Bibel-Symbolik oder höchster Turm
Katalanische Castells stammen von der Muixeranga ab, überragen diese jedoch bei weitem
Alicante – ac. Die genaue Ursprungsgeschichte der Muixeranga ist umstritten. Vermutlich geht die Tradition auf maurische Tänze zurück, die von den Bewohnern Algemesís übernommen wurden.
In vielen arabischen Ländern ist die Tradition der menschlichen Türme immer noch sehr verbreitet, erzählt Muixeranga-Künstler Pau Chacón. „Vor kurzem zirkulierten Bilder von syrischen Flüchtlingen, die ihre Ankunft in Griechenland mit einer Menschenpyramide feierte, ganz ähnlich wie unsere Muixeranga.“Ebenfalls ist ein Propaganda-Video des Islamischen Staates (IS) aufgetaucht, in dem die Kämpfer sich in ihrem Training zu einer Pyramide aufstellen.
Religiöse Symbolik
Im 18. Jahrhundert hat die Katholische Kirche die Tradition aufgegriffen. Seither sind die Muixeranga oder ähnliche Spektakel Bestandteil vieler religiöser Feste auf der iberischen Halbinsel. Am bekanntesten ist dabei die Prozession der Fiesta de la Mare de Déu de la Salut in Algemesí, die von der Unesco 2011 zum Immateriellen Weltkulturerbe erklärt wurde.
Der religiöse Hintergrund ist auch bei den verschiedenen Turm-Figuren zu erkennen. „Oft werden christliche Motive dargestellt“, erklärt Pau Cha- cón, „zum Beispiel Szenen aus der Bibel.“Auf der Spitze der Pyramide steht stets ein Kind, das mit seinen ausgestreckten Armen Jesus am Kreuz darstellt.
Valencianischer Tanz
Von der Muixeranga stammen auch die Castells ab, die in Katalonien verbreitet sind. Valencianische Auswanderer brachten die Tradition im späten 18. Jahrhundert in die nördliche Nachbarregion, wo sie zuerst Ball de Valencians – Valencianischer Tanz – genannt wurde.
In Katalonien gewann die Kunst rasch an Popularität. Schon früh hatte sie sich von der Kirche losgelöst und wurde als eigenständige Kunst bekannt. Das führte auch dazu, dass die Katalanen ihre valencianischen Meister mittlerweile überragen. Die Castells wurden nicht nur ein Jahr vor der Muixeranga zum Weltkulturerbe erklärt, mit bis zu zehn Stockwerken bauen die Castellers auch bei weitem die höchsten Pyramiden.
Muixeranguer Chacón relativiert das jedoch: „Bei den Katalanen steht die Höhe im Vordergrund, bei uns hingegen geht es in erster Linie um die Ästhetik. Während die Castells immer nach dem gleichen Prinzip aufgebaut werden, gibt es bei der Muixeranga über 30 verschiedene, teils sehr anspruchsvolle Figuren.“