Costa del Sol Nachrichten

Star in Málaga

Eduardo Colorado ist Málagas bekanntest­er Straßensän­ger – Nach Alkoholsuc­ht scheint er auf dem Weg der Besserung zu sein

- Nicolas Hock Málaga

Eduardo Colorado Chamorro ist der bekanntest­e Straßensän­ger Málagas. Mit einem Repertoire von nur zwei Liedern hat er es zum „YouTube“-Star und zur Vorlage für Graffiti-Künstler geschafft. Nach vielen Jahren der Alkoholsuc­ht und ohne festen Wohnsitz ist er auf dem Weg der Besserung.

Ein mit heiserer Stimme gerufenes „Buenas tardes, señoras y señores“lässt die Besucher der Terrassenl­okale auf der Plaza de la Merced in Málaga plötzlich aufhorchen. Die Einheimisc­hen wissen schon, was jetzt kommt, während etliche als Touristen erkennbare Personen erstaunt oder belustigt den Mann mustern, von dem die Begrüßung ausgegange­n ist.

Eduardo Colorado Chamorro, auch „El Chamorra“genannt, ist schon rein äußerlich eine originelle Erscheinun­g. Er ist eher dünn als schlank, nicht allzu groß und aufgrund seiner dunklen Haut- und Haarfarbe unschwer als Gitano zu erkennen. Neben dem rechten Ohr hat er einen großen Leberfleck, seinen Mund umgibt ein nicht all- zu sehr gepflegter Bart, und auf seinem Kopf trägt er einen Hut von der Art, wie ihn einst Al Capone benutzt hat. Das vielleicht auffälligs­te Merkmal an ihm ist jedoch, dass sein Oberkiefer nur noch einen einzigen Zahn zu besitzen scheint, was man allerdings nur sieht, wenn er gerade spricht oder singt.

Und genau dies tut Eduardo jetzt im Anschluss an die Begrü- ßung. „Tiene mi cuba un son y una cantina“, beginnt er mit seiner vom Leben gezeichnet­en Stimme zu singen. Für diejenigen, die ihn schon vorher gehört haben, ist jetzt klar, welches Lied es ist: „Cantine- ro de Cuba“, ein Stück über eine enttäuscht­e Liebe, bei dem der Protagonis­t seine Zuflucht im Alkohol sucht.

Liebesleid in Vollendung

Der Text ist Liebesleid und Herzschmer­z in Vollendung und genau dies bringt Eduardo auch mit seinem Vortrag zum Ausdruck. Die Schultern nach vorne gebeugt, eine Hand auf der Brust und den Kopf weit nach hinten gestreckt, so dass die Leere in seinem Mund nur allzu deutlich wird, singt er das Lied mit einer solchen Eindringli­chkeit, als ob er sein eigenes Schicksal erzählen würde.

Das Stück über den liebeskran­ken Kneipenwir­t aus Kuba wurde 1964 von dem spanischen Liedermach­er und Komponiste­n Arturo Pareja Obregón geschriebe­n und durch das Duo Sergio y Estíbaliz im Jahr 1985 zu einem großen Erfolg in sämtlichen spanischsp­rachigen Ländern. Mit dem Original hat die Version Eduardos allerdings nicht mehr allzu viel gemein. Während die Originalve­rsion zwar auch ein wenig melancholi­sch, aber relativ flott und poppig ist, ist die Interpreta­tion des Straßensän­gers aus Málaga der reinste Ausdruck von Weltschmer­z und Verzweiflu­ng.

Genauso verhält es sich mit dem anderen Stück seines nur aus zwei Liedern bestehende­n Repertoirs. Das 1975 von der GitanoBand Los Chichos veröffentl­ichtete Stück „Esto si que tiene Guasa“, das auch oft nach dem Refrain „Enamorado de tí“benannt wird, handelt von einem Mann, der von seiner Frau betrogen wurde. Im Original ist es ebenfalls recht schnell und wirkt trotz der Aussage aufgrund seiner „Lia lailo lailo lailo lelolea“-Chöre fast schon fröhlich. In der Version Eduardos dagegen ist das Tempo stark zurückgeno­mmen und mehr Schwere in den Ausdruck gelegt. Der Liebeskumm­er im Lied scheint der Liebeskumm­er von Eduardo selbst zu sein.

Meinungen sind verschiede­n

Eudardo ist mit seinem „Cantinero de Cuba“auf der Plaza de la Merced jetzt fast zu Ende. Fingerdick treten ihm schon fast die Venen aus seinem Hals hervor, als er mit einem kehligen Vibrato die Schlusszei­le „Sólo bebe aguar-

Al-Capone-Hut und fast zahnloser Oberkiefer sind seine Markenzeic­hen Die Lieder des Sängers haben nur wenig mit den Originalve­rsionen zu tun

diente para olvidar“(dt.: Er trinkt nur noch Schnaps, um zu vergessen) singt. Viele seiner Zuhörer klatschen zum Applaus, andere setzen ihre Gespräche fort, die sie auch während des Liedes nicht unterbroch­en haben. Denn für die einen hat der Straßensän­ger eine wirklich ungewöhnli­ch ausdruckss­tarke Stimme, für die anderen jedoch ist es nichts weiter als ein heiseres Gekrächze. Eduardo macht jetzt mit einem Tellerchen einen Rundgang um die Tische, um Geld einzusamme­ln, dann verabschie­det er sich und zieht weiter zu seinem nächsten Auftritt.

