Ungewollt steuerpflichtig?
Spanisches Finanzamt nutzt den Lockdown, um hier gebliebene Nichtresidenten zu besteuern
Man versucht zu sparen wo es geht. Doch nun hat die spanische Steuerbehörde eine Lücke gefunden, an das Geld der Ausländer zu kommen. Jeder kennt die Regelung: Ist man 183 Tage in einem Land, muss man dort sein Welteinkommen versteuern. Jetzt wo viele Ausländer hier zwangsweise festsaßen, Flüge storniert wurden und man in Kauf nahm, einfach hier zu bleiben und abzuwarten, könnte dies ein böses Erwachen haben. Denn das Finanzamt nutzt den Lockdown, um von den Ausländern, die von der Covid-19-Krise in ihren Zweitwohnsitzen in Spanien überrascht wurden und nicht in ihre Heimatländer zurückkehren konnten, die Steuerzahlung einzufordern.
Entgegen der Empfehlungen der OECD besteht die spanische Steuerverwaltungsbehörde auf der Verpflichtung, dass man sich 183 Tage im Jahr außerhalb Spaniens aufhalten muss, um vom Finanzamt nicht automatisch als steuerlich in Spanien ansässig betrachtet und vom spanischen Fiskus besteuert zu werden.
Die von der Regierung durch die Ausrufung des Alarmzustands verhängten Bewegungseinschränkungen haben dazu geführt, dass diese Personen mit Steuersitz im Ausland im Land festsaßen. Dadurch kann sich bei vielen von ihnen eine lange Aufenthaltsdauer ergeben, die nach Addition mit der Dauer des Alarmzustandes in Verbindung mit dem vorherigen und nachfolgenden Aufenthalt die vorgeschriebenen 183 Tage überschreitet. Viele Nichtresidenten haben sich einiges einfallen lassen, um wieder nach Hause reisen zu können, doch einigen war dies aufgrund des Gesundheitszustandes oder der Mobilität einfach verwehrt.
Zum Beispiel ist bei einem unserer Mandanten eine Verwandte verstorben und er hat eine abenteuerliche Reise gemacht, um zurück in sein Heimatland zu kommen. Wäre er geblieben, hätte er sogar mit einer Erbschaftsbesteuerung rechnen können.
Die Folge der 183-Tage-Regelung ist die sofortige Anwendung des Artikels 9 des spanischen Einkommensteuergesetzes. Dadurch wird ein Nichtresident zum spanischen Steuerzahler. Es fällt die spanische Einkommensteuer (La Renta) auf das gesamte weltweite Einkommen,
ebenso wie Vermögens- und Erbschaftssteuer auf alle in einem beliebigen Land erhaltene Erbschaften an. Außerdem bedeutet die Anwendung von Artikel 9 des spanischen Einkommensteuergesetzes die Pflicht zur Abgabe des Formulars „Modelo 720“beim Finanzamt.
Diese Steuererklärung verpflichtet zur Meldung aller Rechte und Vermögensgegenstände, die der Steuerzahler im Ausland besitzt, seien es Konten, Wertpapiere oder Immobilien, wenn eine dieser Vermögensgruppen einen Wert in Höhe von 50.000 Euro überschreitet. Die Nichteinhaltung dieser Pflicht mündet in drakonischen Strafen in Höhe von mindestens 5.000 Euro je nicht angegebenem Vermögen. Hat man beispielsweise vier Bankkonten und eine Immobilie, so würde dies 25.000 Euro Strafe bedeuten. Das Generalsekretariat der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD – Organisation for Economic Co-operation and Development) hat die Länder bereits aufgefordert, die Zeit des Lockdowns nicht in die Berechnung der 183 Tage mit einzubeziehen.
Nach Ansicht der OECD ist die Pandemie ein Fall höherer Gewalt, die den freien Personenverkehr zwischen verschiedenen Ländern verhindert, wie die Organisation in ihrem Empfehlungspapier Analysis of Tax Treaties and the Impact of the Covid-19 Crisis deutlich macht. Australien, das Vereinigte Königreich sowie Irland haben bereits ihre Absicht bekundet, die Aufenthaltstage von natürlichen Personen wie Arbeitern, Vertretern, Geschäftsleitern oder Verwaltern auf ihrem Staatsgebiet zu ignorieren.
Bleibt abzuwarten, wie sich Spanien verhalten wird. In jedem Fall sollte man bei Überschreitung der 183 Tage durch die Pandemie gewappnet sein. Betroffene Personen könnten versuchen, gerichtlich dagegen vorzugehen. Wichtig ist es, einen Nachweis zu haben, dass man nach Beendigung des Alarmzustandes alle Schritte unternommen hat, um in sein Wohnsitzland zurückzureisen.
Ist man 183 Tage in einem Land, muss man dort sein komplettes Welteinkommen versteuern
Kerstin Bumiller ist Steuerberaterin bei EcoLex Bumiller & Partner S.L., Avda. Asunción, 5-7. Centro Comercial Filton, 1ª planta, Locales 25-26. Urb. Los Balcones, Torrevieja
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