Herr der sieben Schalen
Heil- und Gewürzpflanze Knoblauch – besonders intensiv im Geschmack trotz kleiner Dosen
„Die spanische Küche ist voll von Knoblauch und religiösen Vorurteilen“, schrieb der galicische Schriftsteller und Gourmet Julio Camba. Das war zwar vor rund 75 Jahren, doch zumindest die unbarmherzige Analyse der iberischen Essgewohnheiten gilt noch immer: Spanien riecht nach Knoblauch. Und nach Olivenöl. Spanien, das klingt nach Sopa de ajo und Ajo blanco, nach Alioli und Pollo al ajillo.
Knoblauch ist eine Pflanze – eher ein Gewürz – mit langer Vergangenheit, und heutzutage in aller Welt zu Hause. Die Franzosen zollten ihm Respekt und nannten die scharfe Knolle „Herr der sieben Schalen“. Wie man weiß, wären die Pyramiden ohne die tägliche Ration für die Arbeiter nie fertig gestellt worden. In Europa, und da vor allem im Mittelmeerraum, verbreiteten römische Soldaten den Knoblauch. Nach Amerika gelangte er mit den Seefahrern. Chicago beispielsweise, das von den Indianern der Region „cigaga“genannt wurde, steht für „Erde des Knob- lauchs“. Und just dieses Nahrungs- mittel hielt die Eroberer der Neuen Welt über Wasser. Der Ort Gilroy etwa, nicht weit von San Francisco in Kalifornien, rühmt sich, die Knoblauchhauptstadt der Welt zu sein. Wahr ist, die Gegend ist der größte Knoblauchproduzent der USA, was man zur Erntezeit unschwer riechen kann.
Den hinduistischen Brahmanen wiederum war es verboten, Knoblauch zu essen, denn nach einer Legende war der Knoblauch aus dem Fleisch und Blut eines Heiligen entstanden, der Heilkräuter sammelte, damit sie der Menschheit zugute kamen. Am Ende wurde er von seinen Feinden geköpft.
In nördlicheren Ländern wurde Knoblauch eher spärlich verwendet – der Ruf als Allheilmittel ging zugunsten seiner angeblich mythischen Kraft unter. Eine Kraft, die sich etwa darin äußerte, dass man die Toten mit einer Knolle Knoblauch im Mund beerdigte, um sie vor bösen Mächten zu schützen.
Dem Knoblauch wird zweifellos Macht zugesprochen – die er mit anderen Pflanzen aus der Familie der Lauchgewächse teilt. Doch überragt er ganz offensichtlich seine nächsten Verwandten. Zwiebel, Lauch, Schalotten und
Co. besitzen längst nicht den „lan- gen Atem“, den er verströmt. Be- zeichnend das Graffiti, aufgesprüht auf einen Wagen der New Yorker Metro: „Einen Dollar für ein Ti- cket. Eine Knoblauchzehe für ei- nen Sitzplatz.“
Wir sehen, Allium sativum spaltet die Menschheit von jeher in zwei Lager: in Knoblauchfreunde und Knoblauchfeinde. Schon in der Antike galt es als unfein, nach Knoblauch zu riechen, was besagt, dass er wahrscheinlich billig war und als Nahrungsmittel der Armen galt. Wer aber im Süden lebt, lernt den Knofel zu schätzen, denn es gibt Gerichte, die das würzige Aroma geradezu herausfordern: kein Lamm, keine Paella, keine Fischsuppe ohne Knoblauch.
Knoblauchsorten
=Ajo tierno ist Knoblauch, der sich bei der Ernte noch in der Entwicklung befindet. Er sieht aus wie die Miniaturausgabe einer Lauchstange, die Knolle ist noch nicht in Zehen unterteilt. Bundweise verkauft, riecht er schon recht ausgeprägt. Verwendet wird der für die Küste typische Ajo tierno in Eierspeisen wie Tortilla und Rührei, in Salaten und Schmorgerichten, oft wird er auch als Gemüse eingesetzt.
Weiterhin unterscheidet man jungen frischen Knoblauch, getrockneten weißen und rosa Knoblauch
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sowie geräucherten Knoblauch. Als erstes kommt der junge frische Knoblauch mit weicher Haut und wenig Schärfe im Frühjahr auf den Markt. Erst durch Trocknen bekommen die Knollen ihre pergamentartige Schale, die sie lange haltbar macht.
Der große Ajo blanco, weißer Knoblauch, ist der gängigste getrocknete Knoblauch auf dem Markt mit kräftigem Geschmack und angenehmer Schärfe.
Ajo rosado wird in Spanien und Frankreich kultiviert und ist kleiner als der weiße. Mit seinem milden Aroma ist er eher in der feinen Küche zu finden.
Geräuchert wurde Knoblauch ursprünglich, um seine Haltbarkeit zu verlängern. Mit seinem leichten Rauchton passt der Ajo morado
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zu den rustikalen Gerichten, die länger geschmort werden.
