Costa Blanca Nachrichten

Abschied von den Flamingos

Fuente de Piedra: Wanderung um Andalusien­s größte Salzwasser­lagune – oder was davon übrig ist

- Zauber des Unscheinba­ren

Antequera – mar. „ Einmal im Jahr trocknet die Lagune aus, das muss sie“, erklärt África Lupión, die Leiterin des Naturreser­vats Laguna de Fuente de Piedra. Das ist ihr jährliches Reinigungs­programm, so schafft sie sich Fäulnisbak­terien vom Hals, justiert ihr biologisch­es Gleichgewi­cht. „ Allerdings passiert das normalerwe­ise im Frühjahr, jetzt im Winter müsste der See voll sein.“Diagramme schnalzen aus ihrem Projektor mit Niederschl­agsmengen, Zahlen von Tierarten und Brutpaaren. Rund 460 Millimeter Regen sollten hier im Jahr fallen, sagt der Durchschni­tt. In den vergangene­n fünf Jahren lag man immer unter 400, 2023 waren es 240 Millimeter, „ für 2024 erwarten wir noch weniger“. Gleichzeit­ig steigt die Verdunstun­g, „ zwei Fingerbrei­t am Tag“, wie die Bauern hier aus ihren Wasserspei­chern wissen.

Dabei sollte Fuente de Piedra Andalusien­s größte und, nach Gallocanta in Aragón, Spaniens zweitgrößt­e Salzwasser­lagune sein und war es bisher auch. 2,8 Kilometer breit, 6,5 Kilometer lang. Ein Kuriosum der Natur, 70 Kilometer hinter und fast 500 Meter über dem Meer liegt sie am nördlichen Ende der Vega, der Hochebene von Antequera, unweit der unsichtbar­en Grenze zwischen den Provinzen Málaga und Sevilla.

Die 1.500 in einem Naturreser­vat geschützte­n Hektar wären fast langweilig zu nennen, zumal im Vergleich zur wilden Berg- und Bandolerow­elt, den weiten Olivenmeer­en und lieblichen Dörfchen Málagas, wenn die Natur nicht auch im Unscheinba­ren zu zaubern verstünde. Und so erklärt sie uns mit Gebüsch und Sümpfen, mit einem System aus Süßwassert­ümpeln und dem Salzsee, mit Flamingos, Möwen, Kranichen und Schnepfen Zusammenhä­nge, die des Menschen Blick unmöglich allein erfassen kann. Bis nach Marokko und Ägypten reicht nämlich die Macht der Lagune, die aber ohne Nahrungsmi­ttelliefer­ungen aus den Salinen des Cabo de Gata in Almería und dem Nationalpa­rk Doñana am Atlantik nicht über die Runden kommt. Und ohne Regen schon gar nicht.

Doch wie kommt das Salz hierher? Wer von Málaga nach Fuente de Piedra fährt, sieht kurz vor Antequera linkerhand die fast 1.500 Meter hohe Antwort darauf. Der wuchtige Torcál, das Karstgebir­ge mit eigenem Wetter und wunderlich­en Felsformat­ionen, von denen Bergziegen Wanderer anmeckern, war früher Meeresbode­n, den es im Jura hob. Neben den Wanderwege­n finden sich versteiner­te Ammoniten und anderes Getier, das es nach oben drückte. Die Delle in der Ebene dahinter bildete sich zur Lagune, die auf das gehobene Salz aus dem Urmeer zurückgrei­ft, gespeist von Grundwasse­r, Regen und Zuflüssen, eine gipsige Schicht hält das Wasser an der Oberfläche. Wenn es welches gibt.

Bis 1950 wurde hier Salz abgebaut, über Kanäle die Wasserzuun­d -abfuhr geregelt. Als sich das Geschäft nicht mehr lohnte, überließ man das Gelände sich selbst und Natur und Flamingos fanden Rhythmus und Platz zum Überwinter­n und zum Aufziehen ihres Nachwuchse­s. Sie weckten das Interesse der Wissenscha­ftler, ab den 1980er Jahren dann auch den amtlichen Schutz, in mehreren Etappen. Einige der Stege, die einst der Salzgewinn­ung dienten, sind jetzt

Hilfskonst­rukte für den Nestbau verschiede­ner Vögel, vor allem der kleinsten, viele vom Aussterben bedroht, manche so sehr, dass man sich über jedes Entenei freut, aus dem irgendwann ein gefiederte­r Winzling schlüpft.

Die Flamingos sind heute Wappentier des kleinen Fuente de Piedra, eines Hinterland­dorfes mit 3.000 Einwohnern, darunter ein paar Engländer, deren Ersparniss­e nicht für eine Wohnung in Strandnähe gereicht haben. Die Häuschen sind zusammenge­würfelt, als sei dem Baumeister die Lust vergangen, sie ordentlich nach Farben zu sortieren. Fabriken verfielen, etwas „ random“ist das Nest mit netten Lokalen und netten Menschen rund um die Calles Ancha und

Juan Carlos I. Sogar einen Grafenpala­st gibt es. Doch dieser Conde del Castillo de Tajo muss eine arme Wurst gewesen sein, das Anwesen ist geradezu kläglich, jeder Olivenbaue­r hier lebt prächtiger. Es gibt einen Bus der Linie Málaga-Antequera-Sevilla, die Bahnstatio­n ist nur Deko, obwohl das große Drehkreuz rund um Bobadilla/ Santa Ana nur einen Steinwurf von hier entfernt liegt. Es ist eine der großen Absurdität­en Spaniens, dass man viele seiner Naturparks nur mit dem Auto erreichen kann.

Ein 18 Kilometer langer Rundweg, kleine Pfade zu Stegen und Brücken, warten auf Wanderer an der Steinquell­e, wie die Lagune übersetzt heißt. Auf einer Anhöhe sitzt das Besucherze­ntrum des Reservats in einem Finca-Bau, darin erklären Schautafel­n Artenvielf­alt, Geschichte und Charakteri­stiken des Gebietes. Drumherum gibt es mehrere Aussichtsp­unkte zur Vogelbeoba­chtung, Kiefern, Korkeichen und Wacholderb­üsche führen hinunter.

Von hier oben sieht man Mitte Februar nur eine von Buschwerk umrahmte, langgestre­ckte bräunliche Fläche, die sich bis in den die

Als der Mensch die Lagune sich selbst überließ, fand die Natur Platz und Rhythmus

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Fotos: Marco Schicker Flamingos könnten im zweitgrößt­en Nistgebiet Europas bald nur noch verblasste Erinnerung sein.
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Fast ungestört in ihrem Revier: Seltene Wasservöge­l.

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