In Amphoren gereifter Wein
Am Alt de Benimaquia in La Xara liegen die Zeugnisse von Spaniens ältester Kellerei – Weingut nutzt sie als Inspiration
Nur eine leichte Abflachung auf dem Gipfel des Montgó-Ausläufers Punta de Benimaquía verrät es: Auf diesem Hügel befinden sich die archäologischen Zeugnisse der ältesten Kelterei Spaniens. Der schmale Pfad zu dieser Ausgrabungsstätte windet sich den steilen Hang des Montgó hinauf, der Duft unzähliger Rosmarin- und Thymiansträucher vermischt sich mit dem kühlen Morgendunst, der aus dem Tal aufsteigt. Die Wandergruppe hält immer wieder an, um den Ausblick zu genießen: weiße Landhäuser zwischen Orangenplantagen bis zum fernen Horizont, wo sich die Silhouetten von vier Gebirgszügen überlappen.
Nach rund 40 Minuten kündigt Führer Jaume Sau an: „Nun geht es noch wenige Meter querfeldein, dann sind wir da.“Durch niedrige
Büsche und über Felsen kämpfen sich die Exkursionsteilnehmer zum Gipfel des Montgó-Ausläufers und da liegt sie: Die Iberersiedlung Alto de Benimaquia.
Oder jedenfalls das, was davon übrig ist. Auf einer flachen Stelle steht neben Steinen und Gestrüpp nur ein Steinwall. Das Schönste an diesem historischen Ort ist sicher erst einmal der Blick auf das Meer und Dénia mit seiner Burg. „Etwas Phantasie braucht man natürlich schon“, räumt Jaume Sau ein und verteilt ein 36-seitiges Infoheft mit vielen Zeichnungen und Fotos. „Aber Sie werden schon sehen, wie Ihnen bald alles klar wird.“
Die Iberersiedlung sei eine Festung aus dem Jahr 625 vor Christus gewesen, mit dicken, bezinnten Mauern und mindestens sechs Türmen. Auf den rund 350 Quadratmetern standen in langen Reihen rechteckige Baracken, die verschiedenen Zwecken dienten. „Eine Überraschung brachte vor allem der Raum vier“, berichtet der Experte. „Dort fanden wir Becken, in denen Trauben getreten wurden.“
War die Siedlung also eher eine Produktionsstätte – eine Weinkelterei? „Alles deutet darauf hin“, sagt Jaume Sau. „Und dann wäre es die Älteste auf der Iberischen Halbinsel. Wir haben Kerne von Trauben entdeckt, die von Weinbauern gezüchtet worden waren. Wir haben große Amphoren gefunden, die belegen, dass der Wein an weit entfernte Orte transportiert werden sollte. Und die Festung besteht weitgehend aus Produktions- und Lagerräumen.“
Aber wo ist dann das Ibererdorf, das zu der Kelterei gehört? „Auch auf dem Montgó, unweit von hier am Coll de Pous“, verrät der Museumsführer. „Wir wussten bereits, dass
diese Siedlung existierte, doch wir dachten, dass sie älter und nur klein ist, bis ein Feuer vor ein paar Jahren einen neuen Teil freilegte.“Die Forschung sei in vollem Gang und werde wahrscheinlich noch viele Überraschungen bringen.
Wein nach uralter Art
Wie kann man sich die Weinproduktion vor fast 2.700 Jahren auf dem Montgó vorstellen? Die Antwort findet man nur wenige Kilometer weiter in der Kellerei Les Freses in Jesús Pobre. Dort reift Winzerin Mara Baño den Wein Ámfora sieben Monate lang in bauchigen Tongefäßen, wie das bei den Iberern Brauch war.
„Unsere Amphoren kommen aus einer Töpferwerkstatt in der nordkatalanischen Weinregion Penedes“, berichtet sie. „Carles Llarch stellt sie her, einer von drei Spezialisten auf dem Gebiet in ganz Spanien.“
Die Tongefäße der Iberer auf dem Alt de Benimaquia (Foto rechts) waren denen der Phönizier nachempfunden, wurden aber vor Ort produziert. Die Amphoren in Les Freses wurden 2017 den Fundstücken auf dem Montgó nachempfunden und aus Tonerde aus Jesús Pobre getöpfert. „Und sie werden nach alter Tradition mit Bienenwachs versiegelt“, erklärt Mara Baño.
