Saturn soll sauber bleiben
Der Sternenhimmel im Mai – Astronomie. Raumfahrt. Kosmos.
Ein 650 Meter großer Asteroid rast knapp an der Erde vorbei. Das war der Titel einer deutschen Tageszeitung am 20. April. Es geschah am Tag vorher, wie vorausgesagt um 14.24 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit. Das Objekt von der Größe der höchsten Wolkenkratzer kam der Erde nach Berechnungen der NASA bis auf 1,8 Millionen Kilometer nahe, weniger als die fünffache Mondentfernung. Nach diesem Maßstab pflegt die Fachwelt inzwischen diese Asteroiden einzustufen: der Mond ist rund 384.000 km entfernt.
16.000 erdnahe Objekte
Die Bahn des Asteroiden „2014 JO25“, so seine Registriernummer seit der Entdeckung vor drei Jahren, war von Astronomen so exakt berechnet worden, dass die Kollisionsgefahr mit der Erde rechtzeitig ausgeschlossen werden konnte. So sind die Bahnen Hunderter Asteroiden vom internationalen Überwachungsnetzwerk listenmäßig erfasst.
Rund 16.000 erdnahe Objekte sind da registriert; von ihnen stuft die NASA knapp 1.800 Asteroiden als „potenziell gefährlich“ein. Manchmal taucht aber plötzlich ein Irrläufer wie aus dem Nichts auf, wie vor knapp 20 Jahren, als die Astronomen sogar die US-Regierung warnen mussten vor einem unbekannten Objekt, das die Erde gefährlich nahe passierte.
Immer wieder gibt es besorgte Fragen, was denn gegen einen Asteroiden auf Kollisionskurs mit der Erde („Erdbahnkreuzer“) getan werden könne. Die Antwort könnten Atomraketen sein, entweder um das Objekt weit draußen im Weltraum zu zersplittern oder um es von der für die Erde riskanten Bahn abzulenken. Offiziell dringt von Notfallplänen dieser Art nichts an die Öffentlichkeit. Aber gearbeitet wird sicher daran.
Weltall unter Beobachtung
Jedenfalls wurde das System des Aufspürens und der Überwachung von Asteroiden international immer besser organisiert. Heute spannt sich ein Netz von Teleskopen über alle Kontinente, deren Daten und Messungen ständig abgeglichen werden. Es ist vergleichbar mit den Sternwarten und Observatorien, die nun schon seit über 20 Jahren auf der Suche nach Planeten außerhalb unseres Sonnensystems sind, den „extrasolaren“oder kurz „Exoplaneten“. Der Himmel im Mai um Mitternacht. Orientierungslinien beim Frühlingsdreieck und beim Großen Wagen. Der Planet Jupiter in der Jungfrau. Beim Blick nach Norden: Karte umdrehen.
Die neueste Nachricht zu diesem spannenden Thema kam in der letzten Aprilwoche. Demnach könnte die Suche nach außerirdischem Leben auf Exoplaneten bald in eine neue, entscheidende Phase treten. Ein internationales Forscherteam hat in der unmittelbaren kosmischen Nachbarschaft des Sonnensystems einen weiteren Planeten entdeckt, der einen Zwergstern in dessen „habitabler Zone“umkreist, worunter der Raum verstanden wird, wo sich auf Planeten Voraussetzungen für das Entstehen organischen Lebens finden.
Neue „Supererde“
Der Planet ist etwa anderthalb Mal so groß wie die Erde und besitzt deren siebenfache Masse. Er bekam die Katalogbezeichnung LHS 1140b. Untersucht haben ihn Wissenschaftler vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics im amerikanischen Cambridge. Sie halten ihn für einen Gesteinsplaneten mit einem Eisenkern und nennen ihn eine „Supererde“. Er umkreist seinen Zentralstern, einen kühlen Roten Zwerg – eine spezielle Sternkategorie kleiner als die Sonne- , auf einer sehr engen Umlaufbahn alle 25 Tage. Das lässt auf eine extrem hohe Bahngeschwindigkeit schließen. Der Planet bezieht vom Zentralstern gerade soviel Energie, dass sich flüssiges Wasser auf der Oberfläche bilden kann.
