Objekt der Begierde
Neulich war ich mit meinem Oldtimer in Marokko, und inmitten seiner ganzen Golf I und II-Kollegen fühlte er sich dort wie zuhause. Die Menschen jubelten uns zu, Polizisten hielten uns an, um zu plaudern. Um es vorwegzunehmen: So ein Auto belädt man nicht mit Haschisch. Dennoch kitzeln Grenzkontrollen die Nerven. Wer mag es schon, wenn Polizisten in schmutziger Wäsche wühlen? In Tanger lässt man mich auf der Rückreise lachend ziehen, in Tarifa wird zuerst der Pass kontrolliert, danach geht es ans Eingemachte. Ich reihe mich in die linke Spur ein. Vor mir nimmt eine Guardia-Civil-Beamtin ein Fahrzeug auseinander, ihr Klient hockt auf dem Boden und räumt den Koffer aus. Auf der anderen Spur stehen zwei Männer, der vordere sieht aus, als wäre er einer Werbebroschüre der Guardia Civil entsprungen. Seinen fast unsichtbaren Wink sehe ich aus dem Augenwinkel. Er rollt einfach nur die violett behandschuhten Finger ein. „Volle Effizienz bei minimalem Energieaufwand“, staune ich. Das Zeichen gilt mir, aber die Schranken bleiben zu. Ich ignoriere ihn. Kurz darauf die gleiche Bewegung. Ich fixiere Django, er rührt sich nicht, trotzdem hat er mich gerade eingeladen, zwischen den geschlossenen Schranken durchzufahren. Und in meinem Hinterkopf höre ich den Wolf sagen: „Komm, mein weißes Häschen mit dem blauen Dach, ich will dich fressen.“Ich peile die Lücke an und rolle los. Djangos Kollegin will mir an den Hals springen, erst als sie merkt, dass die Kollegen cool bleiben, lässt sie von mir ab. Mit einem eleganten Schlenker halte ich direkt vor seinen Füßen. Wer tagelang durch Marokko gekurvt ist, weiß, wie Präzision geht. „Hola, que tal“, sage ich, bei soviel Sonderbehandlung fällt mir nichts anderes mehr ein. Ein bärtiges Gesicht mit doppelt verspiegelter Sonnenbrille in schillernden Gold- und Lilatönen schiebt sich ans Fenster und blickt schweigend ins Autoinnere. Plötzlich sehe ich mit seinen Augen: Der Shiva-Wimpel am Rückspiegel, ohne den sich kein indischer Autofahrer auf die Straße traut, die Geierfeder, die daran klemmt. Das Hippie-Tuch über dem Rücksitz, darauf all meine bunten Souvenirs. „Das kann heiter werden“, denke ich. „Me abre el maletero?“, fragt Django mit tiefer Stimme, um gleich darauf mit gekonntem Klopfen die Ha- schisch-Freiheit meiner Seitenverkleidung zu bestätigen. Während ich mich noch darüber wundere, dass Schmuggler offenbar immer noch auf jahrzehntealte Tricks setzen, hat sich das Muskelpaket vor meinem Kofferraum aufgebaut. Ich höre einen Satz, in dem das Wort „vender“vorkommt. „Verkaufen“, frage ich, „was“? „Das Auto“, sagt er. „Nöö“, meckere ich empört. Schlüssel ins Schloss, Klappe auf. Wir hocken vor meinem Kofferraum und blicken hinein. „Lo que hace falta“, sage ich und bin fassungslos, wie viel Staub sich angesammelt hat. „Agua, aceite ...“, fahre ich mutig fort. Es macht „Klock“, auch im Reserverad sind keine Drogen. Die Sonnenbrille nagelt nun mein Gesicht fest. Ich blicke in gold-violette Strudel und spüre die Berührung seiner unsichtbaren Augen körperlich. Er will mir in die Seele schauen. Den Gewissenstest bestehe ich wohl, denn er nimmt die Verkaufsverhandlungen wieder auf. Wer eigentlich diese Kontrolle beendet hat, weiß ich nicht mehr genau. Aber mir klingt noch Djangos letzter Satz in den Ohren: „Piensa en mi!“(ws)