Hungrig wie Löwen
Kulinarische Rundreise durch Spaniens Regionen: Teil 15 – Kastilien und León
mar. Die Gastronomie der Region Castilla y León ist ein besonders buntes Mischwesen, denn neben Einflüssen der kastilischen Küche, die sich mit der Mancha, aber auch Madrid überschneiden, haben wir es mit León mit einem der Gründungskönigreiche (neben Navarra, Aragón und Kastilien) Spaniens zu tun, das kulturhistorisch auf seine eigenständige Identität pocht und gastronomisch sehr nah an Asturien, Kantabrien und Galicien und auf der anderen Seite am Baskenland liegt.
Fast alle großen Städte in Castilla y León – Salamanca, Valladolid, León, Palencia, Segóvia – waren einst königliche Residenzstädte, zum Teil sogar Hauptstädte, die seit dem Mittelalter oft eine zentrale Rolle bei der Spanienwerdung spielten. Und alle reklamieren die eine oder andere Spezialität für sich, auch wenn wir sie in vielen anderen Regionen, oft sogar in ganz Spanien ebenfalls finden können.
Die Küche von Castilla y León passt in den November. Wärmende Suppen und deftige Eintöpfe mit fetten Würsten und viel Fleisch helfen durch die kalte Jahreszeit. León macht seinem Namen alle Ehre, hier hat man Hunger wie ein Rudel Löwen. Große ChuletónSteaks und asados über offenen Feuern, Spanferkel oder Lammkeulen aus dem Ofen finden wir in dieser Region, aber eben auch in Aragón oder dem Baskenland. Was ist nun spezifisch an der Küche des „anderen“Kastiliens?
León und die Region El Bierzo um Ponferrada sind sozusagen die Wurstzentrale des Landes. Über die manchmal verkannte Vielfalt der spanischen Embutidos haben wir erst vor kurzem auf diesen Seiten berichtet. Flaggschiff ist natürlich die Blutwurst, morcilla, die Burgos als ihr Markenzeichen beansprucht und hier ab dem Frühstück dazugehört.
Doch neben der Deftigkeit finden wir auch große Eleganz, denn zwischen Valladolid, Burgos und Segovia befindet sich mit der Ribera del Duero die feinste Rotweinregion Spaniens, die in punkto Ansehen und Preisen die Rioja längst abgehängt hat. Im nahen Rueda hat man den Verdejo zur landesweit meistgetrunkenen Weißweinsorte gemacht, nur die Albariños aus den Rias Baixas Galiciens
halten mit diesen mit. Aus dem Río Herrera kommen Flusskrebse, die königlichen Tafeln Ehre machen. Und dann finden wir wieder grob Bäuerliches, die Torreznos, frittierten Bauchspeck, den man uns genauso in Sevilla neben das Bier stellt oder in der Hauptstadt León den Kabeljau bacalao al ajo arriero, der über die Handelsund Schmugglerrouten über Frankreich und Navarra ins Land fand.
Ávila ist bekannt für sein Chuletón
de Avileño, die Spanferkel reüssieren in Segóvia, auch die Kaninchen in säuerlicher escabeche-Marinade, in Burgos wird natürlich alles mit Blutwürsten gekocht, doch auch die Olla podrida stammt von hier, jener gewaltige
Eintopf, den König Carlos I. so schätzte, dass er selbst die Mengenangaben überwachte, die in die großen Pötte gekippt wurden. Cervantes besang die Olla im Quijote, gegen den der Puchero valenciano wie ein armseliges Diätsüppchen wirkt. Zamora hat sich seinen Käse schützen lassen, der dem Manchego sehr ähnlich ist, dessen Milch aber von den Rassen churra oder castellana kommt.
Im romanischen bebauten finster-feuchen Soria, im Bewusstsein der Tourismusindustrie das Bielefeld Spaniens, hat man sich die Butter schützen lassen, in Valladolid das Brot. Wie in ganz Spanien sticht die Vielfalt an Hülsenfrüchten hervor, von den Alubias (weiße Bohnen) de La Bañeza, über die Kichererbsen (garbanzos) aus Fuentesaúco, die Judías (flache, grüne Boden) aus Ávila bis zu den Linsen aus Armuña verfügen sie alle über Zertifikate.
Wir haben einige Gerichte herausgesucht, die sich für die kalte Jahreszeit besonders eignen und die Region Kastilien und León möglichst breit repräsentieren.
Der Versuch, eine Olla podrida für nur vier Personen zu kochen, wird scheitern
Suppe aus dem Ofen
Sopa castellana. Zutaten für vier Personen: Rund 200g in kleine Würfel geschnittener SerranoSchinken, altes Brot, vier Eigelb (yemas de huevo), eine Lauchstange (puerro), ein Zweig Stangensellerie (apio verde), zwei Karotten (zanahoria) ein Stück Schinkenknochen (hueso de jamón), ein halbes Huhn, Paprikapulver, etwas Cayenne-Pfeffer, 3 Knoblauchzehen, Olivenöl, Salz.
