Soziales Netz für Auswanderer
Wenn der Traum vom Auswandern zum Albtraum wird – Hilfsorganisation „Herztat“hilft deutschsprachigen Senioren
Ralf Petzold (dpa) Palma de Mallorca
ne Kinder. Das wird mein Erbe sein.“
Die Geschichte sei fast immer gleich, erzählt Werner: Ein älteres Ehepaar wandert kurz nach Rentenbeginn in den Süden aus. Sie brechen in der Heimat alle Zelte ab, kündigen Versicherungen und melden sich bei den Behörden ab. Auf eine Anmeldung in Spanien verzichten sie aber. Einerseits kostet das Geld, andererseits sprechen sie in der Regel kaum ein Wort Spanisch. „ Je nach Alter betragen die Sozialabgaben an die 200 Euro im Monat. Die Rentner fühlen sich fit und denken, auch ohne Krankenversicherung über die Runden kommen zu können“, erzählt der 62-Jährige.
Ein oft folgenschwerer Fehler. Denn mit zunehmendem Alter stellen sich dann bei den meisten doch immer mehr Gebrechen ein. Die Senioren erkranken und die Behandlungskosten verschlingen die wenigen Ersparnisse. Verstirbt schließlich einer der Eheleute, ist der Super-Gau da.
„ Eine Rente fällt weg. Die Mietkosten bleiben aber in gleicher Höhe bestehen“, sagt Werner. Auf Mallorca ist die Wohnungsnot groß. „ Viele Deutsche haben den Trugschluss, dass das Leben auf der Insel günstiger sei. Die Mieten sind aber höher als in den meisten deutschen Gebieten. Eine Einzimmerwohnung unter 900 Euro findet man auf Mallorca nicht.“
Ursprünglich war die „ Herztat“-Stiftung nur als ein Treffpunkt vorgesehen. Dabei engagieren sich Paten ehrenamtlich, um mit vereinsamten Rentnern mal einen Kaffee zu trinken, ins Kino oder zu einem Konzert zu gehen. „ Das gibt es zwar immer noch, zwei Drittel unserer betreuten Personen sind mittlerweile aber Notfälle“, sagt der Initiator. Ein Problem ist auch, dass sich die Leute für ihre Lage schämen. Freundschaften und Kontakte brechen ab und die Bedürftigen sagen immer wieder Treffen aus Geldsorgen ab, da das Budget einfach keinen Kaffee oder Bier erlaubt. „ Familie und Bekannte in Deutschland sind meist von Anfang an sauer, wenn der Senior sich aus dem Staub macht und auswandert“, sagt Werner. Von der
Seite her ist deshalb kaum Hilfe zu erwarten.
Zuletzt fällt es den Rentnern schwer, sich ihre missliche Lage einzugestehen. „ Vielen Leuten könnten wir viel besser helfen, wenn sie sich eher gemeldet hätten.“Vor zwei Jahren wurde Schrowange auf die Stiftung aufmerksam. Sie drehte eine Dokumentation über Armut auf der Insel. Man verstand sich gut und der Projektleiter fragte, ob sich die 65-Jährige nicht vorstellen könne, für „ Herztat“als Schirmherrin zu werben. Schließlich ist die Organisation auch auf Spendengelder angewiesen, die zuletzt immer weniger wurden. „ Ich bin gesund und fit, und das Leben hat es sehr gut mit mir gemeint. Daher möchte ich einfach etwas zurückgeben“, sagte Schrowange in einem Interview mit dem „ Mallorca Magazin“.
Der „ Mallorca Zeitung“erzählte sie, dass sie schon als 17-Jährige angefangen habe, sich um ihre Altersvorsorge zu kümmern. 40 Paten betreuen heute die Notfälle. „ Das sind meist Rentner, die aus Deutschland und der Schweiz stammen“, sagt Werner. Im Laufe der Zeit sind aus den Ehrenamtlichen wahre Experten im Umgang mit der Bürokratie geworden. Zuerst muss geschaut werden, wie die Bedürftigen in eine Krankenversicherung aufgenommen werden können. Die öffentlichen Krankenhäuser auf Mallorca behandeln zwar auch unversicherte Patienten, dann werden aber nur lebenswichtige Maßnahmen ergriffen. „ Bei einem Herzinfarkt wird die Person zwar ruhiggestellt, aber kein Stent gesetzt, der das Risiko einer weiteren Attacke mindern würde“, beschreibt Werner. So bleibt als letzter Ausweg meist nur die Rückkehr nach Deutschland. „ Die Sozialämter haben zwar Notfallprogramme, es ist aber nicht gesetzlich geregelt“, sagt Werner. Die „ Herztat“-Paten kontaktieren die Ämter, wo die Rentner zuletzt in Deutschland gemeldet waren oder wo Familienangehörige leben, und kämpfen darum, dass die Bedürftigen wieder in das System aufgenommen werden. Die Stiftung zahlt dann den Rückflug und Umzugskosten. „ Die betragen in der Regel 500 Euro“, sagt Werner.
Folgenschwere Fehler: In der Heimat alle Zelte abbrechen, aber sich in Spanien nicht anmelden