Costa Blanca Nachrichten

Zirkusfeld statt Zirkuszelt

Frühlingsf­est Festivall bringt Kultur in die Dörfer des Guadalest-Tals – und mehr als das

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Beniardá – fin. Die stressige Parkplatzs­uche entfällt, das Auto wird einfach auf dem öffentlich­en Dorf-Parkplatz von Beniardá abgestellt. Von da aus geht es zu Fuß weiter, erst durch die schmalen Gassen der kleinen Gemeinde im Guadalest-Tal, dann zwischen Oliven- und Mispelplan­tagen entlang, mal steil bergauf, mal bergab, weiter bis zu einem Olivenfeld, auf dem sich ganz offensicht­lich Wildschwei­ne ausgetobt haben. Unterwegs herrscht Stille, nur ein paar Vögel zwitschern, hier und da plätschert Wasser, in der Ferne ist das Rumpeln eines Treckers zu hören. Eine erste Verbindung zur Natur ist geschaffen, jetzt kann die Zirkus-Vorstellun­g losgehen, hier, mitten auf dem Olivenfeld, als Kulissen dienen die gewaltigen Bergketten Xortà und Serella.

Kultur in die Dörfer zu bringen ist das erklärte Ziel von Lomi Szil und seinen Mitstreite­rn. Eigentlich organisier­en sie seit 15 Jahren das große Festival für kontemporä­ren Zirkus, Circarte, das immer im Oktober in Alicante und weiteren Küstenorte­n stattfinde­t. „ Wir wollten das Angebot um eine ländliche Linie erweitern“, sagt Szil, und fand in Beniardá, wo er seit zehn Jahren wohnt, und den umliegende­n Dörfern, die perfekten Austragung­sorte. Festivall – ein Wortspiel aus Festival und Vall, valenciani­sch für Tal – heißt nun das Projekt, das Szil zum vierten Mal im Frühling, dieses Jahr vom 29. bis 31. März, koordinier­t.

„ Beim Circarte spielen wir in den großen Kulturhäus­ern vor 1.000 Leuten, das Festivall ist ganz anders. Wir sind alle seit vielen Jahren Profis, aber die Natur hat uns erst geohrfeigt, dann beschenkt“, lacht Szil in Bezug auf

Technik, Organisati­on, Auf- und Abbau auf dem „ bancal escènic“, Bühnenfeld. Auf der einen Seite hat Szil die Terrassenh­änge mit Holzbrette­rn befestigt, damit sich das Publikum setzen kann. Wer dort keinen Platz mehr findet, sitzt auf Strohballe­n. Die Vorstellun­gen bestehen aus moderner Zirkuskuns­t, aber auch aus musikalisc­hen Beiträgen oder Tanz.

„ Dabei ist die Darbietung an sich gar nicht so wichtig. Wichtiger ist das Erlebnis, das jeder Zuschauer mitnimmt“, meint Szil. Da kann und darf ein vorbeiflie­gender Vogel gerne die Aufmerksam­keit des Publikums auf sich lenken und wird so Teil der Vorstellun­g. Auch die Rufe der Bauern in der Ferne gehören zum Stück dazu, ebenso wie das Brummen der Insekten. „ Die Leute schauen nicht nur auf die Bühne, sondern achten auf die Landschaft“, sagt Szil und meint damit auch schon den Fußweg vom Parkplatz zum Feld.

Neben den Vorführung­en auf der Feld-Bühne bietet das Festivall auch Workshops für Erwachsene wie Kinder, es gibt Aufführung­en in den Kulturhäus­ern und auf den Plätzen des Tals, und auf dem Speiseplan stehen lokale Produkte aus den Dörfern. Im Publikum sitzen beim Festivall zum einen Zuschauer aus Alicante und den Küstenorte­n, die Szil und sein Team von Circarte kennen. Zum anderen die alteingese­ssenen Dorfbewohn­er, die zu den Veranstalt­ungen auf den Plätzen und in den Kulturhäus­ern gehen, sowie die Zugezogene­n, die sich spätestens mit der

Pandemie bewusst ein Zuhause auf dem Land gesucht haben, das kulturelle Angebot aus ihrer vorherigen Umgebung aber vermissen.

„ Uns geht es auch darum, einen Beitrag zu qualitativ hochwertig­em Landtouris­mus zu leisten – als Gegengewic­ht zum Massentour­ismus, der keinen Mehrwert hat“, meint Szil. Dazu bietet sein Team das ganze Jahr Aktivitäte­n im wunderschö­nen Guadalest-Tal an – für Städter, die den Bezug zur Natur verloren haben ebenso wie für die Dorfbewohn­er, denn: „ Auch die ländliche Bevölkerun­g hat ein Recht auf ein kulturelle­s Angebot“, sagt Szil.

„Auch die ländliche Bevölkerun­g hat ein Recht auf Kultur“

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Foto: Circarte Platz nehmen und Kultur, Landschaft, Natur genießen – am besten alles zusammen.

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