Zubereitung: Hühnchen und Schinkenknochen in reichlich Wasser rund eine Stunde auf voller Kraft zu einer Brühe verkochen, nach einer halben Stunde auf klei
ner Flamme Lauch, Karotte, Sellerie und den zerdrückten Knoblauch hinzugeben. Sodann werden in einer Pfanne zwei Knoblauchzehen in feinen Scheiben vergoldet und herausgefischt, im gleichen Öl geschieht das nacheinander mit den Schinkenwürfeln und den Brotkrumen: Kurz bei mittlerer Hitze von allen Seiten angehen lassen, das Brot zum Schluss mit Paprika und Cayenne bestäuben, einmal durchschwenken und beiseite stellen. In kleine Tonformen, die wir zuvor im Ofen vorgeheizt haben, damit sie nicht platzen, werden Brot, Schinken, ein rohes Eigelb platziert. Das Ganze kommt für 10 Minuten bei 200 Grad in den Ofen, dann wird mit der heißen Brühe aufgeschüttet, sodass die Zutaten knapp bedeckt sind und 10 Minuten weiter gebacken. Idealerweise hat sich das Ei mit dem Brot zu einer Art schwimmenden, leicht gebräunten Kruste vereinigt, aus dem einige Schinkeninselchen hervorschauen.
Sämige Riesenbohnen
Judiones de La Granja. Ein Rezept, das fast identisch ist mit den Fabadas asturianas. Zutaten: Rund 400g der großen weißen Bohnen (judiones), eine Chorizo-Wurst, zwei Schweineohren (oreja de cerdo limpia), zwei morcillas (Blutwürste), ein Stück Schinkenspeck, eine Tomate, eine Zwiebel, einige Lorbeerblätter, 4 Knoblauchzehen, frische Petersilie.
Zubereitung: Die Bohnen am Abend zuvor einweichen, dann mit Knoblauch, Lorbeer und der Zwiebel zum Kochen bringen. Wenn das Wasser aufkocht, jeweils mit einem kleinen Schwaps kalten Wassers „erschrecken“, Vorgang 2-3 mal wiederholen, dann alles Fleischige hinzufügen und das ganze mild rund 90 Minuten bedeckt köcheln lassen, bis die Bohnen al dente sind. Hatte das Fleisch ausreichend Gelatine, ist ein feinsämiger Eintopf entstanden, den man mindestens noch eine Stunde ruhen lässt. Ist er zu wässrig, kann mit zerstoßenem alten Brot, etwas Maisstärke oder Mandelmehl nachgebunden werden.
Kartoffeln machen sich wichtig
Patatas a la importancia. Das Gericht ließe sich am besten mit Festtagskartoffeln übersetzen, es ist ein Nachbürgerkriegs-Essen, bei dem man mit dem Wenigen was man hatte, auskommen musste. Manchmal hatte man nur Kartoffeln. Zutaten für sechs Personen: 2kg festkochende Kartoffeln, Knoblauch, Zwiebel, Weißwein, Brühe, Mehl und Ei, ein paar Fäden Safran (azafrán), Salz, Pfeffer, Muskatnuss.
Zubereitung: Die geschälten Kartoffeln werden in knapp 1 Zentimeter dicke Scheiben geschnitten und mit Salz und Pfeffer gewürzt, in Mehl und Ei gewälzt und in Öl auf beiden Seiten golden angebraten, bei mittlerer bis niederer Hitze, damit sie sich langsam bräunen. Ist die gewünschte Färbung erreicht, nehmen wir sie aus der Pfanne. In der werden dann die Zwiebel und der Knoblauch, sehr fein gehackt , angeschwitzt, Safran hinzu, gut durchrühren, mit einem halben Glas Weißwein ablöschen und einreduzieren. Dann werden die Kartoffeln gefächert wieder in die Pfanne geschichtet und das Ganze so mit Brühe abgegossen, dass die Kartoffeln gerade so bedeckt sind. 12-15 Minute leise köcheln lassen, am Ende mit etwas Muskatnuss und Petersilie bestreuen. Das Gericht eignet sich auch wunderbar als Beilage für Braten, Würste oder Spiegeleier.
Mächtig gewaltig
Die zwei wuchtigsten Eintöpfe der Region Castilla y León sind der Cocido maragato aus León, der mit dem Puchero valenciano fast deckungsgleich ist sowie die Olla Podrida, die Mutter und Großmutter aller Eintöpfe, deren historisches
Hauptquartier in Burgos stehen soll. Sensible Gemüter sollten jetzt nicht weiterlesen. Die historische Olla podrida wurde oft mit Wildfleisch gemacht ,zwar meist aus den Teilen, für die man sonst keine Verwendung fand oder die beim Zerlegen nach der Jagd einfach noch übrig blieben. Das erklärte auch den Namen, denn podrida bedeutet verdorben, was den kräftigen Geruch oder auch Gestank der Verwesung gelagerten Wildfleisches bezeichnen könnte.
Linguisten verweisen indes lieber auf einen Nuschler, gemeint sei eigentlich das Wort poderosa, also mächtig. Im Grunde sieht das Gericht am Ende so aus, als habe man alles, was fleischig ist in einen Topf geworfen. Kenner hingegen behaupten stur, es sei eine wahre Kunst die genaue Balance und Garpunkte der Zutaten zu treffen, dabei gibt es überhaupt kein gesichertes Rezept für dieses Monster.
Die heutigen Grundzutaten für die Leoneser Variante sind neben roten Bohnen (alubias rojas) Schweinebauch, -ohren, -rippchen, -schwanz, geräucherter Speck, Schinkenknochen, Schweinefüße, geräucherte und frische Chorizo, geräucherte Blutwürste (die ganz dunklen), also zusammengefasst: Ein Schwein und etwas Suppengemüse. Allein der Versuch, dieses Gericht für nur vier Personen zu produzieren, muss scheitern, eine Fußballmannschaft mit Betreuern ist angemessener, der Windeltopf oder eine befeuerbare Badewanne das angemessene Kochgerät.