Der richtige Einkauf
Der junge Knoblauch hat eine zarte Haut, die Zehen sind saftig, die Trennhäute noch nicht eingetrocknet. Der grüne Stängel mit seiner leichten Schärfe kann mitgegessen werden.
Der getrocknete Knoblauch, der später angeboten wird, ist derber im Geschmack. Beim Einkauf ist darauf zu achten, dass die Knollen prall und unversehrt sind.
Gegen Winter muss man vor allem aufpassen, dass die Zehen noch nicht grün ausgetrieben haben. So ein Knoblauch ist überlagert. Zur Not kann man sich damit behelfen, die grünen Triebe auszuschneiden, aber eigentlich sollte man die Finger von ihm lassen. Besser ist es, auf den geräucherten Knoblauch zurückzugreifen, dem durch das Räuchern die Triebfähigkeit genommen wurde.
Wie man Knoblauch am besten behandelt
Knoblauch entfaltet sein volles Aroma erst, wenn man ihn zerkleinert. In der Mittelmeerküche geschieht das im Mörser, wo er zerdrückt wird. Am schnellsten geht es mit der Knoblauchpresse, die aber von Kennern abgelehnt wird mit dem Argument, dass die Schärfe zu aggressiv werde. Besser ist es, Knoblauch zu schälen und fein zu hacken oder ihn mit Salz zu bestreuen und mit dem Messerrücken platt zu drücken.
Auf jeden Fall muss Knoblauch in zerkleinertem Zustand sofort weiterverarbeitet werden, sonst bekommt das ihm eigene ätherische Öl einen unangenehmen Schwefelgeschmack.
Knoblauch darf mitkochen. So verliert er seine Schärfe und bekommt ein wundervolles Aroma. Brät man ihn allerdings zu scharf an, wird er bitter.
Konservierung
Junge frische Knollen vom Frühsommer haben das beste Aroma, das man durch Konservieren bis in den Winter bewahren kann.
Knoblauchpaste: Vier junge Knoblauchknollen im Ofen bei 200 Grad eine halbe Stunde backen. Das Innere ausdrücken, mit Salz und 100 ml Olivenöl mixen. Im Schraubglas mit Twist-off-Deckel hält sich die Paste mehrere Monate.
Gebratener Knoblauch: Zehen in gewünschte Form schneiden (Scheiben, Stifte oder Würfelchen) und auf kleinem Feuer in Öl goldbraun braten. Auf Küchenrolle abtropfen lassen und in ein Glas füllen. Hält sich mehrere Wochen. Zu Salaten oder Gemüsesuppen.
Knoblauchöl: Zehn bis zwölf Knoblauchzehen in eine hübsche Flasche füllen und mit feinstem Olivenöl bedecken. Ziehen lassen, bis das Öl das Knoblaucharoma angenommen hat. Zehen entfernen und das Knoblauchöl im Kühlschrank aufbewahren. Tipp: Für eine Knoblauchmayonnaise die Knoblauchzehen ein paar Tage in gutes Pflanzenöl einlegen und mit diesem Öl die Mayonnaise rühren. Mit Olivenöl wird sie meist zu kräftig.
Knoblauchessig: Zwölf geschälte Knoblauchzehen, fünf Thymianzweige, ein Rosmarinzweig, zwei rote Chilischoten und ein bis zwei Lorbeerblätter in eine Flasche füllen und mit einem halben Liter Weißweinessig bedecken. Gut verschlossen hält sich der Essig unbegrenzt.
= = = = Ein Huhn mit 40 Knoblauchzehen
Um den Duft von Knoblauch zu entschärfen, werden oft die ganzen Zehen mit Schale geschmort oder es wird einfach – nur zum Parfümieren – das obere Drittel einer kompletten Knolle abgeschnitten und der Knoblauch, so wie er ist, etwa in ein Reisgericht gesteckt. Die Schalen schrumpeln ein, und das breiige Innere lässt sich mühelos herauslutschen. Auch ein, zwei ganze Knoblauchzehen in der Fritteuse machen sich gut, geben sie doch sogar Pommes frites ein ganz spezielles Aroma.
Nicht anders beim Huhn mit 40 Knoblauchzehen, vermutlich eine französische Erfindung, die erst mal abschreckt: Ein Huhn wird gewürzt und mit Thymian und Rosmarin, ein bisschen Petersilie und vier Knoblauchzehen in der Schale gefüllt. Die restlichen 36 Zehen werden ebenfalls mit Schale um das Huhn herumgelegt, weitere Kräuterzweige können nicht schaden. Nun wird das Huhn mit Öl bestrichen, mit Alufolie bedeckt und in den 200 Grad heißen Ofen geschoben. Eine Dreiviertelstunde, eine Stunde, das kommt auf das Gewicht des Geflügels an und – wie immer – auf den Backofen.
Wenn es gar ist, wird der Bratsatz mit etwas Weißwein abgelöscht und das Huhn mit der Sauce, geröstetem Bauernbrot und der Knoblauchcreme, in die sich die 36 Knoblauchzehen verwandelt haben, serviert. Das lässt Knoblauch ganz gewiss in einem anderen Licht erscheinen.
