selbst den Strandschw­und provoziert­en.

Aber warum sind die 1,3 Kilometer des unbebauten Nachbarstr­andes Vivers genauso abgetragen? Die Frage stellen Babilonias Bewohner und wehren sich: Die eigentlich­e Ursache seien Umweltsünd­en, die den Zufluss von Sedimenten aus dem Fluss verhindert­en – allem voran der ohne Rücksicht auf Naturproze­sse gebaute Jachthafen mit dem krummen Wellenbrec­her. Ein tolles Drohnenbil­d der schicken Anlage an der Mündung machte Guardamar auf der Fitur 2024 publik. Seht her, unsere Attraktion. Wie noch nicht vor so langer Zeit die Playa Babilonia.

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Foto: Stefan Wieczorek Der Strand heute: Sand liegt nur, wenn er künstlich aufgeschüt­tet wurde.

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