Erstes AVE-Unglück mit Todesopfern
Der Alvia-Schnellzug von Madrid nach Santiago de Compostela an diesem Mittwochabend des 24. Juli 2013 ist voll besetzt. Vorfreude herrscht bei den meisten der 218 Passagiere. Am nächsten Tag sollen in der galicischen Pilgerstadt die Feierlichkeiten zu Ehren des heiligen Jakobs beginnen, das wichtigste Fest des Jahres in der Region. Um 20.41 Uhr steuert der Zug wenige Kilometer vor dem Bahnhof eine enge Kurve an. Ein Wagen springt aus dem Gleis, der ganze Zug verunglückt. 80 Menschen verlieren ihr Leben, 144 Insassen werden verletzt. Spanien ist geschockt über die schlimmste Zugkatastrophe seit fast 40 Jahren.
Die Katastrophe war das erste Zugunglück mit Todesopfern auf einer AVE-Hochgeschwindigkeitsstrecke. Es stellte sich heraus, dass der Zug mit 192 Stundenkilometern in die Kurve fuhr, in der nur Tempo 80 zugelassen war. Der Abschnitt, auf dem der Zug entgleiste, war erst kurz vorher für den AVE-Verkehr ausgebaut worden. Gleichwohl besaß er kein modernes Sicherheitssystem, das verhinderte, dass ein Zug die zulässige Geschwindigkeit überschreitet.
Doch der zuständige Ermittlungsrichter und die Staatsanwaltschaft in Santiago de Compostela sahen in dem 52-jährigen Zugführer den allein Schuldigen an der Katastrophe. Vor sieben Monaten erklärten sie die strafrechtlichen Ermittlungen für abgeschlossen. Unglücksursache sei ausschließlich überhöhte Geschwindigkeit gewesen, hieß es. Der Zugführer wurde angeklagt.
Opferverbände sprachen indes von „übereilten Entscheidungen“und sind – ebenso wie einige Sachverständige – davon überzeugt, dass auch Fehler der Sicherheitssysteme für das Unglück verantwortlich waren. Das Landgericht schloss sich jetzt dieser Ansicht an: Es müssten Widersprüche in den Gutachten geprüft und eine lückenlose Ermittlung der Ursachen der Katastrophe erfolgen, heißt es in dem Gerichtsbeschluss. (tl)