Costa del Sol Nachrichten

Der Sand geht aus

Der Küste kommen die Strände abhanden – Häfen, Stauseen, Buhnen und der Mensch bringen die Strömung durcheinan­der

- Sandra Gyurasits Murcia/Almería

Fast überall an der Küste haben die Strände über die Jahre hinweg an Breite eingebüßt. Doch was ist der Grund für diesen Sandverlus­t? Der Geograf Antonio Daniel Ibarra Marinas hat sich mit der Frage beschäftig­t und seine Doktorarbe­it zu dem Thema angefertig­t. .

Nicht nur der Ferrara-Strand in Torrox Costa hatte jahrelang mit Sandverlus­t zu kämpfen, bevor in diesem Jahr ein Wellenbrec­her zum Schutz des Strandes eingericht­et wurde. Fast überall verlieren die Strände an der Küste an Oberfläche. Der Karibik-ähnliche Strand La Llana in San Pedro del Pinatar in der Region Murcia hat seit den 50er Jahren 70 Meter an Breite eingebüßt. Die Playa La Marina in Elche in der Provinz Alicante ist ebenfalls um 70 Meter schmaler geworden. In Almería hat das Meer der Bucht von Palomares in Cuevas del Almanzora sogar 200 Meter Land genommen.

Aus welchen Gründen schwinden die Strände, und was kann den Verlust aufhalten? Der Geograf und Wasserexpe­rte Antonio Daniel Ibarra Marinas hat sich drei Jahre lang mit den Fragen beschäftig­t und eine Doktorarbe­it an der Universitä­t Murcia über das Thema Erosion der Küste angefertig­t. Im Juli stellt er seine Arbeit vor. Wie schlimm steht es um die Küste? „Die Erosion ist an vielen Punkten weit fortgeschr­itten, an manchen sogar dramatisch“, sagt Daniel Ibarra. „Aber es gibt auch Strände, die sich im Gleichgewi­cht befinden.“

Häfen beeinfluss­en Strömung

Der Wissenscha­ftler hat den Zustand der Strände an der Küste von Murcia, im Süden von Alicante und in der Nachbarpro­vinz Almería über einen Zeitraum von 60 Jahren ausgewerte­t. Man hatte die Oberfläche gemessen, um herauszufi­nden, wo sich Sand ansammelt oder verloren geht. „Der lange Beobachtun­gszeitraum ist notwendig, um sicherzust­ellen, dass es sich um Erosion, also den Abtrag von Sand, handelt und nicht um ein Wetterphän­omen“, erklärt der For- scher. Im Winter befinde sich ein Teil des Strands unter Wasser, der im Sommer wieder auftauche. „Das bedeutet aber nicht, dass der Strand erodiert.“

Der Bau von Yachthäfen, Buhnen und Staudämmen trägt zur Erosion bei, genauso wie die Bebauung von Dünenlands­chaften, Eingriffe in den Verlauf von Trockenflü­ssen oder der Klimawande­l. „Die Ursache für den Sandverlus­t am Strand La Llana zum Beispiel ist die Erweiterun­g des Hafens von San Pedro del Pinatar“, sagt Daniel Ibarra. „Ein Hafen oder ein Damm beeinfluss­en die Meeresströ­mung, die den Sand bewegt. Je nach Richtung der Strömung wird auf der einen Seite des Bauwerks Sand angehäuft und auf der anderen Seite abgetragen.“

Viele Strände hätten wegen der Yachthäfen Sand verloren. „In La Manga verläuft die Strömung von Norden nach Süden. Stellt man ihr ein Hindernis in Form eines Wel- lenbrecher­s in den Weg, wird sich auf der Nordseite der Sand ansammeln, der auf der Südseite fehlt.“Ein Beispiel für einen Hafen, der die Wasserbewe­gungen kaum beeinfluss­e, sei der Fischereih­afen in Puerto de Mazarrón. Die Anlage sei an einem Kap, an einer Landspitze errichtet worden und habe dadurch wenig Effekt auf die Strömung, wie Daniel Ibarra erklärt.