„Das ist der aufregendste Exoplanet, den ich in den vergangenen zehn Jahren gesehen habe“, erklärte Jason Dittmann, Mitglied des Entdeckerteams. „Wir können kaum auf ein noch besseres Objekt hoffen, um eine der größten Fragen der Wissenschaft zu beantworten – die Frage nach Leben außerhalb der Erde.“
So euphorisch haben sich bisher kaum Forscher geäußert, die an der weltweiten Suche nach der „zweiten Erde“beteiligt sind. Dittmann und seine Kollegen arbeiten mit einer aus acht 40 ZentimeterTeleskopen kombinierten Beobachtungseinheit auf dem Cerro Tololo in den chilenischen Anden, wo auch die Riesenteleskope der Europäischen Südsternwarte ESO wegen der Klarheit der Atmosphäre betrieben werden.
Die ESO-Forscher haben mehrere erdgroße Exoplaneten entdeckt, die den rund 40 Lichtjahre entfernten Stern Trappist-1 umkreisen. Die Amerikaner überwachen mit ihrer Teleskopbatterie regelmäßig eine Zone mit mehreren Tausend Zwergsternen im Umkreis von 100 Lichtjahren. Die Astronomen denken auf mehreren Wegen zum Ziel zu kommen. Wer irgendwann das Beweisfoto von Exoplaneten vorlegen kann, ist noch absolut offen.
In der letzten Aprilwoche beginnt die finale Phase der erfolgreichen Raumfahrtmission Cassini-Huygens. Der Saturnsonde Cassini, die seit sage und schreibe 13 Jahren den Ringplaneten umkreiste und erforschte, geht der Treibstoff aus. Sie war vor ihrer Ankunft am
Kompliziertes Manöver
Ehe Cassini der Treibstoff endgültig ausgeht, will die NASA das Raumschiff noch auf waghalsige Kurse lenken. Zum ersten Mal soll der Raum zwischen der Oberfläche des Gasplaneten und der Kante des inneren Rings durchkreuzt werden. Die Lücke ist nur knapp 2.400 Kilometer breit, und das Risiko einer Kollision mit den zahllosen Eisund Gesteinstücken, die den Ring bilden, ist beträchtlich.
Außerdem brauchen die Steuersignale zu dem etwa zwei Milliarden Kilometer entfernten Saturn neunzig Minuten. Die Forscher wollen endlich wissen, wie die Ringe, über die seit Jahrhunderten gerätselt wird, wirklich beschaffen sind.
Insgesamt 22 Mal soll die Sonde, die so groß ist wie ein Kleinbus, das Ringsystem kreuzen, das aus Tausenden Ringen besteht. Sie sind im Durchschnitt zehn Meter dick, aber mit den äußeren Teilen erstreckt es sich etwa eine Million Kilometer in den Raum.
Sonde zum Absturz bringen
Am 15. September will die NASA die Sonde zum Absturz bringen, im Gasball des Saturn. Es soll keine Trümmer durch Selbstauflösung geben, damit keiner der 62 Monde und der zahllosen Ringe durch irdische Partikel kontaminiert wird. Saturn soll sauber bleiben. Es gibt viel zu entdecken.
Erforscht werden soll, ob der Ozean auf dem Mond Enceladus lebensfreundliche hydrothermale Quellen verbirgt, wie auf der Erde die „Schwarzen Raucher“, Vulkane der Tiefsee, die Leben entwickeln. Auf dem Mond Titan sind die riesigen Methanvorkommen ein Forschungsfeld, das die Raumfahrt herausfordert.
Der Saturn ist jetzt um Mitternacht sichtbar, über dem Südhorizont, wo er sich zwischen dem Skorpion und dem Schützen be- wegt – nur sehr langsam, denn er braucht für den Weg um die Sonne 30 Jahre. Heller strahlt am Südhimmel Jupiter, der sich weiter in der Jungfrau bewegt. Er dominiert das Frühlingsdreieck, das von der Spica in der Jungfrau, dem Regulus im Löwen und Arktur im Bootes gebildet wird. Der Jahreszeit gemäß, bewegt sich der Große Wagen immer höher zum Zenit. Friedrich Kassebeer ist deutscher Journalist und Hobbyastronom.