Beim Keltern und dem Ausbau des Weines lässt sich die Winzerin sowohl von Önologen beraten, die auf dem neusten Stand der Forschung sind, als auch von alten Weinbauern, die aus jahrzehntelanger Erfahrung schöpfen. Der Maische werden keine Zusatzstoffe oder externe Reinzuchthefen zugesetzt. Auf der Haut der Trauben im Weingut Les Freses leben aber Hefestämme, die dafür sorgen, dass der Wein Ámfora jedes Jahr wieder neue komplexe Aromen entfaltet. Es werden nur 1.400 Flaschen jährlich hergestellt, die hauptsächlich an die gehobene Gastronomie im Land Valencia gehen.
Vergessene Traubensorte
Ámfora wird aus 100 Prozent Moscatel de Alejandria gekeltert, einer Traube, die im Land Valencia viel Tradition hat und sehr beliebt ist. Auf Les Freses werden aber auch alte, fast vergessene Rebsorten angebaut, wie die Forcallà-Traube.
„Sie ergibt einen hellen Wein mit niedrigerem Alkoholgrad“, berichtet Mara Baño. Früher sei der Weinpreis oft nach dem Alkoholgehalt festgelegt worden, deshalb habe man diese Traube schließlich kaum mehr angebaut.
„Doch ich finde, ein leichter Wein passt gut zu unserer mediterranen Gastronomie, die ja viel leichter ist, als zum Beispiel die in Nordspanien“, sagt sie. „Und die jungen Leute ziehen leichtere Weine vor, sie passen besser zu unserem modernen Leben.“Deshalb keltert die Winzerin aus der Forcallà-Traube den frischen, cremigen Wein Xiulit (Pfeifchen), der guten Absatz findet.
Doch generell gehen die Geschäfte nicht so gut. „Der Weinbauer darf nicht auf schnellen Gewinn hoffen. Ich bin jetzt seit elf Jahren dabei und kam gerade aus den roten Zahlen“, berichtet Mara Baño. Doch die Corona-Krise hat die langsame aber stetige Aufwärtstendenz ruiniert, weil die meisten Weine an Restaurants gingen, die jetzt ganz geschlossen sind oder viel weniger Gäste haben. „Ich hatte sonst immer jedes Jahr rund einen halben Hektar neu angebaut, das muss dieses Jahr ausfallen“, klagt die Winzerin.
Guten Erfolg hätten dagegen ihre Aktivitäten im Rahmen des Weintourismus gehabt: KellereiBesichtigungen mit Weinprobe sowie Folk-Konzerte im Juni. „Das Thema Gastronomie und Wein liegt ja sehr im Trend und wir sind die einzige Kellerei hier in der Gegend, die so etwas anbietet.“
Auch die Ernte sei sehr gut gewesen, weil die SeptemberUnwetter ausfielen. „Die längste Ernte meines Lebens“, meint sie. „Die weißen Trauben waren schon am 3. August reif, weil das Frühjahr sehr warm war. Die roten dagegen reiften extrem spät, weil es im Sommer nicht ganz so heiß wie sonst war. Wir haben diesmal bis zum 23. September geerntet.“
Stolz auf Heimat
Dass die Spanierin sich von dem Ibererdorf unweit ihres Weingutes zu dem Wein Ámphora inspirieren ließ, hat nicht nur marketingtechnische Gründe. Sie ist auch stolz auf die lange Geschichte des Weinbaus in ihrer Heimat.
„Ich musste in der Schule die großen Flüsse der Welt auswendig lernen, aber von unserem Ibererdorf habe ich erst erfahren, als ich schon lange erwachsen war“, meint Mara Baño nachdenklich. „Wir würdigen unser kulturelles Erbe viel zu wenig.“
Sehr gute Ernte, doch sehr schlechter Absatz