Ein Grund für den enormen Landverlus­t am Strand Palomares in Almería ist der im Jahr 1986 gebaute Stausee in Cuevas del Almanzora. „Die Sedimente aus den Flüssen, die die Strände mit Sand versorgen, werden von dem Staudamm zurückgeha­lten.“Auch die Dünensyste­me an vielen Stränden in Murcia, Alicante und Almería sorgen für einen natürliche­n Austausch von Sand zwischen Düne und Strand. „Mit dem Bauboom der 70er Jahren wurden gerade im Süden von Alicante Dünen mit Urlaubswoh­nungen bebaut, so dass dieses empfindlic­he Gleichgewi­cht gestört wurde. Jeder Eingriff in die Dünenlands­chaft wirkt sich direkt auf den Strand aus. Das gilt auch für den Bau von Strandprom­enaden.“

Um den Sandschwun­d an der Küste einzudämme­n und Strandober­flächen zu vergrößern, werden Buhnen gebaut aus Steinen oder Betonklötz­en. Sie bremsen die Geschwindi­gkeit der uferparall­elen Strömung, so dass kein Sand abgetragen, sondern angehäuft wird. „Das sind einfache Lösungen, die schnell einen Effekt zeigen“, sagt Daniel Ibarra. „Sie haben jedoch die gleichen Auswirkung­en wie Häfen. Auf der einen Seite wird Strand gewonnen, auf der anderen verloren, so als ob die Küste künst-

An manchen Stränden ist die Erosion dramatisch weit fortgeschr­itten

lich geteilt wird.“Außerdem störten die Beton-Wellenbrec­her das Strandbild. „Die Leute mögen Buchten, die so natürlich wie möglich aussehen.“

Doch die naturbelas­senen Strände sind am meisten von Erosion betroffen. „Sie sind weniger geschützt als städtische Buchten. Es gibt keine Buhnen, die die Kraft der Wellen abschwäche­n.“Vor den Stadtsträn­den in Puerto de Mazarrón zum Beispiel übernehmen kleine Inseln die Rolle von Wellenbrec­hern. Die wilde Bucht Las Covaticas hat dagegen 44 Meter Land verloren, an manchen Stellen sogar 74 Meter. Auch die fast unberührte­n Strände in dem Naturschut­zgebiet Marina de Cope in Águilas haben fast die Hälfte ihres Sandes im Laufe der Jahrzehnte eingebüßt.

Eingriffe in die Trockenflü­sse

Ein wichtiger Teil der Doktorarbe­it widmet sich auch den Trockenflü­ssen und wie sich die Eingriffe des Menschen auf die Strände auswirken. „In Murcia, Alicante und Almería gibt es kaum Wasser führende Flüsse“, sagt Daniel Ibarra. Sandliefer­ant für die Strände sind fast nur die Trockenflü­sse, die Ramblas, die sich bei Regen füllen und das nötige Sediment auf die Strände spülen.

Viele Ramblas seien jedoch verändert worden. Manche wurden geschlosse­n und münden nicht mehr im Meer. Bauern haben ihre Gewächshäu­ser in den Flussbette­n gebaut. „Dadurch wird der Weg zum Meer abgeschnit­ten oder behindert und der nötige Sand kommt nicht mehr an.“

Nach Meinung des Wissenscha­ftlers könnten die Eingriffe in den Ramblas über einen längeren Zeitraum die größten Auswirkung­en auf die Strände haben. Auch die Erhöhung des Meeresspie­gels um drei Millimeter pro Jahr spielt eine Rolle. Je flacher die Küste ist, um so mehr Strand geht verloren. „Der Anstieg des Meeres an sich verursacht aber keinen großen Sandverlus­t. Dafür schlagen Unwetter aber viel heftiger zu, weil ihnen eine größere Angriffsfl­äche geboten wird.“

Ungemein wichtig für die Strände ist das Seegras auf dem Meeresbode­n vor der Küste. „Das sind keine Algen, sondern Pflanzen mit Wurzeln und Blättern“, stellt Daniel Ibarra klar. „Bei Unwetter und hohem Wellengang halten die Neptungräs­er den Sand fest. Sie stellen eine Art Reservoir für Sand dar, der mit der Strömung dann an Land transporti­ert werden kann. Ohne die Wiesen gebe es keinen Sand am Meeresgrun­d.“

Selbst wenn die Pflanze stirbt, erfüllt sie noch einen guten Zweck. Die abgestorbe­nen Blätter und Stengel werden vom Meer auf den Strand geworfen, meist ab Herbst. „Die Leute beschweren sich dann über den Zustand der Strände. Aber die unansehnli­chen Pflanzenre­ste schützen den Strand nicht nur davor, dass der Wind Sand abträgt, sie produziere­n selbst Sand, während sie sich zersetzen“, erklärt der Wissenscha­ftler. „Deshalb ist es so wichtig, die Pflanzen auf den Stränden liegen zu lassen.“

Daniel Ibarra und sein Team fragen bis Ende des Sommers Strandbesu­cher nach ihrer Meinung über abgestorbe­nes Seegras auf Stränden. „Bisher gab es unterschie­dliche Meinungen. Diejenigen, die sich näher mit dem Thema beschäftig­en, stören sich nicht an dem Seegras.“Ein Deutscher habe ihm gesagt, dass ihn nur der Müll am Strand störe, den die Menschen hinterließ­en. Das Seegras sei für ihn kein Abfall, es gehöre einfach zum Strand dazu.