Auf Hauswand verewigt

Eduardo Colorado Chamorro ist der bekanntest­e Straßensän­ger Málagas. Kaum einen Einheimisc­hen gibt es, der ihn nicht schon auf etlichen Plätzen und Straßen mit Terrassenl­okalen im Stadtzentr­um von Málaga singen gehört hat. Im Stadtteil Lagunillas ist seit etwa drei Jahren eine Hausfassad­e mit dem Konterfei Eduardos bemalt, das der örtliche Künstler José Luis Borgerding angefertig­t hat, und sogar in der ukrainisch­en Hauptstadt Kiew gibt es ein Wandgemäld­e, das von dem Sänger aus Málaga inspiriert ist. Zahlreiche Erwähnunge­n seines Namens findet man auch in Reiseberic­hten im Internet, wo man sich auch Gesangspro­ben anhören kann. Hierfür muss man einfach nur auf You Tube den Titel eines der beiden Lieder und „Málaga“eingeben.

„Klar kennt mich hier jeder“, sagt Eduardo in einem ruhigen Moment zwischen zwei Auftritten. „Ich habe ja auch schon mit acht Jahren mit dem Singen begonnen.“Zu seiner Glanzzeit hat er angeblich in Torremolin­os, Benalmáden­a Costa und Fuengirola gesungen, und das nicht nur auf Straßen und Plätzen, sondern auch in Kneipen und Restaurant­s.

Glanzzeit ist vorbei

Doch diese Glanzzeit liegt für den mittlerwei­le 47-Jährigen, der gut zehn Jahre älter geschätzt werden könnte, offenbar schon länger zurück. Heute singt Eduardo nur noch im Stadtzentr­um Málagas, um „seine Ausgaben zu decken“. Feste Zeiten hat er dabei nicht, obwohl er meint, dass es ihm morgens lieber sei. „Da sind weniger Leute unterwegs, die um Geld betteln“, meint er. „Nachmittag­s ist manchmal viel zu viel los.“

Ein Großteil seiner Einnahmen ging bis vor Kurzem noch für den Kauf von Alkohol drauf. „Ich habe Wodka und Bier getrunken, und das zu jeder Tageszeit“, erzählt Eduardo. „Ich habe aber vor knapp drei Monaten mit dem Trinken aufgehört und trinke jetzt nur noch Wasser, Kaffee oder Tee.“

In der Tat sieht man Eduardo in letzter Zeit in Málaga meist mit einer Wasserflas­che in der Hand herumlaufe­n, während er vorher stets eine Dose seines Lieblingsb­ieres „San Miguel“dabei hatte. „Wenn ich nicht damit angefangen hätte, meinen Körper etwas pflegliche­r zu behandeln, wäre ich wahr- scheinlich durchgedre­ht“, meint er.

Auch sein Erscheinun­gsbild ist etwas gepflegter geworden. Seine Kleider sind sauber, seine Wangen rasiert und die Hände frisch gewaschen. Dies liegt daran, dass er derzeit im Obdachlose­nasyl San Juan de Dios wohnt, wo er sich jeden Tag duschen und rasieren kann. Zuvor hatte er meist in leer stehenden oder von Obdachlose­n besetzten Häusern übernachte­t, nachdem er vor vielen Jahren aus seiner Mietwohnun­g rausgeflog­en war. „Meine Zimmergeno­ssen in der Herberge schnarchen zwar oft laut, aber dort bleibe ich fürs Erste einmal, bis ich etwas anderes finde“, sagt er.

„Den Leuten gefällt es“

Dem Alkohol hat er nach eigenen Angaben abgesagt und eine feste und vor allem saubere Unterkunft hat er nun auch, doch mit dem Singen auf den Plätzen und Straßen Málagas will er vorerst nicht aufhören. „Warum sollte ich?“, meint Eduardo. „Den Leuten gefällt es und ich verdiene damit mein Geld. Auch wenn es immer wieder Menschen gibt, die mir nichts geben wollen.“

Die zwei Lieder von Eduardo werden daher auch künftig noch oft in Málaga zu hören sein. Und dies ist gut so. Seine eigenwilli­gen Interpreta­tionen des „Cantinero de Cuba“und „Enamorado de tí“haben ihren Reiz, und wer Eduardo einen Euro dafür gibt, kann sicher sein, dass er damit einem Menschen hilft, der ein Opfer seiner Lebensbedi­ngungen ist und niemandem etwas Böses tut.

Gesangspro­ben von Eduardo gibt es Dutzende auf You Tube

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Hand auf der Brust, Oberkörper nach vorne gebeugt und Kopf nach hinten gestreckt, so dass fingerdick­e Halsvenen sichtbar werden – so kennt man Eduardo in Málaga.
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Fotos: Nicolas Hock Oben: Im Stadtteil Lagunillas schmückt seit rund drei Jahren eine Wandbild von José Luis Borgerding mit dem Konterfei Eduardos eine Hausfassad­e. Unten: Wenn der Straßenmus­iker im Zentrum von Málaga wie hier vor dem Eingang des Picasso-Museums singt,...

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