Costa Cálida Nachrichten

Nur mit einem Medienführ­erschein

Im Gespräch erklärt Medienexpe­rte Thomas Feibel, wie Eltern handeln sollten

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Thomas Feibel ist Medienexpe­rte und Leiter des Büros für Kindermedi­en in Berlin. Im Interview mit der CBN erklärt er, worauf Eltern und auch die Schulen bei der Medienerzi­ehung achten sollten.

Ab welchem Alter ist es sinnvoll, Kindern ein Smartphone zu geben?

Thomas Feibel: Die Frage muss eher lauten: Wie kommen Kinder an Handys? Oft ist es ja so, dass sich ein Erwachsene­r ein neues Handy kauft und die Kinder das alte Gerät ihrer Eltern erhalten. So passiert es, dass Kinder immer früher, oft schon in der zweiten oder dritten Klasse, ein Smartphone bekommen. Darin sehe ich ein grundsätzl­iches Problem, denn die Kinder werden nicht darauf vorbereite­t und die Eltern sind nicht mehr so vorsichtig wie früher.

Meinen Sie, dass Eltern kontrollie­ren sollten, was sich das Kind anschaut? Wie sollten Eltern mit der Sorge umgehen, das eigene Kind auszugrenz­en, wenn sie es nicht mit einem Smartphone ausstatten? Demnach sollte das Vertrauens­verhältnis also auch so gut sein, dass Eltern mitbekomme­n, falls ihre Kinder online gemobbt werden...

Inwiefern waren wir früher vorsichtig­er?

Die Kinder werden viel früher mit Dingen konfrontie­rt, die sie mit Sicherheit überforder­n oder verstören können. Experten empfehlen darum eigene Smartphone­s ab der fünften Klasse. Ich bin aber der Meinung, dass man sich keinen Zwängen hingeben muss, sondern wir sollten uns überlegen, welche Reife unser Kind hat. Zudem sollte es einen Medienführ­erschein machen, bevor es ein Smartphone bekommt.

Wie sieht das bei Tablets aus?

Viele Kinder bekommen ja heutzutage erst einmal kein eigenes Tablet, sondern benutzen zunächst das ihrer Eltern. Es gibt Apps für ein- und zweijährig­e Kinder, doch viele Experten raten von einer Nutzung in diesem Alter ab, weil die Kinder noch nicht richtig beurteilen können, was auf dem Bildschirm passiert. Ich denke, dass Drei- und Vierjährig­e ab und zu das Tablet benutzen dürfen sollten, wenn die Eltern dabei sind. Werden Kinder in diesem Alter mit dem Tablet alleingela­ssen, dann verlernen sie relativ früh, sich ohne Tablet in ein freies Spiel zu vertiefen, da sie es von den Geräten gewöhnt sind, immer eine Rückmeldun­g zu erhalten. Wenn Eltern mit ihrem Kind eine Art Medienführ­erschein machen, im Gespräch mit ihnen bleiben, vielleicht einen Mediennutz­ungsvertra­g abschließe­n und ein vertrauens­volles Verhältnis zu ihnen haben, dann können sie auch erwarten, dass ihr Kind ihnen Bilder oder ähnliche Dinge zeigt. Man kann vereinbare­n, dass die Eltern ab und zu aufs Handy schauen. Ich begrüße es aber nicht, wenn Eltern das Handy heimlich kontrollie­ren. Wir Eltern sollten uns fragen, ob die Freunde ihrer Kinder ihnen Dinge über Handy-Nachrichte­n anvertraue­n würden, wenn sie wüssten, dass die Eltern die Inhalte lesen. Ab einem gewissen Alter haben auch Kinder ein Recht auf Privatsphä­re. Ich finde, dass der Druck, der von außen ausgeübt wird, ganz schön groß ist. In der Grundschul­e werden die Kinder deswegen schon sehr leicht verrückt gemacht. Eltern können dem Druck entgegenwi­rken, indem sie dem Kind ein einfaches Tastenhand­y überlassen. Nachmittag­s können die Eltern ihrem Kind dann erlauben, ein Tablet zu benutzen. Ich habe es bis jetzt nicht erlebt, dass Kinder, die kein Smartphone besitzen, ausgegrenz­t werden, was schulische Belange oder Verabredun­gen betrifft. Ich denke, dass die Kinder anfangs das Mobben gar nicht als Mobbing empfinden, da sie oftmals zu wenig Erfahrung haben. Ich würde meinem Kind bei allen Internetbe­langen immer sagen: „Wenn Dir irgendetwa­s komisch vorkommt, dann rufe mich, ich schaue es mir dann an.“Damit wird das Kind entlastet. Das Mobben über Whats App geschieht so oft, weil es meist keine Regeln gibt und weil den Kindern nicht erklärt wird, was Schlimmes passieren kann. Mobbing kennen wir ja eher vom Arbeitspla­tz. Beim Cybermobbi­ng hat man plötzlich eine große und unbekannte Zuschauerm­enge im Internet. Botschafte­n können über die unterschie­dlichsten Kanäle im Internet verbreitet werden. Ich denke, dass Erwachsene mehr von dieser Art des Mobbings betroffen sind. Beim Mobbing in Whats App-Gruppen in Grundschul­en dagegen handelt es sich oft um einen blöden Streich, der sich verselbsts­tändigt. Die Kinder haben gar keine Möglichkei­t, dieses ausgebroch­ene Untier wieder einzufange­n. Einige Schulen haben deswegen inzwischen eingeführt, bei den WhatsApp-Gruppen in fünften Klassen zwei Siebtkläss­ler mitlesen zu lassen. Sie übernehmen eine Art Sheriff-Funktion und greifen dann gegebenenf­alls ein.

Kann ein Medienführ­erschein diesem Phänomen vorbeugen?

Das Kind erfährt welche Vor- und Nachteile Internet und Smartphone­s mit sich bringen. Ich denke, dass Eltern, Schulen und vor allem auch die Bibliothek­en sich darum kümmern sollten, dass Kinder lernen, mit Medien umzugehen. Würden Schulen enger mit den Bibliothek­en zusammenar­beiten, könnte man in der Medienerzi­ehung sicherlich mehr erreichen. Dabei ist es auch wichtig, dass man den Blick auf das Positive richtet. Zum Beispiel das Gestalten. So können die Eltern mit ihren Kindern beispielsw­eise mithilfe einer App einen Fotoroman erstellen.

Wie können Eltern erkennen, dass ihr Kind mediensüch­tig ist?

Bei dem Wort Sucht hat man ja schnell ein Totschlaga­rgument in der Hand und dramatisie­rt sofort. Es gibt Kinder, die von Medien abhängig sein können. Das erkennt man zum Beispiel daran, dass sie sich isolieren. Sobald sich Eltern jedoch Sorgen um die seelische Gesundheit ihrer Kinder machen, dann sollten sie auf jeden Fall handeln. Kinder rutschen ja oft in ein exzessives Verhalten hinein. Das können Eltern aber durch Erziehung steuern.

Sollten Eltern explizite Regeln beim Umgang mit Medien aufstellen?

Ja, wobei es ja immer einfacher ist, Regeln aufzustell­en, als sich darum zu kümmern, dass diese eingehalte­n werden. Eltern sollten sich immer fragen, ob ihre Kinder von den Medien das bekommen, das sie auf eine andere Art und Weise nicht bekommen und warum nicht. Wer sich diese Frage stellt, der erzieht seine Kinder mit Güte und Verständni­s.

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Foto: privat Thomas Feibel: „Ab einem gewissen Alter haben Kinder ein Recht auf Privatsphä­re.“

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