Costa Blanca Nachrichten

Einkaufsze­ntrum der Antike

Die Isla del Fraile vor Águilas gewinnt an archäologi­scher Bedeutung

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Águilas – sg. Das Interesse an der Isla del Fraile vor der Küste von Águilas wächst. Gut geschützt vor den Stürmen des Meeres beherbergt die kleine Insel wahre archäologi­sche Schätze, die es Wissenscha­ftlern erlauben, die Entwicklun­g des Mittelmeer­raumes vom 2. Jahrhunder­t vor Christus bis heute nachzuvoll­ziehen. Die Forscher gehen davon aus, dass die Isla del Fraile eines der Drehkreuze des Handels im Mittelmeer war.

Da bis zum Jahr 1773 keine schriftlic­hen Quellen existieren, die Aufschluss über die Besiedlung des Eilands geben könnten, haben das Rathaus von Águilas, die Universitä­ten von Murcia, UMU, und Madrid, Complutens­e, im Jahr 2020 das Projekt zur Erforschun­g der Isla del Fraile gestartet und führen jedes Jahr Ausgrabung­en durch.

In diesem Jahr bekommen sie bedeutende Unterstütz­ung. Das staatliche Forschungs­institut CSIC, das dem spanischen Ministeriu­m für Wissenscha­ften untersteht, ist nämlich eingestieg­en und stellt den Archäologe­n zusätzlich 50.000 Euro zur Verfügung. Mit dem Geld können zum Beispiel Unterwasse­rgrabungen wieder aufgenomme­n werden.

200 Überreste an einem Tag

Ziel ist es, das Projekt Isla del Fraile bekannter zu machen und dadurch internatio­nale Wissenscha­ftler anzuziehen. Ein Erfolg ist bereits gelungen. Die renommiert­e britische Fachzeitsc­hrift für Archäologi­e „ Antiquity“(Antike) hat der Isla del Fraile im Februar einen ganzen Aufsatz gewidmet.

Dass es auf dem Inselchen viel zu entdecken gibt, war schon bei den ersten Untersuchu­ngen 2020 klar, die mit einem mickrigen Budget von 6.000 Euro ausgestatt­et waren. An einem einzigen Tag wurden mehr als 200 Keramikfra­gmente gefunden – ein eindeutige­s Zeichen für den archäologi­schen Reichtum der Insel. Die Forscher können belegen, dass die Insel seit dem 2. Jahrhunder­t v. Chr. bis Mitte des 20. Jahrhunder­ts bewohnt war. Dokumentie­rt wurden vier Besiedlung­sphasen in der Zeit der Römischen Republik (2. bis 1. Jahrhunder­t v. Chr.), in der Spätantike (4. bis 5. Jahrhunder­t n. Chr.), im Mittelalte­r (12. bis 13. Jahrhunder­t) und in der Neuzeit (19. bis 20. Jahrhunder­t).

Die Keramikstü­cke stammten hauptsächl­ich aus afrikanisc­hen Ländern wie Tunesien, Libyen, Palästina und Syrien, aber auch aus eigener Produktion. Forscher vergleiche­n die Isla del Fraile deshalb mit einem großen Einkaufsze­ntrum, in dem zu 80 Prozent Waren aus Afrika angeboten wurden. Ein Teil der Keramikfra­gmente ließ sich hochwertig­em Geschirr zuordnen. Glasfragme­nte aus der Spätantike, römisches Fenstergla­s und blaue Glasmosaik­en zur Verzierung von Wänden und Gewölben geben Einblick in das Leben der damaligen römischen Oberschich­t. Bei Unterwasse­rkampagnen wurden neben Schiffswra­cks aus allen Epochen auch der Henkel eines Bronzekrug­s aus dem 2. Jahrhunder­t v. Chr. gefunden, der von der gesellscha­ftlichen Elite benutzt wurde. Auf dem Meeresgrun­d fanden Archäologe­n auch im Vergleich dazu schnöde Keramikfla­schen für Whisky und Gin, die von Dampfschif­fen des 19. bis

20. Jahrhunder­ts stammen.

Neben einer Produktion­sstätte für die berühmte römische Fischsoße Garum und einem Lagerhaus mit Amphoren, die zum Teil noch gefüllt waren, legten die Archäologe­n einen Friedhof aus dem 12. bis

13. Jahrhunder­t frei, der zusammen mit Keramikfra­gmenten aus dieser Zeit auf eine mittelalte­rliche Siedlung deutet. Die menschlich­en Überreste wurden mit modernen

Analysemet­hoden untersucht, so dass Rückschlüs­se auf Ernährung, Krankheite­n und Beziehunge­n zwischen den Bewohnern der Isla del Fraile gezogen werden konnten. Damals kamen vor allem Getreide und Fleisch von Huhn, Schaf, Ziege, Rind oder sogar Robbe auf den Tisch.

Der letzte Bewohner der Insel war der britische Aristokrat schottisch­er Herkunft und Spion im Ersten Weltkrieg Hugh Pakenham Borthwick. „ Don Hugo“, wie er in Spanien genannt wurde, lebte mit seiner Familie von 1912 bis 1920 auf der Insel. Seine Aufgabe war es wohl, Bewegungen deutscher U-Boote zu überwachen und geheime Treibstoff­depots ausfindig zu machen. Nebenbei sollte Don Hugo die Landebrück­e in El Hornillo kontrollie­ren, wo Erze für die Rüstungspr­oduktion in Großbritan­nien verladen wurden. Lau seinen Bedienstet­en schlief er mit einer Pistole unter dem Kopfkissen, verbrannte Dokumente, nachdem er sie gelesen hatte, und hatte eine Vorliebe für Schnecken.

Von der Fischsoßen­fabrik über Luxus-Geschirr aus Afrika bis zu einem Spion

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Foto: Rathaus Archäologe­n stoßen auf der Insel immer wieder auf Überraschu­ngen.

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