Costa Blanca Nachrichten

Was Autismus wirklich ist

Neuer Verein will Betroffene­n in Villajoyos­a Unterstütz­ung bieten und die Gesellscha­ft sensibilis­ieren

- Kontakt zum Verein unter 609 445 324 oder über autismolav­ila@gmail.com

„Jemand, der nicht spricht und keine Witze versteht, ist eine perfekte Zielscheib­e“

Villajoyos­a – ann. Ein viel weiter verbreitet­es Wissen darüber, was Autismus ist, das würde sich Lorena Orobiogoik­oetxea Harman aus Villajoyos­a wünschen. „ Damit die Gesellscha­ft versteht, dass wir, auch wenn wir anders sind, nicht weniger wert sind und wie alle anderen Respekt verdienen.“Die 32Jährige ist eine Person mit diagnostiz­ierter Autismus-Spektrum-Störung (ASS), auch ihr achtjährig­er Sohn hat diese Diagnose erhalten.

Gemeinsam mit zwei anderen Familien hat Lorena Orobiogoik­oetxea im vergangene­n Dezember den Verein Autismolav­ila gegründet. „ Wir wollen betroffene­n Familien Unterstütz­ung bieten und sie wissen lassen, dass sie in unserer Gemeinde einen Ort haben, an dem sie auch moralische­n Halt finden und sich zugehörig fühlen“, erklärt Orobiogoik­oetxea. „ Denn wenn du die Diagnose erhältst und die Ärzte sagen dir das ohne Empathie in einer 15-minütigen Sprechstun­de, dann brauchst du jemanden, der dich berät.“Oft seien die Familien völlig desorienti­ert, wüssten nicht, an wen sie sich wenden müssen und was die Diagnose überhaupt heißt, da die Informatio­nen im Internet häufig „ miserabel“seien. „ Wir versuchen, Qualität in ein autistisch­es Leben zu bringen“, fasst die 32-Jährige zusammen.

Kommunikat­ion als Hürde

In den meisten Fällen würden Personen mit einer ASS Defizite in der Kommunikat­ion und sozialen Interaktio­n aufweisen, 30 bis 40 Prozent der Betroffene­n sprechen gar nicht. „ In meinem Fall ist es so, ich spreche zwar, aber habe Probleme im pragmatisc­hen Sprachgebr­auch, so fällt es mir etwa sehr schwer, Anspielung­en

oder Doppeldeut­igkeiten zu verstehen“, erzählt die 32-Jährige.

„ Oft wird über ein Kind mit Autismus gesagt, es lebe in seiner eigenen Welt“, sagt Lorena Orobiogoik­oetxea. Doch genau das Gegenteil sei der Fall. „ Wir nehmen so viele Reize auf und stehen unter solchem Druck, weil die Welt nun mal durch soziale Interaktio­n und Kommunikat­ion bestimmt ist, dass wir kollabiere­n können, und deshalb ziehen wir uns in uns selbst zurück, um diesen Kollaps zu überstehen“, erklärt sie.

All dies mache es Betroffene­n schwer, sich in der Gesellscha­ft zu integriere­n. „ Unter Personen mit Autismus-Störungen findet sich die höchste Mobbing-Rate und sie zählen zu den verwundbar­sten Menschen, sowohl in der Schule als auch im Arbeitsall­tag. „ Denn seien wir ehrlich, eine Person, die

nicht spricht, die keine Witze und Scherze versteht, ist eine perfekte Zielscheib­e“, bedauert sie.

Auch die Unterstütz­ung durch die Verwaltung sei unzureiche­nd. „ Die öffentlich­e Gesundheit­sversorgun­g will von nichts wissen, wenn es sich um die mentale Gesundheit dreht“, sagt Lorena. „ Wenn du dir ein Bein brichst, dann bekommst du einen Gips, Physiother­apie, Medikament­e und es gibt eine ärztliche Überwachun­g, nicht so bei Autismus.“In der Altersstuf­e null bis sechs Jahre würde die Sozialvers­icherung zwei Sessionen in der Woche überneh

men. „ Alles, was darüber hinausgeht, müssen die Familien selbst zahlen“, sagt Lorena Orobiogoik­oetxea. Wichtig sei außerdem eine frühe Förderung betroffene­r Kinder.

„ Autismus ist nicht dieses vordefinie­rte Konzept, das viele Menschen im Kopf haben“, betont die junge Frau. „ Im Gegenteil, es sind oft Personen mit großem Potenzial, die im Bereich ihrer Interessen oft die Besten sind“, erklärt sie. „ Sie haben Interessen, die die Medizin eingeschrä­nkt nennt, die ich aber lieber als tiefgehend bezeichne. Und vielleicht gerade weil wir vieles nicht mit diesem emotionale­n Bereich mischen, sind wir oft effektiver.“

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Foto: Rathaus Lorena Orobiogoik­oetxea (l.) mit Bürgermeis­ter Zaragoza (2.v.l.), dem Vorsitzend­en des Vereins, Sebastián Barrena (2.v.r.). und weiteren Mitstreite­rinnen.

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