Liebe Leser,
viel Platz für Optimismus bleibt nicht in diesen Zeiten. Die terroristischen Anschläge in Frankreich und Österreich, die steigenden Corona-Zahlen in ganz Europa, der wie ein Damoklesschwert über uns schwebende Hausarrest und die an demokratischen Grundfesten rüttelnde US-Wahl haben uns in dieser Woche weiter runtergezogen. Die Straßenkämpfe in vielen Städten Spaniens könnten das Tüpfelchen auf dem i sein. Doch ich lenke den Blick auf den Sonntagmorgen danach, auf eine Gruppe von jungen Leuten, die nach der RandaleNacht aus Eigeninitiative aufräumten. Mülltüte in der Hand, Maske vorm Gesicht beseitigten sie die Spuren der Randalierer, rückten Bänke wieder an ihren Platz und zeigten mehr Bürgersinn und Würde als viele andere in diesen Zeiten.
Nicht nur deshalb möchte ich hier eine Lanze brechen für die Kinder und Jugendlichen. In diesen nun schon acht Pandemie-Monaten wurden sie nicht selten als Virenschleudern und verantwortungslose Covid-Partygänger verteufelt. Letztere gibt es, ohne Zweifel. Doch die meisten Kinder und Jugendlichen, die ich sehe, tragen fünf bis acht Stunden am Tag ohne zu mucken ihre Maske. Sie sitzen trotz der inzwischen recht kühlen Temperaturen brav neben den offenen Fenstern im Klassenzimmer – auch das eine Covid-Maßnahme. Mein vierjähriger Sohn macht mich morgens darauf aufmerksam, wenn wir zur Türe hinausgehen und ich die Masken vergessen habe. Selbst in der Freizeit sind die Kleinen, was den Mundschutz angeht, oft disziplinierter als wir Erwachsene.
Dabei dürfte es gerade der Jugend extrem schwer fallen, die Maßnahmen einzuhalten. Erstens, weil ihr Immunsystem – zum Glück – besser mit einer Infektion umgehen kann und sie denken könnten „was juckt’s mich?“Und zweitens, weil es für sie in ihrer Sturm-und-Drang-Zeit ein besonders schweres Opfer ist, auf Treffen mit Freunden und Feiern zu verzichten. Denken wir doch mal an unsere eigene Jugend. Dass eine große Mehrheit der Kinder und Jugendlichen dennoch Verständnis zeigt und sich solidarisch verhält, dass es welche gibt, die aufräumen, gibt Anlass zu Optimismus. Wenigstens ein bisschen.