Lockdown oder nicht?
Experten befürchten, dass die strengen Corona-Restriktionen in Murcia nicht ausreichen werden
Murcia – sg. Murcia gehört zu den Regionen Spaniens, die die härtesten Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie ergriffen haben. Die Region und ihre 45 Gemeinden sind abgeriegelt. Das bedeutet, dass die rund 1,5 Millionen Einwohner ihre Gemeinden nur in Ausnahmefällen verlassen dürfen. Das Gleiche gilt für Besucher. Wer zum Beispiel in Águilas wohnt, kann nicht mehr zum Einkaufen nach Lorca fahren. Die Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie gelten zunächst bis zum 12. November.
Die eigene Gemeinde darf aber verlassen werden, um zur Arbeit, zur Schule, zur Universität, zum Arzt, zur Bank oder zur Tankstelle zu fahren, um pflegebedürftige Personen zu betreuen oder dringende bürokratische Angelegenheiten zu erledigen.
Die nächtliche Ausgangssperre gilt in der Region von 23 bis 6 Uhr. Restaurants und Bars müssen um 22.30 Uhr schließen, damit die
Kunden rechtzeitig zu Hause sind. Bei Nichteinhaltung der Regeln drohen Bußgelder von 100 bis 600.000 Euro je nach Schweregrad des Verstoßes.
Corona-Leugner randalieren
Die verschärften Bedingungen sind angesichts der kritischen Situation in den Krankenhäusern notwendig, da sind sich alle einig – mit Ausnahme der Corona-Leugner. Mit Nachrichten in den Sozialen Netzwerken wie „Die Krankenhäuser sind leer. Die belügen uns und lassen uns vor Hunger sterben“riefen sie zu Protesten auf. Rund 80 Randalierer gingen in der Nacht zum 31. Oktober in Murcia und Cartagena auf die Straße, zündeten Silvester-Böller, steckten Müllcontainer in Brand und demolierten geparkte Autos.
Nach Angaben der Gesellschaft für Intensivmedizin Somiuc stehen in der Region insgesamt 117 Intensivbetten bereit. 100 sind derzeit mit Covid-19-Patienten belegt, das entspricht einer Belegung von über 80 Prozent. Das Problem: Zu den Covid-19-Intensivfällen kommen noch Patienten, die sich wegen anderer Krankheiten in kritischem Zustand befinden. Das ergebe eine Belegung von über 100 Prozent, sagte Somiuc-Präsident Miguel Fernández Vivas gegenüber der Zeitung „La Verdad“.
Murcias Landesministerpräsident Fernando López Miras (PP) verkündete, dass innerhalb von 24 Stunden 500 zusätzliche Betten in den Krankenhäusern bereitgestellt und die Zahl der Betten auf den Intensivstationen verdreifacht werden könnten. Insgesamt würden 892 Beatmungsgeräte zur Verfügung stehen. Die Menge an Material wie Schutzmasken und Schutzanzüge würde bis September nächsten Jahres reichen.
Dennoch bezweifeln die Gesundheitsexperten der Region Murcia, dass die verschärften Beschränkungen genügen werden, um ein Desaster in den Krankenhäusern zu verhindern. Der Facharzt für Infektionskrankheiten am Krankenhaus Reina Sofía in Murcia, Enrique Bernal, befürchtet, dass die nächtliche Ausgangssperre nicht ausreiche, wie die Beispiele Frankreich und Israel gezeigt hätten, und ein härterer Lockdown, bei dem die Menschen zu Hause bleiben müssen, notwendig werde.
Der Leiter der Intensivstation am Krankenhaus La Arrixaca in Murcia, Rubén Jara, glaubt nicht, dass die Abriegelung der Region und der Gemeinden wirksam dazu beitrage, die Infektionskurve zu senken. Es ergebe keinen Sinn, dass jemand aus Murcia nicht an den Strand von Mazarrón fahren dürfe, dafür aber in einem Restaurant in einem geschlossenen Raum mit mehreren Personen ohne Maske essen gehen dürfe, wo das Ansteckungsrisiko wesentlich größer sei. Tatsächlich sind die Maßnahmen in der Region Murcia mit einer Infektionsrate von 700 pro 100.000 Einwohner im Vergleich zu Deutschland mit 150 Fällen pro 100.000 Einwohner relativ lax, wo Bars, Restaurants und Fitness-Studios für einen Monat geschlossen werden.
Besser sei jetzt ein Lockdown für kurze Zeit, meint der Leiter der Notfallstation im Krankenhaus Reina Sofía in Murcia, Pascual Piñera. Das würde Leben retten und auch der Wirtschaft zugute kommen. Derzeit werde der Lockdown nur hinausgezögert. Der Landesgesundheitsminister Manuel Villegas (PP) will zunächst die Wirkung der jetzt ergriffenen Maßnahmen abwarten.
Wenn es einen Lockdown geben sollte, dann für das ganze Land. Ein Alleingang von Murcia bringe gar nichts, so Villegas, wenn sich die Region nach einem Monat Abschottung und Entbehrung wieder öffne und Besucher aus anderen Provinzen das Virus erneut einschleppten.
Wenn häuslicher Lockdown, dann für das ganze Land