Das Spiel mit dem Feuer
Ohne Pyrotechnik geht nichts bei den Fallas in Valencia – Deutsche und Valencianer sind verrückt nach dem großen Knall
Wie große Bonbons, hübsch eingewickelt in buntes Papier, hängen die masclets fein säuberlich aufgeknüpft an einer langen Schnur vor dem Rathaus von Valencia. 100.000 Menschen haben sich um den Platz versammelt, die Balkone der umliegenden Gebäude sind voll, die Fernsehkameras halten mal in die Menge, die allmählich ungeduldig wird, mal auf den Rathaus-Balkon und die feinen Damen und Herren aus Politik, Gesellschaft und Geschäftswelt, die sich dort tummeln. Später wird es ganze Zeitungsartikel nur darüber geben, wer auf Einladung von wem dort war – und wer nicht.
Ebenfalls auf dem Rathausbalkon stehen Mädchen und junge Frauen in ausladenden, bunten Röcken und mit an den Ohren zu Schnecken aufgerollten Haaren. Um Punkt 14 Uhr rufen sie kichernd ins Mikrofon: „ Senyor pirotècnic, pot començar la mascletà“(„Herr Pyrotechniker, Sie können die mascletà starten“), und wenige Sekunden später explodiert der erste Böller. Der Platz vibriert, nicht nur wegen des Lärms, auch wegen der Menschen, die mit dem ersten Knall verstummt sind und jetzt dem wahnsinnig lauten, explodierenden Spektakel mit verzückten Gesichtern zuschauen.
Valencia steckt mitten in den Fallas, diesem bunten, großen Gewusel von Stadtfest, mit all seinen Traditionen, Bräuchen und Gepflogenheiten, die die Augen der Valencianer leuchten lassen und sich Ortsfremden wohl nie ganz erschließen werden. Wer sich die Fallas einmal angeschaut hat, dem werden natürlich die riesigen, knallbunten, Comic-ähnlichen Pappmaché-Figuren in Erinnerung bleiben, aber auch die Musik, die Straßenparty tagsüber wie nachts, die fröhlichen Trachten der Falleros – und, ganz sicher, neben dem Geruch von Frittierfett aus den 133 Churros-Buden in der Stadt auch der von Schwarzpulver, der überall in der Luft hängt.
„ Valencia und Pyrotechnik, Pyrotechnik und Valencia – das ist unzertrennlich“, meint Nicolás Magán, Geschäftsführer des spanischen Pyrotechnik-Verbands Aepiro und selbst Valencianer. Während der Fallas vom 1. bis 19. März, spätestens aber an den „ großen“Tagen ab dem 15. März, knallt, raucht, pfeift und zischt es Tag und Nacht auf den Straßen, an irgendeiner Ecke trifft immer ein Feuerzeug auf eine Zündschnur, sei es bei einem professionellen Feuerwerk (castillo de fuegos), einem Böllerkonzert (mascletà) oder wenn ein Knallkörper aus privater Hand gezündet wird.
Wie viele professionell organisierte Pyrotechnik-Spektakel während der Fallas explodieren, ist selbst für Profi Magán unmöglich zu sagen, aber, nach schnellem Überschlagen im Kopf, kommt er bei knapp 400 Fallas-Kommissionen in Valencia auf mindestens 600 – allein am letzten Fallas-Tag am 19. März. „ Pyrotechnik ist Teil der valencianischen Kultur, der Gesellschaft, es hat einfach eine tief verankerte Tradition“, sagt Magán und erzählt von jenem Brand an Pfingsten 1469, als Valencias Kathedrale in Flammen aufging, weil in der Kirche Leuchtraketen zum Einsatz gekommen waren. „ Damals gab es Pyrotechnik vor allem bei religiösen Anlässen – um bestimmte Spannungsmomente innerhalb der Liturgie zu unterstreichen“, berichtet er.
Heute wäre alles, was über Kerzen hinausgeht, natürlich undenkbar in einem Gotteshaus, und selbst im Freien gelten strengste Sicherheitsvorkehrungen während der Pyrotechnik-Spektakel bei den Fallas – ebenso wie bei Herstellung, Lagerung und Verkauf von Feuerwerkskörpern, die in Spanien streng reglementiert sind. „ Der Verkauf von Raketen oder Böllern im Supermarkt, so wie in Deutschland vor Silvester, wäre hier undenkbar“, sagt Magán. Dafür wird in Spanien – ebenfalls mit strengsten Auflagen – noch viel Pyrotechnik hergestellt, rund 100 Fabriken gibt es laut Aepiro im ganzen Land, davon knapp 30 in der Region Valencia, viele seit mehreren Generationen in Familienhand.
Hergestellt werden in Spanien längst nicht nur Feuerwerkskörper für den eigenen Bedarf, sondern auch für den Export nach Europa und in den Rest der Welt. „ Spanische Unternehmen beliefern beispielsweise Disneyland und andere Vergnügungsparks“, sagt Magán. An dieser Stelle kommt auch eine Gruppe von Deutschen ins Spiel, die verrückt nach den Fallas ist – unter anderem wegen der Pyrotechnik.
SOM Falles Alemania nennt sich diese Gruppe, Andreas Tischer ist einer ihrer Administratoren, vor 14 Jahren sah er die Fallas in Valencia das erste Mal, seitdem hat er kein einziges Mal gefehlt.
Tischer ist selbst nebenberuflich Pyrotechniker, bei einem Einkaufsbesuch in einer valencianischen Fabrik kam die Sprache auf die Fallas, die Spanier luden die Deutschen ein – und die waren begeistert. „ Ich kenne viele Pyrotechnik-Feste auf der ganzen Welt, aber die Fallas sind einfach einzigartig“, meint Tischer.
Mit 140 Deutschen reist SOM Falles allein dieses Jahr nach Valencia, um die Figuren und deren Verbrennung am 19. März zu bewundern. „ Uns fasziniert mittlerweile nicht mehr nur das Feuerwerk, sondern die ganzen Traditionen, die in Valencia gelebt werden – und allem voran die Menschen und ihre Gastfreundschaft“, sagt Tischer. Einblicke hinter die Kulissen gewannen der Deutsche und sein Team vor allem dank der Fallas-Auszeichnung als UnescoWeltkulturerbe 2016. Im Zuge der Bewerbung dafür gründeten Rathaus und die Zentralkommission Junta Fallera seinerzeit den Ambassador’s Club mit Botschaftern in der ganzen Welt, die das Fest in ihrer (Wahl-)Heimat bekannter machen sollten. Unter diesen Botschaftern waren auch Tischer und sein Mitstreiter Rolf Heller.
Die Deutschen gewannen damals zusammen mit ihren internationalen Kollegen Einblicke hinter
Valencia und Pyrotechnik, Pyrotechnik und Valencia – das ist unzertrennlich