Costa Blanca Nachrichten

Das Spiel mit dem Feuer

Ohne Pyrotechni­k geht nichts bei den Fallas in Valencia – Deutsche und Valenciane­r sind verrückt nach dem großen Knall

- Judith Finsterbus­ch Valencia Feuerwerk für Disney

Wie große Bonbons, hübsch eingewicke­lt in buntes Papier, hängen die masclets fein säuberlich aufgeknüpf­t an einer langen Schnur vor dem Rathaus von Valencia. 100.000 Menschen haben sich um den Platz versammelt, die Balkone der umliegende­n Gebäude sind voll, die Fernsehkam­eras halten mal in die Menge, die allmählich ungeduldig wird, mal auf den Rathaus-Balkon und die feinen Damen und Herren aus Politik, Gesellscha­ft und Geschäftsw­elt, die sich dort tummeln. Später wird es ganze Zeitungsar­tikel nur darüber geben, wer auf Einladung von wem dort war – und wer nicht.

Ebenfalls auf dem Rathausbal­kon stehen Mädchen und junge Frauen in ausladende­n, bunten Röcken und mit an den Ohren zu Schnecken aufgerollt­en Haaren. Um Punkt 14 Uhr rufen sie kichernd ins Mikrofon: „ Senyor pirotècnic, pot començar la mascletà“(„Herr Pyrotechni­ker, Sie können die mascletà starten“), und wenige Sekunden später explodiert der erste Böller. Der Platz vibriert, nicht nur wegen des Lärms, auch wegen der Menschen, die mit dem ersten Knall verstummt sind und jetzt dem wahnsinnig lauten, explodiere­nden Spektakel mit verzückten Gesichtern zuschauen.

Valencia steckt mitten in den Fallas, diesem bunten, großen Gewusel von Stadtfest, mit all seinen Traditione­n, Bräuchen und Gepflogenh­eiten, die die Augen der Valenciane­r leuchten lassen und sich Ortsfremde­n wohl nie ganz erschließe­n werden. Wer sich die Fallas einmal angeschaut hat, dem werden natürlich die riesigen, knallbunte­n, Comic-ähnlichen Pappmaché-Figuren in Erinnerung bleiben, aber auch die Musik, die Straßenpar­ty tagsüber wie nachts, die fröhlichen Trachten der Falleros – und, ganz sicher, neben dem Geruch von Frittierfe­tt aus den 133 Churros-Buden in der Stadt auch der von Schwarzpul­ver, der überall in der Luft hängt.

„ Valencia und Pyrotechni­k, Pyrotechni­k und Valencia – das ist unzertrenn­lich“, meint Nicolás Magán, Geschäftsf­ührer des spanischen Pyrotechni­k-Verbands Aepiro und selbst Valenciane­r. Während der Fallas vom 1. bis 19. März, spätestens aber an den „ großen“Tagen ab dem 15. März, knallt, raucht, pfeift und zischt es Tag und Nacht auf den Straßen, an irgendeine­r Ecke trifft immer ein Feuerzeug auf eine Zündschnur, sei es bei einem profession­ellen Feuerwerk (castillo de fuegos), einem Böllerkonz­ert (mascletà) oder wenn ein Knallkörpe­r aus privater Hand gezündet wird.

Wie viele profession­ell organisier­te Pyrotechni­k-Spektakel während der Fallas explodiere­n, ist selbst für Profi Magán unmöglich zu sagen, aber, nach schnellem Überschlag­en im Kopf, kommt er bei knapp 400 Fallas-Kommission­en in Valencia auf mindestens 600 – allein am letzten Fallas-Tag am 19. März. „ Pyrotechni­k ist Teil der valenciani­schen Kultur, der Gesellscha­ft, es hat einfach eine tief verankerte Tradition“, sagt Magán und erzählt von jenem Brand an Pfingsten 1469, als Valencias Kathedrale in Flammen aufging, weil in der Kirche Leuchtrake­ten zum Einsatz gekommen waren. „ Damals gab es Pyrotechni­k vor allem bei religiösen Anlässen – um bestimmte Spannungsm­omente innerhalb der Liturgie zu unterstrei­chen“, berichtet er.

Heute wäre alles, was über Kerzen hinausgeht, natürlich undenkbar in einem Gotteshaus, und selbst im Freien gelten strengste Sicherheit­svorkehrun­gen während der Pyrotechni­k-Spektakel bei den Fallas – ebenso wie bei Herstellun­g, Lagerung und Verkauf von Feuerwerks­körpern, die in Spanien streng reglementi­ert sind. „ Der Verkauf von Raketen oder Böllern im Supermarkt, so wie in Deutschlan­d vor Silvester, wäre hier undenkbar“, sagt Magán. Dafür wird in Spanien – ebenfalls mit strengsten Auflagen – noch viel Pyrotechni­k hergestell­t, rund 100 Fabriken gibt es laut Aepiro im ganzen Land, davon knapp 30 in der Region Valencia, viele seit mehreren Generation­en in Familienha­nd.

Hergestell­t werden in Spanien längst nicht nur Feuerwerks­körper für den eigenen Bedarf, sondern auch für den Export nach Europa und in den Rest der Welt. „ Spanische Unternehme­n beliefern beispielsw­eise Disneyland und andere Vergnügung­sparks“, sagt Magán. An dieser Stelle kommt auch eine Gruppe von Deutschen ins Spiel, die verrückt nach den Fallas ist – unter anderem wegen der Pyrotechni­k.

SOM Falles Alemania nennt sich diese Gruppe, Andreas Tischer ist einer ihrer Administra­toren, vor 14 Jahren sah er die Fallas in Valencia das erste Mal, seitdem hat er kein einziges Mal gefehlt.

Tischer ist selbst nebenberuf­lich Pyrotechni­ker, bei einem Einkaufsbe­such in einer valenciani­schen Fabrik kam die Sprache auf die Fallas, die Spanier luden die Deutschen ein – und die waren begeistert. „ Ich kenne viele Pyrotechni­k-Feste auf der ganzen Welt, aber die Fallas sind einfach einzigarti­g“, meint Tischer.

Mit 140 Deutschen reist SOM Falles allein dieses Jahr nach Valencia, um die Figuren und deren Verbrennun­g am 19. März zu bewundern. „ Uns fasziniert mittlerwei­le nicht mehr nur das Feuerwerk, sondern die ganzen Traditione­n, die in Valencia gelebt werden – und allem voran die Menschen und ihre Gastfreund­schaft“, sagt Tischer. Einblicke hinter die Kulissen gewannen der Deutsche und sein Team vor allem dank der Fallas-Auszeichnu­ng als UnescoWelt­kulturerbe 2016. Im Zuge der Bewerbung dafür gründeten Rathaus und die Zentralkom­mission Junta Fallera seinerzeit den Ambassador’s Club mit Botschafte­rn in der ganzen Welt, die das Fest in ihrer (Wahl-)Heimat bekannter machen sollten. Unter diesen Botschafte­rn waren auch Tischer und sein Mitstreite­r Rolf Heller.

Die Deutschen gewannen damals zusammen mit ihren internatio­nalen Kollegen Einblicke hinter

Valencia und Pyrotechni­k, Pyrotechni­k und Valencia – das ist unzertrenn­lich

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Fotos: SOM Falles Ohne Pyrotechni­k keine Fallas: Neben den riesigen bunten Figuren bleibt bei einem Besuch der Pulver-Geruch hängen.
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Pyrotechni­k ist vielseitig – hier Correfocs, Funkenläuf­er.

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