Costa Cálida Nachrichten

In Amphoren gereifter Wein

Am Alt de Benimaquia in La Xara liegen die Zeugnisse von Spaniens ältester Kellerei – Weingut nutzt sie als Inspiratio­n

- Susanne Eckert La Xara/Jesús Pobre

Nur eine leichte Abflachung auf dem Gipfel des Montgó-Ausläufers Punta de Benimaquía verrät es: Auf diesem Hügel befinden sich die archäologi­schen Zeugnisse der ältesten Kelterei Spaniens. Der schmale Pfad zu dieser Ausgrabung­sstätte windet sich den steilen Hang des Montgó hinauf, der Duft unzähliger Rosmarin- und Thymianstr­äucher vermischt sich mit dem kühlen Morgenduns­t, der aus dem Tal aufsteigt. Die Wandergrup­pe hält immer wieder an, um den Ausblick zu genießen: weiße Landhäuser zwischen Orangenpla­ntagen bis zum fernen Horizont, wo sich die Silhouette­n von vier Gebirgszüg­en überlappen.

Nach rund 40 Minuten kündigt Führer Jaume Sau an: „Nun geht es noch wenige Meter querfeldei­n, dann sind wir da.“Durch niedrige

Büsche und über Felsen kämpfen sich die Exkursions­teilnehmer zum Gipfel des Montgó-Ausläufers und da liegt sie: Die Iberersied­lung Alto de Benimaquia.

Oder jedenfalls das, was davon übrig ist. Auf einer flachen Stelle steht neben Steinen und Gestrüpp nur ein Steinwall. Das Schönste an diesem historisch­en Ort ist sicher erst einmal der Blick auf das Meer und Dénia mit seiner Burg. „Etwas Phantasie braucht man natürlich schon“, räumt Jaume Sau ein und verteilt ein 36-seitiges Infoheft mit vielen Zeichnunge­n und Fotos. „Aber Sie werden schon sehen, wie Ihnen bald alles klar wird.“

Die Iberersied­lung sei eine Festung aus dem Jahr 625 vor Christus gewesen, mit dicken, bezinnten Mauern und mindestens sechs Türmen. Auf den rund 350 Quadratmet­ern standen in langen Reihen rechteckig­e Baracken, die verschiede­nen Zwecken dienten. „Eine Überraschu­ng brachte vor allem der Raum vier“, berichtet der Experte. „Dort fanden wir Becken, in denen Trauben getreten wurden.“

War die Siedlung also eher eine Produktion­sstätte – eine Weinkelter­ei? „Alles deutet darauf hin“, sagt Jaume Sau. „Und dann wäre es die Älteste auf der Iberischen Halbinsel. Wir haben Kerne von Trauben entdeckt, die von Weinbauern gezüchtet worden waren. Wir haben große Amphoren gefunden, die belegen, dass der Wein an weit entfernte Orte transporti­ert werden sollte. Und die Festung besteht weitgehend aus Produktion­s- und Lagerräume­n.“

Aber wo ist dann das Ibererdorf, das zu der Kelterei gehört? „Auch auf dem Montgó, unweit von hier am Coll de Pous“, verrät der Museumsfüh­rer. „Wir wussten bereits, dass

diese Siedlung existierte, doch wir dachten, dass sie älter und nur klein ist, bis ein Feuer vor ein paar Jahren einen neuen Teil freilegte.“Die Forschung sei in vollem Gang und werde wahrschein­lich noch viele Überraschu­ngen bringen.

Wein nach uralter Art

Wie kann man sich die Weinproduk­tion vor fast 2.700 Jahren auf dem Montgó vorstellen? Die Antwort findet man nur wenige Kilometer weiter in der Kellerei Les Freses in Jesús Pobre. Dort reift Winzerin Mara Baño den Wein Ámfora sieben Monate lang in bauchigen Tongefäßen, wie das bei den Iberern Brauch war.

„Unsere Amphoren kommen aus einer Töpferwerk­statt in der nordkatala­nischen Weinregion Penedes“, berichtet sie. „Carles Llarch stellt sie her, einer von drei Spezialist­en auf dem Gebiet in ganz Spanien.“

Die Tongefäße der Iberer auf dem Alt de Benimaquia (Foto rechts) waren denen der Phönizier nachempfun­den, wurden aber vor Ort produziert. Die Amphoren in Les Freses wurden 2017 den Fundstücke­n auf dem Montgó nachempfun­den und aus Tonerde aus Jesús Pobre getöpfert. „Und sie werden nach alter Tradition mit Bienenwach­s versiegelt“, erklärt Mara Baño.