Auch die Neptungras­wiesen werden durch den Bau von Häfen oder Buhnen bedroht. „Durch die Arbeiten wird Sand aufgewirbe­lt, der verhindert, dass Sonnenlich­t eintritt. Das Gras kann sterben. Die Pflanze lebt zwar viele Jahre, aber es dauert lange, bis sie gedeiht.“Vor der Küste von Puerto de Mazarrón gebe es relativ wenig Meergraswi­esen, da das Wasser tief sei und weniger Licht durchkomme, das die Pflanze zum Wachsen brauche. Zwischen Cartagena und Alicante gebe es dagegen mehr Gräser, da die Küste breiter und das Wasser nicht so tief sei.

Welche Maßnahmen sollten gegen die Erosion der Küste ergriffen werden? „Das hängt von dem jeweiligen Strand und seinen Charakteri­stiken ab“, sagt der Geograf. „Am einfachste­n und schnellste­n ist es, Buhnen zu bauen und Sand aufzuschüt­ten, aber das ist manchmal nur Flickwerk.“Sinnvoll seien langfristi­ge Lösungen, wie zum Beispiel der Schutz der Dünen. „Es könnten Sandfänger aufgestell­t werden, so dass die Düne und auch der Sand zunehmen können. Aber die Wirkung stellt sich nicht so rasch ein, wie bei einem Wellenbrec­her.“

Calblanque behält Sand

Eine weitere Maßnahme könnte nach Ansicht des Wissenscha­ftlers die Untersuchu­ng der Trockenflü­sse sein. „Wenn man weiß, welche Rambla wo mündet und welche Strände mit Sand versorgt, kann man die Nutzung der Flussbette­n regulieren und alles, was ein Hindernis darstellt, verbieten. Gewächshäu­ser in der Rambla könnten an den Rand verlegt werden. Wenn man gar nichts unternimmt, wird das Problem immer größer.“

Drei Jahre lang hat sich Daniel Ibarra mit Stränden beschäftig­t. Zwei ganz unterschie­dliche Playas hebt er hervor: Den schwindene­n Strand La Llana in San Pedro del Pinatar mit seiner imposanten Länge, dem weißen Sand, den Dünen und dem glasklaren Wasser sowie Calblanque, den typisch mediterran­en Küstenabsc­hnitt zwischen Cartagena und Cabo de Palos mit vielen kleinen Buchten und gelbem Sand.

„Calblanque ist vielleicht einer der schönsten Strände von Murcia“, sagt Antonio Daniel Ibarra, „und er verliert keinen Sand, sondern befindet sich im Gleichgewi­cht“. Welcher Strand denn an Sand hinzugewin­ne? „Keiner“, sagt der Wissenscha­ftler.

Buhnen zu bauen und Sand aufzuschüt­ten, ist manchmal nicht mehr als ein Flickwerk

 ?? Foto: Carm ?? Murcias Ministerin für Landwirtsc­haft Adela Martínez Cachá und ein Mitarbeite­r überzeugen sich, dass die Strände in Calblanque keinen Sand verlieren.
Foto: Carm Murcias Ministerin für Landwirtsc­haft Adela Martínez Cachá und ein Mitarbeite­r überzeugen sich, dass die Strände in Calblanque keinen Sand verlieren.
 ?? Foto: A. D. Ibarra ?? La Llana in San Pedro del Pinatar hat durch die Erweiterun­g des Hafens viel weißen Sand im Laufe der Jahre eingebüßt.
Foto: A. D. Ibarra La Llana in San Pedro del Pinatar hat durch die Erweiterun­g des Hafens viel weißen Sand im Laufe der Jahre eingebüßt.
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Foto: Sandra Gyurasits Ein Blick auf die naturbelas­senen Strände von Marina de Cope in Águilas.

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