Schlemmen in Fastenzeit
Bacalao ist mehr denn je auch in der gehobenen Küche gefragt – und das nicht nur vor Ostern
red. Die Tatsache, dass der portugiesische Seefahrer Gaspar de CorteReal im 16. Jahrhundert Neufundland mit seinem reichen Kabeljauvorkommen entdeckte und sich schnell Bretonen, Normannen und Basken an den Fischbänken tummelten, die Fisch zu konservieren wussten, und auch Briten, die mit ihm handelten, war ein Segen für die Menschheit – sowohl für ihren Körper als auch ihre Seele. Der liturgische Kalender hatte noch allergrößten Einfluss auf die Essgewohnheiten, und wie sonst als mit haltbar gemachtem Fisch konnte man in Gegenden, die nicht mit Forellenbächen oder Lachsgewässern gesegnet waren, das Diktat der Fastenzeit einhalten. Dies führte letztendlich zu einer Bacalao-Kultur auf der Iberischen Halbinsel, die wohl einzigartig auf der Welt ist.
Fisch durch Trocknen haltbar zu machen ist eine der ältesten Methoden der Konservierung und wurde schon lange zuvor von den Wikingern praktiziert. Vermutlich hat man Bacalao, wie wir ihn heute kennen, am Golf von Biskaya erfunden. Im Binnenland herrschte Nahrungsmittelknappheit, und um größere Stücke Fisch für den langen Transport unter sengender Sonne zu konservieren, wurde Kabeljau oder auch ein Verwandter aus der Familie der dorschartigen Fische nicht nur auf Holzgestellen an der Luft getrocknet, bis er hart wie ein Holzscheit war – deshalb die Bezeichnung pejepalo oder Stockfisch –, sondern mit Salz entwässert und dann – früher – auf Felsen getrocknet. Daher der Name Klippfisch. Was wir also gemeinhin als Bacalao kaufen, ist nicht wie im Sprachgebrauch üblich Stockfisch, sondern Klippfisch. Auf Spanisch nennt man ihn bacalao seco, trockenen Kabeljau.
Wobei die Konservierung auf der Halbinsel heute unterschiedlich ist. In Portugal bevorzugt man Bacalao trockener, er reift in feinem Salz, was ihn gelblich macht, während Spanier ihn „ verde“mögen, nur mit grobem Meersalz eingerieben; diese Fischstücke sollen weiß und flexibel sein und nicht so eingeschrumpelt.
Bacalao-Hochburg ist neben Portugal auch das Baskenland, wo Gerichte wie „ Bacalao al pil-pil“oder „ a la vizcaína“erfunden wurden, die weit über Euskadi hinaus
Ansehen erlangten und heute geradezu als Klassiker gelten. Dazu muss gesagt werden, dass baskische Köche in dem Ruf stehen, sogar aus einem ausgelatschten Pantoffel noch eine Delikatesse zu machen. Ihre Erfahrungen teilten sie mit den Katalanen, die ebenfalls mit einer Reihe traditioneller Gerichte aufwarten wie „ Bacalao a la llauna“, „ en samfaina“oder mit Pinienkernen und Rosinen.
Zählte Bacalao früher zum Arme-Leute-Essen, hat er inzwischen Einzug in die gehobene Gastronomie gehalten, wo man die althergebrachten Rezepte von Portugiesen, Katalanen und Basken mit neuen Kreationen pflegt. Bacalao wird geschmort, in Sauce gedünstet oder frittiert – das ergibt eine breite Palette an Gerichten, wobei jedes mit einem ganz bestimmten Stück des getrockneten, gesalzenen Fischs zubereitet wird.
Bacalao ist heute beileibe nicht mehr billig, eher ist er ein Luxusgut zwischen Schlemmen und Büßen. Die Knappheit des Kabeljaus – wir werden ihn bald vollkommen ausgerottet haben, wenn nicht schnell rigorose Maßnahmen ergriffen werden – und die aufwendige Behandlung verlangen ihren Preis, vor allem wenn es sich beispielsweise um ein dickes Stück Filet handelt.
Lomo – ist das begehrteste, das dicke Mittelstück. Die Filets eignen sich für alle klassischen Zubereitungen wie Bacalao a la vizcaína oder den berühmten Bacalao al pil-pil.
Taco – der dickste Teil des Filets, ohne Gräten. Zubereitungsarten: frittieren, mit Tomate und Paprika garen oder wie ein Filet.
Ijadas – die vorderen, dunkleren Seitenteile. Lecker mit Kartoffeln oder grüner Sauce.
Desmigado – Die restlichen Teile eignen sich für Zubereitungen wie „ ajoarriero“, als Püree für Pimientos del piquillo, Tortilla oder Kroketten.
Cola – Schwanzstück, kann etwa en salsa verde, in grüner Sauce, zubereitet, oder auf Bäckerinkartoffeln gegart werden.
Alle Teile des Bacalao, vom Kopf bis zum Schwanz, Eingeweide, Rogen etc., werden verwertet. Heute kann man Bacalao auch schon vorgewässert kaufen, ohne Gräten, in die gewünschten Stücke geschnitten, mit Haut, ohne Haut, als Püree (brandada) oder roh (en crudo).
Das Wässern von Bacalao
Vor seiner Zubereitung muss ein Klippfisch gewässert werden, bis die Fleischfasern gut gequollen sind. Das passiert im Kühlschrank, und das Verhältnis von Wasser zu Fisch sollte in etwa drei zu eins betragen. Wie lange gewässert werden muss, kommt auf die Größe an. Man sagt, etwa 24 Stunden, dabei dreimal das Wasser wechseln. Handelt es sich aber um ein dickes Stück lomo, wird man es 36 Stunden entsalzen müssen. Doch zu lange sollte es auch nicht sein, man kann den Bacalao auch so lange im Wasser lassen, bis er nach gar nichts mehr schmeckt!
Die Qualität des Wassers spielt ebenfalls eine Rolle und natürlich die Verwendung des Stücks, denn manchmal will man es eben salziger. Generell heißt es, im mineralreichen Wasser in der Stadt dauere das Entsalzen länger als auf dem Land. Auch braucht ein Klippfisch aus Kanada oder Norwegen mehr Zeit als der isländische, der hier vornehmlich im Handel ist.