Es wird verhandelt
Mariano Rajoy strebt Minderheitsregierung an – Podemos erneuert sich – PSOE versammelt sich
Madrid – ck. Von einer „Ohrfeige biblischen Ausmaßes“sprach Pablo Iglesias. Aber er meinte nicht das Wahlergebnis, das Unidos Podemos entgegen der Prognosen auf dem dritten Platz nach konservativer Volkspartei (PP) und Sozialisten (PSOE) stehenließ. Iglesias meinte den Kurswechsel seiner Partei. Dieser könne gutgehen und Podemos in vier Jahren an die Regierung bringen oder eben das Ende der Formation bedeuten.
Selbstkritik innerhalb der linken Protestpartei nach dem Bündnis mit der Vereinigten Linken (IU) und dem Scheitern des angekündigten Überholmanövers zulasten der PSOE – Iglesias sah sich schon als Regierungschef – war dünn gesät. Zweiter Mann Íñigo Errejón und bisweilen Kritiker von Iglesias schob die Schuld am Wahlergebnis auf den Pakt mit IU, Iglesias selbst machte die Angstkampagne der PP verantwortlich.
Doch was die beiden bei der Sommer-Uni in San Lorenzo de El Escorial am Montag ankündigten und am Wochenende auf der Vorstandssitzung absegnen wollen, ist die Etablierung einer richtigen Partei, der Gang durch die Institutionen, statt schneller Wenden. „Weniger sexy, aber auch weniger unvorhergesehen und angsteinflößend“, nannte Errejón die Podemos-Partei der Zukunft.
Keinen Gang durch die Institutionen, sondern den nach Canossa tritt Pedro Sánchez diese Woche an. Vor der Vorstandssitzung am 9. Juli will der PSOE-Generalsekretär alle regionalen Parteiführer sprechen, um seine Position zu festigen und die Position der Partei zum Angebot einer großen Koalition festzulegen. Das Angebot von Mariano Rajoy, zusammen mit der PP eine Regierung zu bilden, wird aller Wahrscheinlichkeit nach abgelehnt. Das sieht inzwischen auch Rajoy so und bereitet sich auf eine Minderheitsregierung vor.
Das ist nach vier Jahren absoluter Mehrheit für die PP ein harter Schlag. Bei den Verhandlungen um die Gunst nationalistischer Par- teien rächt sich Rajoys starre Haltung während der vergangenen Regierungszeit. Da die Stimmen seiner Partei stets zur Mehrheit reichten, ließ er katalanische noch baskische Nationalisten links liegen. Beide braucht er nun. Die erste Partei, mit der er offiziell verhandelt, ist Coalición Canaria, die jedoch nur einen Abgeordneten stellt.
Die gemäßigten baskischen Nationalisten von PNV mit fünf Parlamentssitzen fordern seit langem die Übertragung der Kompetenz für die Verwaltung der Gefängnis- se an die Regionalregierung und die Zusammenlegung der ETAHäftlinge im Baskenland. Der Lehendakari und PNV-Chef Íñigo Urkullo bedauerte, dass jede Annäherung, um den Waffenstillstand in eine Auflösung von ETA umzuwandeln, an der ablehnenden Haltung Rajoys scheiterte.
Gespräche mit Katalanen
Schwierig dürfte es auch mit den Katalanen werden. Rajoy will zwar auch mit den Unabhängigkeitsparteien, der gemäßigten CDC (acht Sitze) und der linksrepublikanischen ERC (neun Abgeordnete), sprechen, wird aber kaum Forderungen nach einer Verfassungsänderung und einem Referendum über die Unabhängigkeit zustimmen können. Ein weiterer der zumindest ideologisch nahestehenden Gesprächspartner ist Albert Rivera von der liberalen Partei Ciudadanos. Eine Unterstützung oder zumindest die Enthaltung der Partei schlägt mit 32 Sitzen zu Buche.
Im Moment geht es um die Mehrheit für die Amtseinführung von Rajoy als Regierungschef. Wenn er in Minderheit regieren sollte, kann er langfristige Absprachen treffen oder kurzfristig jeweils Unterstützung suchen. Eine stabile Regierung ist das nicht. Zwar hat die PP die Mehrheit im Senat, im Parlament hingegen stünden den 137 Konservativen im extremsten Fall 213 Gegenstimmen gegenüber.
Wenn sich Sozialisten, Podemos und Ciudadanos zusammentäten, könnten sie umstrittene Gesetze wir das Bildungsgesetz Lomce oder das Gesetz zur Bürgersicherheit (Maulkorbgesetz) durch neue Gesetzesvorschläge kippen. Entsprechend ließe sich jeder Gesetzesvorstoß der Regierung bremsen.
Bei den Verhandlungen rächt sich Rajoys unkommunikative Haltung