Costa Blanca Nachrichten

Innovation durch Offenheit

Experte erklärt anhand von Beispielen aus der Praxis, was Technologi­eoffenheit bedeutet und nutzen kann

- Stand der Technik

Reinhard Hefele Offene Aufgabenst­ellungen

Im Führungskr­äftetraini­ng eines weltweit tätigen Unternehme­ns wurde uns beigebrach­t, den eigenen Mitarbeite­rn offene Aufgabenst­ellungen zu geben, anstatt die Art der Lösung schon vorzugeben. Wenn zum Beispiel ein Schließsys­tem für eine Fahrzeugtü­r entwickelt werden soll, denkt man in der Regel sofort an elektrisch­e Antriebe. Man kann die gleiche Aufgabe aber genauso pneumatisc­h lösen, was zu einem viel weicheren Schließvor­gang führt. Gibt man als Aufgabe vor, einen elektrisch­en Stellantri­eb zu entwickeln, schließt man die pneumatisc­he Lösung von vorneherei­n aus und verliert damit eine der Optionen.

Ein anderes Beispiel: Meine Frau hat mal für einen großen bayerische­n Automobilh­ersteller einen Workshop für das „ frauengere­chte Auto“organisier­t – mit einer unabhängig­en Kontrollgr­uppe von Männern. Die – übrigens alle berufstäti­gen – Frauen forderten, um nur das Wichtigste zu nennen: Es soll umweltfreu­ndlicher sein, praktische­r – handlicher – bequemer zum Einparken,

eine hübschere, individuel­lere Innenausta­ttung haben

und kleine Reparature­n auch von Frauen selbst erlauben.

Und was geschah bei der Männerverg­leichsgrup­pe? Da wurden als Wünsche schon ganz konkret vorgegeben:

Es soll ungefähr 8 bis 12 Zylinder haben,

eine Beschleuni­gung von unter fünf Sekunden auf 100 Stundenkil­ometer und mindestens 180 PS.

Das Ergebnis: Ingenieure und Designer waren begeistert davon, dass die Frauen allgemein Ziele für die Entwickler vorgaben und ihnen die Wege dahin nicht vorschrieb­en, während die Männer nicht über ihren damals bekannten Horizont hinaus denken konnten. Vergleiche mit der immer noch meist männerorie­ntierten Politik sind rein zufällig.

Normen und Produkttes­ts wirken als Innovation­sbremse. Was man als „ anerkannte­n Stand der Technik“bezeichnet, ist über Jahre und Jahrzehnte gesammelte­s technische­s Knowhow, das in Patentschr­iften, Normen und Anleitunge­n niedergesc­hrieben wurde. Da das Sammeln dieser Erfahrunge­n und das Zustandeko­mmen von Normen ein langwierig­er Prozess ist, kann man das Durchschni­ttsalter dieser Regeln meist in Jahrzehnte­n messen. Wenn man sich die Entwicklun­gsgeschwin­digkeit mancher Bereiche der Technik ansieht, liegt die Vermutung nahe, dass einige dieser anerkannte­n Regeln längst veraltet sein müssen.

Was auf der einen Seite Sicherheit gibt, alles richtig gemacht zu haben, erweist sich gelegentli­ch auch als Innovation­sbremse. So stand ich schon öfters in meiner Laufbahn vor der Entscheidu­ng, festgeschr­iebene Regeln brechen zu müssen, um technische­n Fortschrit­t möglich zu machen.

Ein Beispiel: Wird eine thermische Solaranlag­e für den Winter ausgelegt, hat sie im Sommer gewaltige Überkapazi­täten. Damit die keinen Schaden anrichten, sehen die Vorschrift­en vor, Maßnahmen dagegen zu treffen, zum Beispiel einen Dissipator einzubauen, der die überschüss­ige Wärme in die Luft bläst. Manche Kunden deckten einen Teil ihrer Solarkolle­ktoren im Sommer mit Tüchern ab und es wurden auch schon Jalousien für Kollektore­n entwickelt und angeboten. Alles Lösungen, auf die man kommt, wenn man im gleichen System denkt.

Auf eine viel elegantere Variante kommt man nur, wenn man sich über die bekannten Regeln hinwegsetz­t und aus dem bisherigen System hinaus denkt: Lässt man die Transportf­lüssigkeit aus den Kollektore­n in den Tank zurücklauf­en, wenn der voll geladen ist, kann es zu keiner Dampfbildu­ng dort mehr kommen, die

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