Im Folgenden nun ein paar der beliebtesten Gerichte aus der Knoblauchküche. Zu beachten ist, dass die Portionen ein bisschen knapp, quasi als Tapas, berechnet sind.
Pollo al ajillo
Für 4 Pers.: 10 Knoblauchzehen mit Schale (dientes de ajo), 1/4 Tasse Olivenöl virgen extra, 12 Hühnerflügel (alitas de pollo) oder klein gehackte Keulen (muslos), 3 frische Thymianzweige (tomillo), 1 Lorbeerblatt (laurel), 1/4 Tasse Manzanilla (Sherry), 1/4 Tasse Hühnerbrühe (caldo de pollo), Salz (sal), schwarzer Pfeffer (pimienta negra)
Die Knoblauchzehen auf ein Brett geben und mit dem Messerrücken platt drücken.
Öl in einer großen Pfanne auf mittlerem Feuer erhitzen, Knoblauch zufügen und drei bis vier Minuten anschwitzen, bis er leicht gebräunt ist.
Hühnerflügel zugeben und von allen Seiten anbraten; das dauert etwa fünf Minuten. Den Thymian dazutun sowie das Lorbeerblatt und den Sherry. Alles gut verrühren und bei kleiner Hitze eine Minute köcheln. Dann die Hühnerbrühe zugießen und alles zusammen noch ein wenig weitergaren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Tipp: Man könnte auch noch ein paar frische oder getrocknete Pilze dazugeben, das verleiht dem Klassiker eine ganz andere Dimension.
Knoblauchsuppe
„Iss weder Knoblauch noch Zwiebeln, damit die Leute nicht am Geruch deine niedrige Herkunft erkennen.“Dies riet Don Quijote seinem Knappen Sancho Panza. Doch was könnte spanischer sein als eine Scheibe Brot mit Knoblauch und Salz, begossen mit Olivenöl. Zutaten auch für eines der ältesten Gerichte – die beliebte
Knoblauchsuppe: Sopa de ajo.
Für 4 Pers.: 3 EL Olivenöl virgen extra, 6 Knoblauchzehen (ajo, geschält und in feine Scheiben geschnitten), 2 EL Weißwein (vino blanco), 1/2 EL Paprikapulver, 100 g Bauernbrot (pan de pueblo, ohne Kruste und mit der Hand in Stücke zerteilt), 1 l Hühnerbrühe (caldo de pollo), 2 große zerschlagene Eier (huevos), Salz, 1 EL gehackte Petersilie (perejil)
In einem mittelgroßen Topf auf mittlerem Feuer das Öl erhitzen. Knoblauch zufügen und anschwitzen, bis er Farbe nimmt (ca. eine Minute). Den Wein angießen, das Ganze köcheln, bis der Alkohol verdampft ist. Anschließend Paprika zugeben und eine Minute mit anschwitzen.
Das Brot dazugeben und die Brühe angießen. Umrühren, und wenn es zu kochen beginnt, die Hitze auf Minimum stellen und die Suppe etwa acht Minuten köcheln.
Die geschlagenen Eier hineingeben, umrühren, damit sie sich mit der Suppe vermischen. Das Ei wird Fäden bilden und fast wie Nudeln aussehen. Ein paar Minuten auf kleinem Feuer weitergaren, dann mit Salz abschmecken. Mit Petersilie bestreut servieren. Tipp: Die Suppe kann man auch – wie im Original – mit Wasser zubereiten. Aber natürlich wird sie mit Brühe besser. Anstatt die Eier geschlagen der köchelnden Suppe zuzufügen, kann man auch pro Person ein Ei hineinschlagen und sie auf kleinem Feuer etwa zwei, drei Minuten pochieren – dabei werden sie nicht angerührt.
Ajo blanco aus Málaga
Die kalte Suppe Ajo blanco ist ein Vorfahr des berühmten Gazpacho. Die Zutaten sprechen für sich: Eine Kombination aus Wasser, Brot und Knoblauch war die typische Mahlzeit, mit der sich die armen Landarbeiter unter der Sonne Spaniens ernährten. Später brachten die Araber Mandeln, die Nährwert und Geschmack der Suppe erhöhten. Der Gazpacho allerdings musste bis zur Entdeckung der Neuen Welt warten.
Für 4 Pers.: 200 g abgezogene Mandeln (almendras), 1 geschälte Knoblauchzehe, 3 Tassen Mineralwasser (agua mineral), 100 g Weißbrot (pan blanco, von Hand in kleine Stücke zerteilt), 1/2 Tasse Olivenöl virgen extra und etwas mehr zur Begleitung), 2 EL Sherryessig (vinagre de Jerez), ein kleiner TL Salz, 16 Trauben (uvas, blaue und weiße, ohne Haut und Kerne)
In einem mittelgroßen Topf eine Tasse Wasser mit den Mandeln und dem Knoblauch erhitzen. Wenn das Wasser kocht, wegschütten.