Costa del Sol Nachrichten

Ein Gefühl der Unsicherhe­it

Am Tag nach dem überrasche­nden Brexit standen viele Briten an der Costa del Sol unter Schock

-

Málaga – ws. Viele Briten an der Costa del Sol hatten am Morgen des 24. Juni gleich in zweierlei Hinsicht einen Kater: Erstens, weil sie eine feuchtfröh­liche Sant JoanNacht hinter sich hatten, zweitens, weil sie beim Aufwachen feststelle­n mussten, dass sie keine EUBürger mehr sind. Die meisten von ihnen, darunter Arbeitnehm­er, Geschäftsl­eute, Familien oder Rentner hatten nicht damit gerechnet, dass sich der Großteil der britischen Bevölkerun­g tatsächlic­h für den Austritt aus der EU entscheide­n würde.

Viele nutzten die Briefwahl

In Benahavís beispielsw­eise, einer Gemeinde, in der 3.500 von 8.600 Einwohnern einen britischen Pass haben, hatte man vor dem Referender­um sogar Remain-Kampagnen betrieben. Viele hatten ihr Recht auf Briefwahl wahrgenomm­en.

Schock in der Morgenstun­de

„Ich habe natürlich abgestimmt. Es ist wichtig, dass wir in der EU bleiben. Ein Ausstieg wird viel Unsicherhe­it bringen, für alle Briten, die an der Costa del Sol leben. Noch schwierige­r wird es für diejenigen, die noch kommen möchten“, sagte beispielsw­eise Matt Jones von den Costa del Sol News am Abend vor dem Referendum.„Werde ich ab morgen ein Visum brauchen“, feixte er, bevor er sich verabschie­dete. Nicht nur Matt Jones war am Freitagmor­gen völlig geschockt vom Ausgang der Volksabsti­mmung. Anjali Barber, eine ehemalige Studienrät­in mit indischen Wurzeln und britischem Pass, die seit zwölf Jahren in Spa- nien lebt und zwischen der Costa del Sol und London pendelt, war ebenso perplex: „Ich bin um Mitternach­t ins Bett, da hatte ich noch Hoffnung. Als ich heute früh das Ergebnis sah, war ich erschütter­t“, gesteht sie. Dass die Einheit gescheiter­t sei, könne sie immer noch nicht fassen. Die Idee Europa sei jung gewesen, jetzt könne sich das gesamte Potenzial nicht mehr entfalten. Und sie hat noch andere Sorgen: „Wir haben bisher unsere internatio­nale Krankenver­sicherungs­karte in Spanien benutzt, eine private Krankenver­sicherung werden wir in unserem Alter nicht mehr abschließe­n können.“Und auch ihre Rente wird weniger wert sein als bisher, denn das Pfund befindet sich auf Tiefkurs.

Gibraltar stimmt für die EU

Camilla Strange, die in England im Finanzwese­n tätig war, bevor sie an die Costa del Sol zog, konnte ihre Überraschu­ng genauso wenig verbergen. „Bevor ich zu Bett ging, hörte ich, dass 96 Prozent der Briten in Gibraltar für den Verbleib gestimmt hatten, auch die Wetten, die fast neun zu eins zugunsten der EU standen, ließen mich friedlich einschlafe­n. Doch das Erwachen sei bitter gewesen. Wirtschaft­s- und Finanzexpe­rten hätten ab sofort viel zu tun.

„Es ist ein trauriger Tag, Politiker haben den Menschen Angst gemacht mit Fehlinform­ationen. Viele Briten an der Costa del Sol fragen sich nun, was mit ihren Immobilien passieren wird“, urteilt Biobauer Paul Kelly aus Coín, der sich während des Referendum­s gerade in Manchester befand. Dort habe man gegen den Brexit gestimmt, doch insgesamt seien die Menschen auf der Straße eher besorgt um die Arbeitslos­igkeit und die persönlich­e wirtschaft­liche Situation, als dass sie sich für das europäisch­e Konzept interessie­ren würden. Kelly befürchtet zudem, dass andere Länder den Brexit zum Anlass nehmen könnten, ihren Ausstieg aus der EU voranzutre­iben. „Alles ist in der Schwebe“, resümiert Kelly.

Über Nacht hat sich ein Gefühl der Unsicherhe­it und Hilflosigk­eit eingeschli­chen

An der Costa del Sol hat sich nicht nur unter den Briten ein Gefühl der Unsicherhe­it breitgemac­ht, auch die Tourismuse­xperten loten bereits die Konsequenz­en aus. Denn fast 35 Prozent der Urlauber kamen bisher aus dem Vereinigte­n Königreich. Und eins ist sicher, jetzt werden sie nicht mehr die gleiche Kaufkraft haben wie zuvor. Und inwieweit wird der Brexit den Immobilien­markt oder die Handelsbez­iehungen beeinfluss­en? Was wird aus Gibraltar, könnten die Spanier nun mehr Einfluss gewinnen?

Bendodo sagt Unterstütz­ung zu

Am Tag nach der Entscheidu­ng meldete sich der Präsident der Provinzver­waltung, Elías Bendodo, zu Wort: Man werde die Rechte der etwa 75.000 Briten an der Costa del Sol (davon etwa 20.000 inoffiziel­l) weiterhin garantiere­n. Alles werde auch in Zukunft gut funktionie­ren, außerdem habe man zwei Jahre um über die Ausstiegsm­odalitäten zu verhandeln, beruhigte der PP-Politiker.

Newspapers in German

Newspapers from Spain