Hundemörder und Haare wie Boris Becker
Es war mal wieder Zeit für einen Besuch im Frisörsalon. Diesmal in Spanien. Von Deutschland ist man lockeren Smalltalk und Worthülsen wie: „Sie haben aber schönes Haar“gewohnt, in Andalusien lief das dann doch etwas anders ab. Ich trat ein, wurde kurz vom Frisör-Duo gemustert und als Ausländer identifiziert. Ich nahm direkt Platz. Und schon sollte es losgehen. Fast. Ein Mann stürmte in den Salon und begann mit meinem Frisör um den Preis einer Schere zu feilschen. Nach einer summarischen Einführung in die Diversität der Scherenwelt wurde mir klar: Das wird noch länger dauern. Wer hätte es gedacht: Eine anständige Modellierschere kann schon mal so viel wie ein Motorroller kosten. Außerdem sollte man nur Haarpflegeprodukte auf Silikonbasis verwenden, die trocknen das Haar nicht so aus. Das Geschäftliche vom Tisch, wurde es dann etwas persönlicher. Seit Jahrzehnten hätte ich mir die Haare falsch gekämmt — in Deutschland könne man das wohl nicht. Ein Haarwirbel bilde sich schon im Mutterleib, den müsse man zu bändigen wissen. Die Unterhaltung wurde langsam tiefgründiger. Ich hätte die gleiche Haarstruktur wie Boris Becker, der hier vor zwanzig Jahren zu Besuch gewesen sei. Ein netter Mann mit sehr störrischem Haar. Die Welt ist doch kleiner als man denkt. Neben mir hatte mittlerweile einer der Stammkunden, ein Mitglied der Nationalpolizei, Platz genommen. Es wurde sich kurz über die wöchentlich abgefangene Drogenlieferung und gefälschte Sonnenbrillen unterhalten. Das Übliche halt. Nach einem Moment der Stille schaute der Sechzigjährige mir über den Spie- gel tief in die Augen und begann auszuholen. „Weißt du, dass ich den Hund meines Nachbarn getötet habe?“, verkündete der Mann in stolzem Tonfall. Ich hielt den Blickkontakt und rührte keinen Muskel. Das musste ich falsch verstanden haben. Auf dem bärtigen Gesicht des Polizisten hatte sich währenddessen ein Lächeln breit gemacht. Der Frisör führte seine Geschichte fort. “Ich habe ein Würstchen mit Rattengift gespickt und es an einer Leine runter auf den Balkon des Nachbarn gelassen. Den Tag darauf war dann endlich Ruhe“. Das habe er weder seiner Frau noch seinen Kindern erzählt. Ist ja auch verständlich. So etwas vertraut man lieber dem Kunden an; den kennt man ja schon seit fast einer Viertelstunde. Nachdem ich noch immer scheinbar nicht die gewünschte Reaktion gezeigt hatte, wurde mir der Prozess noch etwas veranschaulicht. Der Hund hätte über Jahre hinweg nur gebellt und den gesamten Wohnblock terrorisiert, da musste früher oder später jemand etwas unternehmen. Spanische Selbstjustiz vom Feinsten. Sein Kollege, mittlerweile beim Bart des Polizisten angelangt, musste sich jetzt vergewissern: „Du verstehst schon was Gift ist, oder?“Er gestikulierte etwas und imitierte den sterbenden Hund. Sichtlich überfordert von der ganzen Situation war das Einzige was ich auf die Schnelle herausbringen konnte: „Welche Rasse war denn der Hund?“-„Dogo Argentino“, ergänzte der Polizist, der seinen Haarschnitt bewunderte. Das Trinkgeld hatte sich der Frisör verdient. Langweilig war der Besuch auf keinen Fall. (sps)