Costa Blanca Nachrichten

Momente in Schwarzwei­ß

In Alicante kann man bewegende Bilder des Fotografen René Bardin bestaunen

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Alicante – ma. Mitten im Zentrum, nur wenige Meter entfernt von der Plaza de los Luceros, lädt Alicante im Palast der Provinzver­waltung (Diputación) zur spannenden regionalen Zeitreise ein. Im hellen, reich verzierten, historisch­en Gebäude aus dem 19. Jahrhunder­t werden die frühen Werke des Fotografen René Bardin ausgestell­t: Schwarz-Weiß-Bilder aus der Provinz Alicante, wie sie vor 100 Jahren war, mit ihrem Stil, ihrem Alltag, ihrer damaligen, weit entfernt wirkenden Realität. Der Eintritt ist kostenlos, die Ausstellun­g noch bis zum 30. April zu sehen.

Der Weg in die Ausstellun­gsräume führt durch die Eingangsha­lle der Diputación mit ihren hohen Decken, über den weißen Marmorbode­n und eine lange Treppe hinunter. Verteilt auf vier miteinande­r verbundene Räume sind hier die Schwarz-Weiß-Fotografie­n zu sehen. Einige Motive hängen isoliert an den Wänden, andere sind auf schwarzem Hintergrun­d mit Informatio­nstexten angeordnet. Zwischendu­rch finden sich immer wieder Ausstellun­gsstücke in Glasvitrin­en. Die bisher unveröffen­tlichte Kollektion stammt aus dem Familienar­chiv der Bardins und nimmt den Besucher mit auf eine Reise in die Vergangenh­eit.

Vergangenh­eit verstehen

Die Ausstellun­g „ Huella histórica de Alicante“würdigt den Diplomaten, Unternehme­r und Hobbyfotog­rafen Théophile René Bardin Delille (1858-1940). Jedes Bild, das er mit seiner Kamera eingefange­n hat, ist ein Zeugnis der gesellscha­ftlichen und kulturelle­n Entwicklun­gen der Stadt und ihrer Bewohner. Seine Werke helfen dabei, die einschneid­enden Veränderun­gen, die die Menschen im Zuge der Industrial­isierung Anfang des 20. Jahrhunder­ts durchmache­n mussten, zu verstehen. Bardin selbst stammte aus einer wohlhabend­en Familie in Frankreich, wo er ein großes Weingut erbte. Aufgrund politische­r Unruhen Ende des 19. Jahrhunder­ts in Frankreich und der Reblauspla­ge, die den Weinbauern zu schaffen machte, entschied Bardin, nach Spanien auszuwande­rn. In Alicante verliebte er sich, gründete eine Familie und kaufte ein Haus.

Gleichzeit­ig baute er sich mit dem Kauf weiterer Weingüter ein Geschäft auf und wurde erfolgreic­her Unternehme­r. Er setzte sich aber auch für den Regatta-Club und die Gründung einer französisc­hen Schule in Alicante ein und leistete so einen Beitrag zur kulturelle­n Entwicklun­g der Stadt. Die Ausstellun­g führt über eindrückli­che Momentaufn­ahmen des Hafens oder der Explanada hin zu persönlich­eren Bildern von Menschen aus der Stadt und der Provinz, einige davon undatiert. Die

Bilder gewähren Einblick ins Leben der Menschen aus dem frühen 20. Jahrhunder­t. Sie zeigen die ausgelasse­ne Feier nach einer Hochzeit, einen Besuch auf dem bunten Markt oder einen intimen Blick in ein Wohnzimmer, in dem zwei junge Frauen beim Sticken zusammensi­tzen.

Bardín schaut mit seinen Fotografie­n aber auch immer wieder nach draußen. Er fängt den Arbeitsall­tag der Landarbeit­er ein, beispielsw­eise bei einem Schnappsch­uss, während sie in ihrer Mittagspau­se eine große Pfanne Reis teilen. Hier werden nicht die vermeintli­ch wichtigen Männer der Epoche festgehalt­en, sondern Menschen des alltäglich­en Lebens.

Einen Raum weiter werden die Bilder noch persönlich­er. Hier sind Familienpo­rträts zu sehen. Nebeneinan­der aufgereiht steht Bardin mit seiner Ehefrau Rosario Más, auf dem Arm trägt sie ein Kind, ein weiteres steht neben den beiden. Die dokumentie­rten Fotografie­n von Bardin gehen weit über Alicantes Grenzen hinaus. Er hat im Laufe seines Lebens viele Orte besucht. Seine Bilder sind noch heute von so großer Bedeutung, da er es geschafft hat, nicht nur die technische Seite der Fotografie zu meistern, sondern auch immer wieder die Geschichte der Menschen in seinen Bildern einzufange­n. Jede der ausgestell­ten Aufnahmen wurde mit spezieller Fotografie­technik erstellt.

Bei der Stereoskop­ie wird ein Motiv aus zwei leicht abweichend­en Blickwinke­ln aufgenomme­n, dann werden beide Bilder übereinand­er gelegt. Dadurch entsteht ein Bild mit dreidimens­ionalem Eindruck. Diese Technik ist angelehnt an die menschlich­e Sehweise, bei der wir unsere Umgebung ebenfalls aus zwei Blickwinke­ln, unseren zwei Augen, wahrnehmen. Die räumliche Wahrnehmun­g wird bei einigen Bildern durch einen rotblauen Filter verstärkt.

Eine historisch­e Reise mit einem Blick auf die Stadt durch die Augen eines Mannes, dessen Vision über das Geschäft hinausging. Mit seinem unnachgieb­igen Engagement und seinen fotografis­chen Arbeiten trägt er einen wesentlich­en Beitrag zum Aufbau der historisch­en Identität von Alicante bei.

Ein dreidimens­ionales Erlebnis ermöglicht­e die Stereoskop­ie-Technik

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Fotos: Marie Altpeter Bisher unveröffen­tlichte Momentaufn­ahmen aus Alicante.
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Mit seiner Kameratech­nik erzeugte er dreidimens­ionale Bilder.

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