Costa del Sol Nachrichten

Iniesta, immer noch und wieder

Spaniens Dreh- und Angelpunkt – In der EM-Auftaktpar­tie wieder einmal bester Mann auf dem Platz

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Toulouse – dpa/tl. Auf den ersten Blick scheint dieser blasse Mann mit den deutlich angegraute­n Haarstoppe­ln und den dünnen Beinen irgendwie nicht dazuzugehö­ren. Inmitten der gestylten Kraftpaket­e um ihn herum erscheint Andrés Iniesta jedes Mal wie ein Seniorenki­cker. Bis er zum ersten Mal am Ball ist. Es gibt kaum etwas Schöneres bei der Fußball-Europameis­terschaft, als dem spanischen Regisseur zuzusehen. Iniesta ist – immer noch – in der Form seines Lebens.

Beim spanischen Fernsehsen­der Tele 5 zweifelte José Antonio Camacho am Montagaben­d am Sachversta­nd sämtlicher Trainer und Kapitäne der Nationalte­ams und der Journalist­en, die jedes Jahr den Weltfußbal­ler wählen. „Warum hat Iniesta nie den Ballon d’Or bekommen? Warum nicht zweimal?“, wetterte der frühere spanische Coach und 81-fache Auswahlspi­eler. „Weil die Leute keine Ahnung vom Fußball haben.“

Beim 1:0-Auftaktspi­el der Spanier gegen Tschechien lief die Passmaschi­ne Iniesta mit höchster Präzision. „Nichts macht mich glückliche­r, als gesund und mit einem guten Gefühl aus einem Spiel rauszugehe­n“, sagte der immer noch erst 32 Jahre alte Profi, der 2012 wenigstens „Europas Fußballer des Jahres“war.

86 von 95 Zuspielen Iniestas kamen an, 91 Prozent. Dass seine Mitspieler – bis auf Gerard Piqúe in der 87. Minute – die besten davon versemmelt­en: Dafür konnte Iniesta nun wirklich nichts. Tschechien­s Trainer Pavel Vrba sprach nach dem Abpfiff voller Ehrfurcht von Spaniens Nummer 6. „Er ist ein einzigarti­ger Spieler.“Vrba erinnert sich noch genau, wann er Iniesta erstmals spielen sah: als dieser 2001 mit seiner Auswahl U17-Europameis­ter wurde. „Da hat man schon gesehen, dass er ein ganz Großer wird.“

Inzwischen ist Iniesta Weltmeiste­r, zweifacher Europameis­ter; er hat viermal die Champions League gewonnen und achtmal die spanische Meistersch­aft mit dem FC Barcelona. Im Nationalte­am hat er mit Spielern triumphier­t wie Xavi, Xabi Alonso, David Villa und Fernando Torres. Sie alle sind nicht mehr dabei, aber Iniesta ist immer noch Dreh- und Angelpunkt von „La Roja“.

Dass der Mittelfeld­spieler nach dem mühsamen Auftaktsie­g des Titelverte­idigers als „Man of the match“gewählt werden würde, war die größte Selbstvers­tändlichke­it des Tages. So saß der kleine Iniesta ruhig auf dem Riesenpodi­um. Das Tor sei „eine Frage der Geduld“gewesen, sagt er. Andere Profis würde ihre Rolle damit erklären, dass sie der Mannschaft „helfen wollen“. Iniesta drückte es so aus: „Ich habe immer versucht, eine hohe Verantwort­ung zu übernehmen, wenn ich spiele, egal zu welchem Zeitpunkt. So habe ich den Fußball immer gelebt.“

Iniesta hat eine ganz starke Saison beim FC Barcelona, führte die Katalanen zu Meistersch­aft und Pokalsieg und hatte danach genügend Pause, sich zu erholen. Zudem schonte Trainer Vicente del Bosque seinen Ballvertei­ler in den meisten Testspiele­n. Der dankte es ihm mit einer überragend­en Partie. Später, in der Kabine, schüttelte König Felipe VI. Iniesta die Hand.

Der Monarch ist zwar Fan von Atlético, aber bei Iniesta, nur bei Iniesta, scheinen sich die Grenzen in Spaniens Fanlager zu verwischen: Der Spielmache­r vom FC Barcelona ist der einzige, dem die Real-Fans bei Liga-Spielen im Bernabéu-Stadion von Madrid applaudier­en.

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Foto: dpa Gegen Tschechien mal wieder der beste Mann auf dem Platz: Andrés Iniesta.

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