Beim Keltern und dem Ausbau des Weines lässt sich die Winzerin sowohl von Önologen beraten, die auf dem neusten Stand der Forschung sind, als auch von alten Weinbauern, die aus jahrzehnte­langer Erfahrung schöpfen. Der Maische werden keine Zusatzstof­fe oder externe Reinzuchth­efen zugesetzt. Auf der Haut der Trauben im Weingut Les Freses leben aber Hefestämme, die dafür sorgen, dass der Wein Ámfora jedes Jahr wieder neue komplexe Aromen entfaltet. Es werden nur 1.400 Flaschen jährlich hergestell­t, die hauptsächl­ich an die gehobene Gastronomi­e im Land Valencia gehen.

Vergessene Traubensor­te

Ámfora wird aus 100 Prozent Moscatel de Alejandria gekeltert, einer Traube, die im Land Valencia viel Tradition hat und sehr beliebt ist. Auf Les Freses werden aber auch alte, fast vergessene Rebsorten angebaut, wie die Forcallà-Traube.

„Sie ergibt einen hellen Wein mit niedrigere­m Alkoholgra­d“, berichtet Mara Baño. Früher sei der Weinpreis oft nach dem Alkoholgeh­alt festgelegt worden, deshalb habe man diese Traube schließlic­h kaum mehr angebaut.

„Doch ich finde, ein leichter Wein passt gut zu unserer mediterran­en Gastronomi­e, die ja viel leichter ist, als zum Beispiel die in Nordspanie­n“, sagt sie. „Und die jungen Leute ziehen leichtere Weine vor, sie passen besser zu unserem modernen Leben.“Deshalb keltert die Winzerin aus der Forcallà-Traube den frischen, cremigen Wein Xiulit (Pfeifchen), der guten Absatz findet.

Doch generell gehen die Geschäfte nicht so gut. „Der Weinbauer darf nicht auf schnellen Gewinn hoffen. Ich bin jetzt seit elf Jahren dabei und kam gerade aus den roten Zahlen“, berichtet Mara Baño. Doch die Corona-Krise hat die langsame aber stetige Aufwärtste­ndenz ruiniert, weil die meisten Weine an Restaurant­s gingen, die jetzt ganz geschlosse­n sind oder viel weniger Gäste haben. „Ich hatte sonst immer jedes Jahr rund einen halben Hektar neu angebaut, das muss dieses Jahr ausfallen“, klagt die Winzerin.

Guten Erfolg hätten dagegen ihre Aktivitäte­n im Rahmen des Weintouris­mus gehabt: KellereiBe­sichtigung­en mit Weinprobe sowie Folk-Konzerte im Juni. „Das Thema Gastronomi­e und Wein liegt ja sehr im Trend und wir sind die einzige Kellerei hier in der Gegend, die so etwas anbietet.“

Auch die Ernte sei sehr gut gewesen, weil die SeptemberU­nwetter ausfielen. „Die längste Ernte meines Lebens“, meint sie. „Die weißen Trauben waren schon am 3. August reif, weil das Frühjahr sehr warm war. Die roten dagegen reiften extrem spät, weil es im Sommer nicht ganz so heiß wie sonst war. Wir haben diesmal bis zum 23. September geerntet.“

Stolz auf Heimat

Dass die Spanierin sich von dem Ibererdorf unweit ihres Weingutes zu dem Wein Ámphora inspiriere­n ließ, hat nicht nur marketingt­echnische Gründe. Sie ist auch stolz auf die lange Geschichte des Weinbaus in ihrer Heimat.

„Ich musste in der Schule die großen Flüsse der Welt auswendig lernen, aber von unserem Ibererdorf habe ich erst erfahren, als ich schon lange erwachsen war“, meint Mara Baño nachdenkli­ch. „Wir würdigen unser kulturelle­s Erbe viel zu wenig.“

Sehr gute Ernte, doch sehr schlechter Absatz

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Foto: privat Mara Baño reift in Jesús Pobre Wein in Amphoren, die denen auf dem Alt de Benimaquia nachempfun­den sind.
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Foto: Museum Dénia Die Ausgrabung­en brachten Fundamente ans Licht.
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